Solar in Deutschland braucht schnellere Genehmigungen und Netzanschlüsse
Joachim Goldbeck, CEO von Goldbeck Solar und Vorsitzender des Branchenverbands BSW Solar, erwartet von der designierten Energieministerin Katharina Reiche eine „konstruktive Kooperation“. Risiken sieht er unter anderem im Marktdesign für neue Gaskraftwerke.

Freiflächen-Solarpark im österreichischen Nickelsdorf. Goldbeck Solar war hier als Generalunternehmer tätig.
Foto: Goldbeck Solar
VDI nachrichten: Jetzt wissen wir, wer uns die nächsten vier Jahre mit welchem Programm regieren möchte. Die Ministerinnen und Minister sind benannt, im Energiebereich ist es die frühere Staatssekretärin und Westnetz-Chefin Katharina Reiche. Herr Goldbeck, wie sehen Sie die Aufstellung der kommenden neuen Bundesregierung in Sachen Energie?
Joachim Goldbeck: Ungefähr 80 % positiv, 20 % herausfordernd. Es überwiegt aber klar der positive Teil. Die Positionen beim Klimaschutz bleiben wichtig und werden weiterverfolgt, erneuerbare Energien gelten auch hier als zentrale Säule. Dass Frau Reiche die Leitung übernimmt, die aus der Energiewirtschaft kommt, ist sicherlich gut. Wir haben da eine fachkompetente Gesprächspartnerin, und darauf freue ich mich. Ich glaube, das wird eine konstruktive Kooperation. Das Klimaziel ist vorhanden, und die Rahmenbedingungen werden nicht dramatisch geändert. Das ist gut, denn ständige Richtungswechsel sind Gift für die Wirtschaft. Ein Beispiel dafür, was dieses Hin und Her bedeutet, sehen wir 5000 Meilen westlich von uns.
Das heißt, die Ausbaupfade, die unter der Ampelkoalition festgelegt wurden, etwa beim Solarausbau, sehen Sie nicht in Gefahr?
Von der neuen Regierung habe ich da noch keine klare Positionierung gehört. Auch nicht, dass die grundsätzlich infrage gestellt oder abgeschafft werden sollen. Aber eine Bestätigung, dass es exakt so weiterläuft, habe ich nicht. Und darin steckt natürlich ein gewisses Risiko.
Solar wird aus eigener Kraft zugebaut, andere Technologien brauchen Hilfen, dürfen den Markt aber nicht verzerren
Welche Risiken meinen Sie?
Zum Beispiel wurde gesagt, es sollen 20 GW Gaskraftwerke zusätzlich gebaut werden. Wenn das nicht aus dem Markt heraus finanziert wird, sondern mit staatlichem Geld, ist das vielleicht teuer, aber nötig – als absolute Notfallreserve, damit das Netz nicht zusammenbricht. Problematisch wird es, wenn solche Anlagen dann einfach mitlaufen, weil der Marktpreis gerade bei 100 €/MWh liegt, obwohl sie eigentlich aus einem ganz anderen Mechanismus heraus finanziert wurden. Wenn diese Anlagen erst ab extremen Preisen einspringen, okay – aber bitte nicht unter 1000 €/MWh. Alles andere verzerrt den Markt. Ein anderes Risiko steckt hinter dem harmlos klingenden Wort „technologieoffen“. Wenn man das in dem Sinne benutzt, dass man sagt: „Wir wissen nicht, was noch kommt, also machen wir jetzt erst mal nichts“ – dann verzögert sich alles. Bei Solar wird aus eigener Kraft weiter zugebaut, weil es einfach supergünstig geworden ist. Aber bei anderen Themen, etwa beim Wasserstoff, braucht es klare Maßnahmen. Sonst passiert da fünf oder zehn Jahre gar nichts, und irgendwann ist der Zug abgefahren und dann müssen wir auch diese Technologie außerhalb Europas zukaufen.
In Deutschland stehen fertig montierte Solarparks in der Sonne und der Anschluss fehlt
Konkret zu Solar und Speichern: Welche Maßnahmen müssen aus Ihrer Sicht in Deutschland ergriffen werden, um bestehende Markthemmnisse abzubauen?
Ich glaube, wir brauchen eine baurechtliche Privilegierung für Anlagen bis zu 1 MW. Auch für Großspeicher sollte die Genehmigung schlanker laufen. Da geht es um Genehmigungen, Baugenehmigungen, Brandschutz, aber auch um den Netzanschluss. Die Bereitstellung des Netzanschlusses ist extrem hemmend. Wir haben große Anlagen fertiggestellt – weit über 100 MW, die ein Jahr lang in der Sonne stehen, bis der Netzversorger endlich den Hebel umlegt. Das ist ein riesiges Problem.
