Halbleiterindustrie 13.12.2021, 10:30 Uhr

Chipmangel: Wie die Krise wirklich entstanden ist und was jetzt hilft

Halbleiter bleiben knapp und das lässt die deutsche Wirtschaft deutlich langsamer erholen. Woher der Chipmangel tatsächlich rührt und wie er überwunden werden kann.

Ingenieur hält Chip in Fingern

Wann endet der Chipmangel? Die Krise ist hausgemacht und Lösungen brauchen Zeit.

Foto: panthermedia.net/DragonImages

Die Erholung der Wirtschaft setzt sich im zweiten Jahr der Corona-Pandemie weiter fort. Das Bruttoinlandsprodukt ist im 3. Quartal 2021 gegenüber dem 2. Quartal um 1,8 % gestiegen. Dennoch könnte die Entwicklung besser sein – wären die dringend benötigten Halbleiter nicht so knapp gewesen. Für 2022 ist keine Erholung in Sicht.

Globale Chipkrise: Kein Ende in Sicht

Laut dem Beratungsunternehmen Goldman Sachs sind 169 Branchen von dem Chipmangel betroffen. Fehlende Mikroprozessoren haben nicht nur der Automobilindustrie heftig zugesetzt. Ob Smartphones, WLAN-Router oder medizinische Geräte: Ohne Chips läuft hier nichts. Experten sehen aktuell keine Trendwende, denn die Probleme, die zur Krise beitragen, bestehen weiter fort.

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Wie die Chipkrise entstanden ist

Zur besseren Einordnung lohnt sich ein Blick zurück: Anfang 2020 stand die Halbleiterindustrie vor einem kräftigen Konjunkturaufschwung. Doch dann sorgte das Coronavirus für Aufsehen – die Automobilbranche befürchtete eine schwächere Nachfrage. Im Frühjahr 2020 brachen die Autoverkäufe tatsächlich ein. Einkäufer stornierten zahlreiche Aufträge an Chiphersteller. Dass dies zu einer globalen Chipkrise führen könnte, war vielen in der Branche nicht klar.

“Plötzlich stieg die Nachfrage nach Autos nämlich wieder stark an”, sagt Kota Yuzawa, Automobil-Analyst bei Goldman Sachs.

Das Dilemma: Die stornierten Aufträge standen den Autokonzernen nicht mehr zur Verfügung. Hersteller aus der Unterhaltungselektronik hatten zugeschlagen. In weiser Voraussicht, wenn man auf die langanhaltende Zeit im Homeoffice und Lockdown denkt. „Wir haben in dieser Zeit von zu Hause gearbeitet, von zu Hause aus Sport gemacht, von zu Hause aus Schule gehabt und uns zu Hause unterhalten“, sagt Branchenexpertin Julia Hess von der Berliner Stiftung Neue Verantwortung. Smartphones, Laptops und Spielekonsolen boomten. Globale Chip-Vorräte waren schnell aufgebraucht.

Schneestürme stoppten Chipproduktion

Der globale Chipmangel unterliegt auch noch höherer Gewalt. Im Februar 2021 mussten Hersteller wie Samsung, NXP und Infineon den Betrieb in Austin, Texas, stoppen. Nach heftigen Schneestürmen war die Stromversorgung ausgefallen, sodass die Halbleiter-Fabriken (Fabs) nicht mehr kontrolliert runtergefahren werden konnten. Das sorgte für eine Beschädigung der Produktionsanlagen. Teile der Infrastruktur der Fabs litten ebenfalls.

 

Ausfälle verzeichnete auch Japan – ausgelöst durch Naturkatastrophen und Brände in Chipfabriken. Eine Fertigungsanlage von Renesas Electronics wurde beispielsweise im März 2021 bei einem Großfeuer beschädigt. Die Folge: Knappheit von Mikrocontrollern.

Donald Trump begrenzte Einfluss von chinesischen Hightech-Konzernen

Die Politik mischte in der globalen Chipkrise ebenfalls mit. Der damalige US-Präsident Donald Trump schrieb sich auf die Fahne, den globalen Einfluss von chinesischen Hightech-Konzernen wie Huawei zu begrenzen. Er verhängte Sanktionen im Bereich der Chiptechnologie. Chinesische Unternehmen erwarben daraufhin im großen Stil verfügbare Chips.

Was sind Chips bei Autos?

In Mikrochips sind viele winzige Schaltkreise enthalten, die dafür sorgen, dass das Gerät, in dem sie verbaut sind, funktioniert. In einem Auto decken Halbleiter häufig das Infotainmentsystem ab, das heißt, die digitalen Anzeigen, Kameras und Co.

Wann gibt es wieder genug Halbleiter?

Da es in verschiedenen Branchen unterschiedliche Engpässe gibt, ist eine einheitliche Lösung nicht in Sicht. Der Automobilindustrie fehlen die Chips, weil die Herstellung der Halbleiter in den Fabs den Bedarf nicht decken kann und sich so als Nadelöhr erweist. Bei Spielekonsolen wie der Playstation 5 fehlte es vor allem an einer speziellen Isolierfolie, die für die Produktion von Trägerplatten für die bereits gefertigten Chips benötigt wird. Bei manchen Halbleiterarten prognostiziert Infineon-Automotive-Chef Peter Schiefer einen Mangel, der „noch weit in das Jahr 2022“ anhalten werde.

Chipmangel zwingt Autobauer zu absurder Maßnahme

Die großen Chiphersteller wie Intel und Infineon schrauben ihre Fertigungskapazitäten in die Höhe, damit die Knappheit im nächsten Jahr gemildert wird. Doch erst 2023 soll sie überwunden sein.

“Der Ausbau unserer bestehenden Fabs in Irland dauert zwischen 18 und 24 Monaten”, sagt die Deutschland-Chefin von Intel, Christin Eisenschmid. Beim Neubau einer Anlage müsse man mit einer noch längeren Zeit rechnen: “So eine Fabrik ist hochkomplex, erfordert ein gewaltiges Investitionsvolumen, damit die neuste Ausrüstung angeschafft werden kann.”

Ein weiterer Lösungsansatz ist eine höhere Transparenz in den Lieferketten. Hier wollen die Abnehmer der Chips offener agieren. Wichtige Player wie BMW oder Bosch wollen selbst für mehr Transparenz sorgen, sodass die Chiphersteller besser kalkulieren können.

Bosch hat bereits reagiert und tätigt eine Mega-Investition. 400 Millionen Euro will das Unternehmen 2022 in die Produktion von Halbleitern investieren. In Reutlingen entstehen laut Bosch 4.000 Quadratmeter neue Reinraumfläche bis Ende 2023.

Um die Krise zu bewältigen, sei auch der Staat gefordert. „Wir sind bereit, ein Investment in Höhe von mehreren Milliarden Euro zu tätigen“, sagt Intel-Managerin Eisenschmid. „Wir schaffen es aber nicht allein.“

Bosch hat mit Elektromobilität zu kämpfen

Die Fertigung habe sich vor allem von Europa nach Asien verschoben, da die Chip-Produktion massiv subventioniert wird. Neun Prozent der globalen Halbleiter-Fertigung stammt aktuell aus Europa. „Das waren in den 90er Jahren noch 44 Prozent.“

TSMC verhandelt mit Bundesregierung über deutsche Fabrik

Neue Chipfabriken in Deutschland würde für mehr Unabhängigkeit am Markt sorgen. Die Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. (TSMC) verhandelt hierzu mit der Bundesregierung. TSMC ist einer der weltweit größten unabhängigen Auftragsfertiger für Halbleiterprodukte. Einrichtungen sollen nun auch in Europa errichtet werden. Laut Verkaufschefin Lora Ho drehen sich die Gespräche mit der deutschen Bundesregierung um staatliche Subventionen und die Erfassung potenzieller Kundennachfrage. Fallen diese Faktoren positiv auf, kann es zu einer neuen Chipfabrik in Deutschland kommen. Ein Standort stehe aber noch nicht fest. Die EU will die heimische Halbleiterproduktion weiter ankurbeln. Im European Chips Act sollen Mitte 2022 Strategien zur Ankurbelung der Produktion vorgelegt werden. Das Ziel: Bis 2030 einen Anteil von 20 Prozent an der weltweiten Produktion zu erreichen.

Ein Beitrag von:

  • Sarah Janczura

    Sarah Janczura

    Sarah Janczura schreibt zu den Themen Technik, Forschung und Karriere. Nach einem Volontariat mit dem Schwerpunkt Social Media war sie als Online-Redakteurin in einer Digitalagentur unterwegs. Aktuell arbeitet sie als Referentin für Presse und Kommunikation beim VDI e.V.

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