CIA-Skulptur Kryptos: Der Code-Schöpfer verrät neue Geheimnisse
Kryptos vor der Enthüllung: Jim Sanborn liefert letzte Hinweise zu K4, kündigt ein neues Rätsel an und bringt Bewegung in das berühmte CIA-Mysterium.
Die Kryptos-Skulptur auf dem Gelände der CIA in Langley: Vier verschlüsselte Botschaften im Kupfer.
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Kryptos vor der Enthüllung: Jim Sanborn liefert letzte Hinweise zu K4, kündigt ein neues Rätsel an und bringt Bewegung in das berühmte CIA-Mysterium.
Seit 35 Jahren beschäftigt eine Kupferskulptur auf dem Gelände der CIA Rätselfans weltweit. Kryptos enthält vier verschlüsselte Botschaften. Drei davon sind seit den 1990er-Jahren gelöst. Der vierte Teil, K4, hingegen blieb trotz unzähliger Versuche unentschlüsselt. Nun hat der Künstler Jim Sanborn, der das Rätsel geschaffen hat, neue Hinweise veröffentlicht – kurz bevor er die vollständige Lösung von K4 versteigert. Die Ankündigung bringt Bewegung in ein Rätsel, das als eines der hartnäckigsten der Kryptografiegeschichte gilt.
Inhaltsverzeichnis
Wie Kryptos entstand
Sanborn entwickelte Kryptos Ende der 1980er-Jahre und installierte die Skulptur 1990 am neu errichteten CIA-Gebäude. Die Materialien wirken wie ein geologisches Sammelsurium: Granit, Quarz, versteinertes Holz, Schiefer. Doch im Zentrum steht die Kupferwand, gebogen wie ein Segel, mit über 860 Zeichen in vier Abschnitten.
Jeder Abschnitt enthält eine unabhängige verschlüsselte Nachricht:
- K1 und K2: klassische polyalphabetische Verschlüsselung, unter anderem nach dem Vigenère-Prinzip.
- K3: eine Transpositionschiffre, bei der Buchstaben umsortiert werden.
- K4: nur 97 Zeichen lang – und dadurch extrem schwer zu analysieren.
Sanborn arbeitete damals mit dem Kryptografie-Experten Ed Scheidt zusammen, dem früheren Chef des CIA Cryptographic Center. Er brachte das Wissen ein, das Nachrichtendienste jahrzehntelang prägte. Dieses Fundament macht Kryptos so faszinierend: Es ist kein Amateur-Rätsel, sondern ein bewusst konstruiertes Labyrinth.
Die Klartexte von K1 bis K3 sind längst bekannt und haben poetische, zum Teil historische Anspielungen. Doch K4 blieb ein Problem. Und das lag weniger an mangelnder Expertise – sondern an der Kombination aus Kürze, Mehrfachverschlüsselung und gezielten Irreführungen.
Warum K4 so lange unknackbar blieb
97 Zeichen wirken wenig, aber gerade diese Kürze ist das Problem. Klassische Methoden der Kryptanalyse arbeiten statistisch. Sie brauchen lange Texte, damit Häufigkeiten sichtbar werden. Bei kurzen Sequenzen verschwimmt alles. Der Algorithmus greift ins Leere.
Zudem vermuten viele, dass Sanborn mehrere Schritte kombiniert hat – etwa eine Mischung aus Substitution und Transposition. Eine solche Chiffre-Kaskade macht Muster unsichtbar. Was für Geheimdienste Alltag war, wird für die Kryptos-Community zu einem jahrelangen Hindernis.
Sanborn streute im Laufe der Jahrzehnte Hinweise in die Öffentlichkeit. Kleine Wörter im Klartext, sogenannte Cribs:
BERLIN, CLOCK, NORTHEAST.
Doch diese Bröckchen reichten nie aus, um den ganzen Text zu entziffern.
Berühmt wurde auch sein Satz:
„KI-Lösungen sind albern.“
Er spielte damit auf Sprachmodelle an, die bei so kurzen Texten Zufälle als Muster lesen könnten.
