Superplume unter Äthiopien: Wie ein neuer Ozean entsteht
Afrika bricht auseinander, das ist bereits länger klar. Forschende haben nun beobachtet, wie ein pulsierender Mantelstrom die Geburt eines neuen Ozeans vorantreibt.

Frische Basaltlavaströme in der Region Afar, Äthiopien. Die Erdbewegungen werden dafür sorgen, dass Afrika irgendwann auseinanderbricht und ein neuer Ozean entsteht.
Foto: Dr Derek Keir, University of Southampton/ University of Florence
Unter der Erdoberfläche von Äthiopien arbeitet ein geologischer Prozess, der das Potenzial hat, den afrikanischen Kontinent dauerhaft zu verändern. Neue Forschungen zeigen, dass der Boden im Osten Afrikas langsam aufbricht – angetrieben von Impulsen heißen Gesteins aus dem tiefen Erdmantel. Diese rhythmischen Aufwärtsbewegungen, sogenannte Mantelplumes, könnten langfristig einen neuen Ozean entstehen lassen.
Inhaltsverzeichnis
Geopuls aus dem Erdinnern
Ein Forschungsteam unter Leitung der Universität Southampton hat unter der Afar-Region in Äthiopien einen dynamischen Aufstrom heißen Gesteins identifiziert. Die Plume bewegt sich nicht konstant, sondern pulsiert in chemisch klar abgrenzbaren Schüben.
„Wir haben festgestellt, dass der Mantel unter Afar nicht einheitlich oder stationär ist – er pulsiert, und diese Impulse tragen eindeutige chemische Signaturen“, sagt Dr. Emma Watts. Sie leitete das Projekt an der Universität Southampton, heute forscht sie an der Swansea University.
Die Impulse bewegen sich durch das sogenannte Rift-System, eine Zone, in der die Erdkruste auseinanderdriftet. Die heißen Gesteinsströme beeinflussen damit unmittelbar die Dynamik der Plattenbewegungen. Dabei wirken sie wie ein unsichtbarer Motor, der den Kontinent langsam spaltet.
Riss durch Afrika: Ein neuer Ozean entsteht
Schon heute ist sichtbar, wie sich Afrika entlang einer mehr als 3.200 Kilometer langen Bruchlinie verändert. In der Afar-Senke treffen gleich drei Riftsysteme aufeinander: der Äthiopische Graben, der Golf von Aden und das Rote Meer. Diese tektonische Drehscheibe ist ein einzigartiges geologisches Fenster in das Erdinnere.
Seit rund 30 Millionen Jahren driften hier Platten auseinander. Eine neue Platte, die sogenannte Somalia-Platte, bildet sich. Bereits 2005 entstand in der äthiopischen Wüste ein sichtbarer Riss von 50 Kilometern Länge. 2018 folgte eine Erdspalte in Kenia mit 15 Metern Tiefe. Der Riss wird jedes Jahr zwischen 0,8 und 2,5 Zentimeter größer. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass in rund einer Million Jahre eine neue Meeresstraße zwischen Somalia und dem Rest Afrikas verläuft.

Aktive Lavaströme fließen aus dem Vulkan Erta Ale in Afar, Äthiopien.
Foto: Dr Derek Keir, University of Southampton/ University of Florence
Superplume unter Ostafrika
Im Zentrum dieser tektonischen Bewegung steht ein riesiger Aufstrom von geschmolzenem Gestein. Forschende sprechen hier vom „Superplume“, einer besonders großen Mantelplume mit enormer Hitze und Masse. Diese Struktur reicht bis in eine Tiefe von mehreren hundert Kilometern und drückt gegen die Erdkruste.
Ein Computermodell der Universität Virginia Tech stützt diese Theorie. Es zeigt, dass die Verschiebung der tektonischen Platten direkt mit dem Superplume unter Äthiopien zusammenhängt. Das heiße Gestein steigt bis in zehn Kilometer Tiefe unter die Oberfläche auf und schwächt die dortige Erdkruste.
Impulsartige Streifen im Gestein
Das britische Forschungsteam analysierte mehr als 130 Vulkangesteinsproben aus der Region. Sie fanden darin ein chemisches Muster: Die Zusammensetzung der Gesteine zeigt streifenartige Signaturen – ein Hinweis auf rhythmisch aufsteigendes Material.
„Die chemischen Streifen deuten darauf hin, dass die Plume pulsiert, wie ein Herzschlag“, sagt Professor Tom Gernon, Geowissenschaftler an der Universität Southampton. In Riftzonen wie dem Roten Meer verlaufen diese Impulse besonders regelmäßig, vergleichbar mit dem Blutfluss in einer Arterie.
Verbindung zu Erdbeben und Vulkanismus
Die Aufstiegsbewegungen aus dem Mantel beeinflussen nicht nur die tektonischen Platten. Sie könnten auch Erdbeben und Vulkanismus an der Oberfläche mitbestimmen.
„Wir haben herausgefunden, dass die Entwicklung tiefer Mantelaufstiege eng mit der Bewegung der darüber liegenden Platten verbunden ist“, sagt Dr. Derek Keir, der an der Universität Southampton und in Florenz forscht.
Das heiße Gestein konzentriert sich dort, wo die Erdkruste am dünnsten ist. Es entstehen bevorzugt Vulkane und Bruchzonen. Die Forschenden vermuten, dass sich die Plume je nach Plattendicke unterschiedlich verhält.
Ausblick: Noch viele offene Fragen
Trotz der Fortschritte bleibt der Prozess schwer vorhersagbar. Die Geschwindigkeit, mit der der neue Ozean entsteht, ist variabel. Seismische Ereignisse wie Erdbeben könnten ihn beschleunigen, doch genaue Prognosen sind schwierig.
Dr. Watts betont die Bedeutung interdisziplinärer Zusammenarbeit: „Ohne den Einsatz verschiedener Techniken ist es schwierig, sich ein vollständiges Bild zu machen – das ist wie ein Puzzle, bei dem nicht alle Teile vorhanden sind.“
Klar ist: Afrika steht vor einer tektonischen Umwälzung. Und mit jeder aufsteigenden Pulsschlagwelle aus dem Erdinnern rückt die Entstehung eines neuen Ozeans näher.
Ein Beitrag von: