Was Sheldon nicht schaffte 21.12.2025, 18:06 Uhr

Bazinga! Physiker lösen Problem aus „The Big Bang Theory“

Physiker lösen ein Axion-Problem aus „The Big Bang Theory“ – und zeigen, wie Fusionsreaktoren neue Teilchen erzeugen könnten.

Big Bang Theory Sheldon Cooper

Was Sheldon Cooper (2. v. l.) nicht schaffte, gelingt realen Physikern: Axionen aus dem Fusionsreaktor.

Foto: picture alliance / Mary Evans/AF Archive/CBS | AF Archive

Was in einer Sitcom als Insider-Gag für Physikerinnen und Physiker versteckt war, landet nun in einer Fachzeitschrift. Ein reales Forschungsteam hat ein theoretisches Problem gelöst, an dem zwei der bekanntesten fiktiven Physiker der Popkultur scheiterten.

Es geht um Axionen. Also um hypothetische Teilchen, die Physikerinnen und Physiker seit Jahrzehnten als Kandidaten für Dunkle Materie diskutieren. Und es geht um Fusionsreaktoren. Genauer gesagt um die Frage, ob solche Anlagen nicht nur Energie liefern, sondern auch exotische Teilchen erzeugen könnten.

Lassen sich Axionen in einem Fusionsreaktor erzeugen?

In der Serie The Big Bang Theory tauchte diese Idee gleich mehrfach auf. In der fünften Staffel kritzelten Sheldon Cooper und Leonard Hofstadter Gleichungen auf Whiteboards. Sie sollten zeigen, ob sich Axionen in einem Fusionsreaktor erzeugen lassen. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Rechnung ging nicht auf. Am Ende blieb ein trauriges Strichmännchen auf der Tafel.

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Mehr als ein Jahrzehnt später behaupten reale Physiker: Genau dieses Problem lässt sich doch lösen.

Von der Sitcom in die Fachliteratur

Ausgangspunkt ist eine Studie im Journal of High Energy Physics. Federführend beteiligt ist Jure Zupan von der University of Cincinnati. Mitautoren arbeiten unter anderem am Fermi National Laboratory, am MIT und am Technion–Israel Institute of Technology.

Das Team untersucht theoretisch, was in einem modernen Fusionsreaktor passiert, wenn Deuterium und Tritium miteinander verschmelzen. Solche Reaktoren produzieren enorme Mengen schneller Neutronen. Genau diese Neutronen spielen in der neuen Arbeit eine zentrale Rolle.

„Neutronen interagieren mit dem Material in den Wänden. Die daraus resultierenden Kernreaktionen können dann neue Teilchen erzeugen“, sagte Zupan.

Warum Axionen Physiker beschäftigen

Axionen sind bislang rein hypothetisch. Niemand hat sie direkt gemessen. Trotzdem gelten sie als ernsthafte Kandidaten für Dunkle Materie. Also für jene unsichtbare Masse, die Galaxien zusammenhält und ihre Rotation erklärt.

Dunkle Materie sendet kein Licht aus. Sie reflektiert keines. Sie verrät sich nur über Gravitation. Beobachtungen zeigen seit Jahrzehnten: Galaxien drehen sich so schnell, dass sie ohne zusätzliche Masse auseinanderfliegen müssten. Axionen könnten diese fehlende Masse liefern. Vorausgesetzt, sie existieren.

Viele Experimente suchen deshalb nach Axionen. Meist versuchen sie, Teilchen aus dem Kosmos nachzuweisen. Etwa aus der Sonne oder aus dem frühen Universum. Fusionsreaktoren galten lange als ungeeignet. Genau das spiegelt auch die Rechnung aus der TV-Serie wider.

Warum Sheldon und Leonard scheiterten

In The Big Bang Theory vergleichen Sheldon und Leonard ihren hypothetischen Reaktor mit der Sonne. Die Sonne ist riesig. Sie setzt dauerhaft enorme Energiemengen frei. Entsprechend hoch ist dort die Wahrscheinlichkeit, dass seltene Teilchen entstehen und zur Erde gelangen.

„Die Sonne ist ein riesiges Objekt, das viel Energie produziert. Die Wahrscheinlichkeit, dass neue Teilchen von der Sonne erzeugt werden, die zur Erde strömen, ist größer als die Wahrscheinlichkeit, dass sie in Fusionsreaktoren unter Verwendung derselben Prozesse wie in der Sonne erzeugt werden“, sagte Zupan.

Genau dieser Vergleich führt zu dem traurigen Gesicht auf dem Whiteboard. Mit denselben Mechanismen wie in der Sonne hat ein Reaktor keine Chance. Das war korrekt. Aber auch unvollständig.

Der theoretische Ausweg

Die neue Studie setzt an einem anderen Punkt an. Sie betrachtet Prozesse, die in der Sonne kaum eine Rolle spielen. Einer davon: Neutronen prallen in den Reaktorwänden auf Atomkerne. Dabei können sie neue Teilchen erzeugen. Ein anderer Prozess ist die sogenannte Bremsstrahlung. Dabei verlieren Neutronen Energie, wenn sie von anderen Teilchen abgelenkt werden. Diese Energie kann in exotische Teilchen umgewandelt werden.

Das Ergebnis: Unter bestimmten Annahmen könnten in einem großen Fusionsreaktor tatsächlich Axionen oder zumindest axionähnliche Teilchen entstehen. Nicht in riesigen Mengen. Aber möglicherweise oft genug, um sie gezielt zu suchen.

„Die Grundidee aus unserer Arbeit wurde vor Jahren in ‚The Big Bang Theory‘ diskutiert, aber Sheldon und Leonard konnten sie nicht umsetzen“, sagte Zupan.

Fusionsreaktoren als Teilchenquelle?

Die Arbeit bezieht sich auf Reaktoren mit Lithium-ausgekleideten Wänden, wie sie für internationale Großprojekte geplant sind. Solche Anlagen sollen nicht nur Strom erzeugen. Sie produzieren auch extreme Teilchenflüsse, die sich für Grundlagenforschung nutzen lassen könnten.

Das ist eine neue Perspektive. Fusionsreaktoren wären dann nicht nur Energietechnik, sondern auch Labor für Teilchenphysik. Ob das praktisch umsetzbar ist, bleibt offen. Die Studie ist theoretisch. Sie zeigt Möglichkeiten. Keine fertigen Experimente.

Popkultur trifft Physik

Dass ausgerechnet eine Sitcom als Ausgangspunkt dient, ist kein Zufall. The Big Bang Theory war bekannt dafür, echte Physik einzubauen. Whiteboards enthielten reale Gleichungen. Fachbegriffe wie Schrödingers Katze oder Doppler-Effekt tauchten regelmäßig auf. Gastauftritte von Nobelpreisträgern gehörten dazu.

„Deshalb ist es als Wissenschaftler so fantastisch, diese Serie zu sehen“, sagte Zupan. „Die Witze haben viele Ebenen“, ergänzte er.

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Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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