Die geheime Entdeckung im Smithsonian
Im September 2025 meldeten die Journalisten Jarett Kobek und Richard Byrne, sie hätten den Klartext von K4 gefunden. Nicht durch Kryptologie, sondern durch Archivarbeit. In den Beständen des Smithsonian tauchten Dokumente auf, die Sanborn offenbar versehentlich dorthin übergeben hatte – handschriftliche Kodierungstabellen, Fragmente, Markierungen. Byrne fotografierte die Unterlagen, Kobek erkannte Zusammenhänge. Die Cribs tauchten darin wieder auf.
Sanborn bestätigte später, dass er diese Materialien während einer Krebsbehandlung versehentlich eingelagert hatte. Er bat anschließend darum, dass die Akten für 50 Jahre versiegelt werden.
Die Reaktionen waren heftig. Die Auktionsgesellschaft RR Auction, die Teile der Materialien versteigern wollte, warnte die Journalisten davor, den Text zu veröffentlichen. Es drohten rechtliche Schritte. Kobek und Byrne erklärten daraufhin öffentlich, sie würden die Lösung nicht publizieren.
In der Kryptos-Gemeinschaft sprach man bald vom „ugly end“ – einem unerfreulichen Ende einer langen Suche. Denn obwohl der Klartext angeblich existiert, bleibt die Verschlüsselungsmethode ungeklärt. Und genau das ist für viele der wahre Kern von Kryptos.
Sanborn bricht sein Schweigen
Auftritt im Internationalen Spionagemuseum, 12. November 2025: Sanborn, sichtbar gealtert, aber geistig wach, legt eine Art Abschiedsrede hin. Er erklärt, warum er jetzt spricht:
„Es ist meine letzte Chance, Informationen darüber zu vermitteln, was der neue Besitzer – oder, wie ich es nenne, der Kryptos-Hüter – nach der Übergabe sagen und tun kann.“
Dann präsentiert er neue Hinweise in Form eines offenen Briefs. Vier Punkte sind entscheidend:
- Zwei historische Ereignisse beeinflussen den Schlüssel:
seine Ägyptenreise 1986 und der Fall der Berliner Mauer 1989. - „BERLINCLOCK“ bezieht sich auf die Weltzeituhr in Berlin – nicht auf abstrakte Zeitcodes.
- Kryptos geht immer darum, „eine Botschaft zu überbringen“.
Sanborn deutet damit ein erzählerisches Motiv an, nicht nur eine mechanische Verschlüsselung. - K5 existiert – und knüpft thematisch an K2 an.
Der Satz aus K2 „Es ist irgendwo da draußen vergraben“ bekommt dadurch eine neue Bedeutung.
Damit wird klar: Wer K4 lösen will, muss über reines Codeknacken hinausdenken. Kryptos ist ein erzählerisches Kunstwerk. Die Anspielungen sind Absicht, die historischen Bezüge Teil der Struktur.
K5 – ein neues Rätsel für die nächste Generation
Sanborn enthüllt noch etwas:
Sobald K4 gelöst ist, wird eine weitere verschlüsselte Botschaft veröffentlicht – K5.
Sie soll ebenfalls 97 Zeichen lang sein. Sie wird an einem öffentlichen Ort sichtbar sein. Und sie soll Elemente aller bisherigen Rätsel enthalten.
Eine Auktion, ein KI-Prüfsystem – und viele offene Fragen
Sanborn versteigert Ende November die vollständige Lösung von K4. Der oder die Gewinner*in erhält zusätzlich ein KI-gestütztes Prüfsystem, das Lösungen automatisch testet. Es soll sicherstellen, dass die Enthüllung geordnet läuft – und nicht völlig im Chaos endet.
Die Community reagiert gemischt. Manche fürchten, Kryptos werde zum exklusiven Sammlerstück. Andere hoffen, dass durch die Auktion endlich Klarheit entsteht. Wieder andere wünschen sich, die Lösung bleibe geheim, damit das Rätsel weiterlebt.
Fakt ist: Auch wenn Kobek und Byrne den Klartext kennen, bleibt die Methode ungeklärt. Und genau das ist der Kern jeder guten Chiffre.
Elonka Dunin, eine bekannte Stimme der Kryptos-Szene, fasst es so zusammen:
„Es ist eine Sache, die Worte zu haben. Eine andere Sache ist es, die Methode zu haben.“
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