Ohne Kabel und Akku 20.03.2013, 05:30 Uhr

Sensoren überwachen lückenlos die Außenhaut eines Flugzeugs

Energie-Ernte-Module sollen helfen, die Außenhaut von Flugzeugen permanent durch Sensoren zu überwachen. Sie gewinnen ihre Energie aus Temperaturunterschieden und machen die Verkabelung der Außenhaut überflüssig. Der Seebeck-Effekt macht es möglich.

Aus den Temperaturunterschieden zwischen Außen- und Innenhaut wollen Ingenieure der TU Wien Energie gewinnen. Diese soll Sensoren kabellos mit Strom versorgen, um die Außenhaut permanent überwachen zu können.

Aus den Temperaturunterschieden zwischen Außen- und Innenhaut wollen Ingenieure der TU Wien Energie gewinnen. Diese soll Sensoren kabellos mit Strom versorgen, um die Außenhaut permanent überwachen zu können.

Foto: Airbus

Wie in einem lebenden Organismus das Nervensystem permanent Informationen an das Gehirn als Schaltzentrale weiterleitet, soll in Zukunft die Außenhülle von Flugzeugen permanent von Sensoren überwacht werden. Diese automatische Sensorüberwachung soll vor allem die Kosten senken. Denn die Wartungskosten schlagen den Fluggesellschaften mit rund 20 Prozent der Gesamtkosten arg ins Kontor. Die Wartung ist neben den Gehältern des Personals, den Treibstoffkosten und der altersbedingten Wertminderung der teuren Flieger einer der wichtigsten Kostenfaktoren beim Betrieb eines Flugzeuges.

Permanente Online-Überwachung per Funk

Ein automatisches Sensorsystem kann daher die Wartung erheblich vereinfachen. Anstatt mühsam das ganze Flugzeug zu inspizieren, liest das Wartungspersonal in Zukunft einfach die Sensordaten, die permanent vom Flugzeug aus an den Wartungsrechner am Boden gesendet werden. Das garantiert eine lückenlose Überwachung aller relevanten Parameter wie etwa Temperatur und Druck.

Aber auch die durch Kollisionen mit kleinen Teilen auftretenden superfeinen Risse können mit geeigneten Sensoren aufgespürt und überwacht werden. Heute ist diese Suche nach den kleinen Rissen extrem aufwendig und kostenintensiv, weil bei solchen Kollisionen bei den modernen Kohlefasermaterialen keine Dellen mehr in der Außenhaut des Fliegers zu erkennen sind.

Da kommt die automatische Online-Überwachung ins Spiel. „Ein solches System hat offensichtlich große Vorteile. Das Hauptproblem liegt allerdings in der Energieversorgung“, erklärt Prof. Ulrich Schmid vom Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der TU Wien. Es liegt auf der Hand, dass eine Verkabelung all der Sensoren kaum in Frage kommt, weil damit der für den wirtschaftlichen Betrieb eines Flugzeuges wichtigste Punkt, ein möglichst niedriges Gewicht, erheblich gestört würde. Höhere Treibstoffkosten wären die Folge.

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Batterien sind ein denkbarer Weg, aber auch nur suboptimal, wie Ulrich Schmid weiß: „Herkömmliche Batterien sind für die großen Temperaturunterschiede, denen ein Flugzeug permanent ausgesetzt ist, nicht ausgelegt. Außerdem will niemand regelmäßig all die Sensorbatterien im ganzen Flugzeug austauschen.“ Denn das sind bei der Lebensdauer eines Flugzeuges von etwa 30 Jahren 100 Batterien – pro Sensor. Und das ist sehr viel unnötiger Müll und natürlich auch ein großer Kostenfaktor.