Also Genehmigung ist das eine, die physische Herstellung des Netzanschlusses und Anschaltung das andere?
Genau. Das betrifft zwar oft unsere Kunden direkt, aber wir sind dem faktisch auch ausgesetzt. Ein wichtiger Punkt in dieser Hinsicht – die Überbaubarkeit des Netzanschlusses – ist inzwischen noch durch die alte Bundesregierung gesetzlich geregelt worden. Ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg.

Joachim Goldbeck ist Geschäftsführer und Gründer von Goldbeck Solar. Der Maschinenbauingenieur ist zudem 1. Vorsitzender des Bundesverbandes Solarwirtschaft.
Foto: Goldbeck Solar
Wir müssen die Bevölkerung mitnehmen, um die Akzeptanz für Solar in Deutschland zu erhalten
Gibt es auf europäischer Ebene Punkte, wo Sie sagen, da müsste etwas passieren?
Die EU hat bei der EEG-Reform gebremst, insbesondere bei der Förderung von Photovoltaikanlagen. Das hat uns in Mitleidenschaft gezogen. Aber ich sehe bei der neuen Kommission durchaus Unterstützung, besonders bei der Doppelnutzung von Flächen, wie bei Agri-PV-Anlagen. Ohne etwas höhere Vergütung kommen die nicht in die Wirtschaftlichkeit. Bei Agri-PV gibt es technische Themen wie Landverbrauch oder Netzanschluss, und es gibt soziale Themen. Wenn etwa ein Landwirt seine Fläche nicht mehr beackern kann, weil die Energiewirtschaft höhere Preise bietet, um auf der Fläche Freiflächenanlagen zu bauen, dann sieht der Bauer Solar als Wettbewerber. Aber wenn man eine Doppelnutzung hinbekommt, gerade in der Nähe von Städten, wo auch der Strom gebraucht wird, dann ist das nicht nur technisch sinnvoll, sondern auch kommunizierbar. Die Bevölkerung mitzunehmen, Sinnhaftigkeit zu erklären, das ist enorm wichtig. Wenn man nur per ordre du mufti entscheidet, stärkt das am Ende die AfD. Dem muss man mit Kommunikation begegnen.
KI bringt Solar voran, ob bei der Dachbelegung oder der Projektkalkulation
Was machen Sie mit KI im Unternehmen, und welche Chancen sehen Sie?
Ein Beispiel: Batterien. Batterien sind sehr günstig geworden – 80 % bis 90 % preiswerter in den letzten Jahren. Jetzt kommt es darauf an, sie flexibel und sinnvoll einzusetzen. Das ist ein ideales Feld für KI – zum Beispiel, wenn man Wetterprognosen, Netzauslastung, Bedarfsprognosen und Marktpreise berücksichtigt und daraus ableitet, wie die Batterie gefahren werden sollte. Das bringt viel Nutzen – für den Investor, fürs Netz und letztlich für alle. Bei Goldbeck Solar unterscheiden wir beim KI-Einsatz zwischen Breitensport und Spitzensport. Breitensport ist der allgemeine Einsatz von KI, wie ein Copilot, der Fragen beantwortet oder Texte verfeinert. Spitzensport sind spezielle Lösungen, die wir auf unser Unternehmen anpassen, zum Beispiel die Optimierung von Projektkalkulationen oder die Dachbelegung mit PV-Anlagen. Wir untersuchen darüber hinaus auch KI-gestützte Automatisierung, als die Kombination von Robotik mit KI, aber da ist unsere Lösung noch nicht spruchreif.
Sie arbeiten also ganz praktisch an solchen Dingen?
Ja, da sind wir schon gut vorangekommen. Wir müssen die Möglichkeiten von heute clever nutzen und suchen auch gezielt Mitarbeiter, die uns gerade im Spitzensport helfen, die entscheidenden Schritte zu machen.
Spielt KI bei der Standortauswahl für Solarparks eine Rolle?
In der Theorie sicher. Aber die Standortauswahl hängt stark von den verfügbaren Daten ab. In Chile zum Beispiel sind Netzdaten, Ausbaupläne und Trafostationen öffentlich zugänglich. In Deutschland fehlen oft strukturierte Daten, etwa zu Netzkapazitäten oder Auslastungen. Wenn man diese Daten öffentlich zugänglich machen würde, könnte man die KI viel effektiver nutzen, um optimale Standorte zu finden. Natürlich muss man prüfen, welche Risiken daraus entstehen, etwa bei Cyberangriffen. Aber generell gilt: Wenn wir Informationen geheim halten, wird die Entwicklung gebremst. Mehr Datenoffenheit wäre hier ein echter Fortschritt.
Herr Goldbeck, vielen Dank für das Gespräch!
Sehr gerne.
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