Der Seebeck-Effekt macht es möglich

Und deshalb nutzt der Professor aus Wien jetzt genau diese großen Temperaturunterschiede, denen ein Flugzeug ausgesetzt ist, um die Sensoren mit Strom zu versorgen. Das ist keine Zauberei, sondern der so genannte Seebeck-Effekt. Nach diesem von Thomas Johann Seebeck 1821 zufällig entdeckten thermoelektrischen Effekt entsteht in einem Stromkreis aus zwei verschiedenen elektrischen Leitern bei einer Temperaturdifferenz zwischen den Kontaktstellen eine elektrische Spannung. Und die Außenwand eines Flugzeuges macht bei Start und Landung eine enorme Temperaturänderung durch. Und dadurch entstehen auch Temperaturunterschiede zwischen der Außenseite und der Innenseite der Flugzeugwand.

Kleine, aber feine Einheit: Das Energy-Harvesting-Modul steckt gepolstert in der Wand des Flugzeugs.

Kleine, aber feine Einheit: Das Energy-Harvesting-Modul steckt gepolstert in der Wand des Flugzeugs.

Quelle: TU Wien

Das Team um Professor Schmid hat nun ein System entwickelt, um diese Energie aus dem Seebeck-Effekt optimal ausnutzen zu können. „Optimal nutzen können wir das durch einen kleinen Wärmespeicher“, erklärt Doktorand Alexandros Elefsiniotis. „Ein Wasserreservoir mit etwa zehn Kubikzentimetern Fassungsvermögen wird aufgewärmt, wenn das Flugzeug am Boden steht und speichert die Wärme, sodass dann hoch in der Luft damit Strom erzeugt werden kann.“ Während des Fluges kühlt das Wasser ab, bis es einfriert.

Der Seebeck-Effekt funktioniert bei der Landung in umgekehrter Richtung. Dann ist die Außenhaut des Flugzeuges wärmer als das Wasserreservoir und der thermoelektrische Effekt liefert die benötigte Energie. Durch eigens entwickelte elektronische Schaltungen stellen die Wiener Forscher sicher, dass die zeitlich fluktuierenden Thermo-Ströme in einen gleichmäßigen Strom mit ausreichend hoher Spannung umgewandelt werden. So ist eine zuverlässige Versorgung der Sensoren mit Strom über mehrere Stunden gewährleistet.

Erste Testflüge mit dem Energie-Ernte-Modul waren erfolgreich

Energie-Ernte-Modul haben die TU Wien und die an dieser Forschung sehr interessierte und daher auch beteiligte EADS Innovation Works ihre nur wenige Zentimeter messende batterie- und kabellose Stromversorgung für die Sensoren getauft. Zunächst standen Simulationsrechnungen und Klimakammer-Experimente an, um die generelle Tauglichkeit der Module zu überprüfen. Dann ging das Gerät in die Luft.

In den letzten Monaten hat EADS Innovation Works Testflüge auf Airbus-Flugzeugen unter Realbedingungen mit den neuen Modulen durchgeführt. Mit Erfolg. Alexandros Elefsiniotis ist mit den Ergebnissen der Testflüge sehr zufrieden: „Wir konnten pro Flug etwa 23 Joule Energie gewinnen – für den Sensorbetrieb reicht das aus.“ Jetzt geht es vor allem darum, das Gerät zu optimieren. Je nach Außentemperatur könnten auch andere leitende Materialien oder auch andere Flüssigkeiten als Wasser besser tauglich sein.

Derzeit forschen die Wiener an passenden Strategien für Extremfälle, wie etwa für die Flugrouten in die sehr kalten Regionen der Erde. Soviel scheint sicher: Den autonomen Sensoren gehört die Zukunft. „EADS Innovation Works will auch in Zukunft die beste verfügbare Technologie für die autonome Sensorik verwenden, daher ist die neue Methode für uns höchst interessant“, erklärt Prof. Thomas Becker von EADS Innovation Works. Und glaubt schon an den Serieneinsatz. „Wir sind zuversichtlich, dass die selbstversorgenden Sensorgen schon bald in unseren Flugzeugen mitfliegen werden.“

 

Ein Beitrag von:

  • Detlef Stoller

    Detlef Stoller ist Diplom-Photoingenieur. Er ist Fachjournalist für Umweltfragen und schreibt für verschiedene Printmagazine, Online-Medien und TV-Formate.

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