Kooperation von Sterneküche und Wissenschaft 13.09.2024, 00:00 Uhr

Das schmeckt: Nachhaltige Lebensmittel aus dem Forschungslabor

Fermentierte Getreidereste, Fleischersatz, Tonic Water aus Weihnachtssalat – in einem innovativen FoodLab experimentieren Spitzenköche und Forschende der Technischen Universität Dänemark mit Mikroorganismen. Ihr Ziel ist es, klimafreundliche Alternativen zu kreieren.  

Zwei ehemalige Sterneköche arbeiten gemeinsam in einem Forschungslabor

Ungewohnte Umgebung für zwei ehemalige Sterneköche: Kim Wejendorp (l.) und Joshua David Evans kreieren im Forschungslabor nachhaltige Lebensmittel.

Foto: Thomas Steen Sørensen

In einem stillgelegten Speisesaal an der Technischen Universität Dänemark (DTU) Biosustain entsteht seit einiger Zeit Erstaunliches: Forschende und Spitzenköche vereinen ihre Expertise, um zukunftsweisende Nahrungsmittel zu entwickeln. Sie experimentieren mit winzigen Organismen, um die Ernährung von morgen zu revolutionieren. In diesem ungewöhnlichen FoodLab stehen deshalb Laborgeräte ganz selbstverständlich neben Küchenutensilien.

CO2 sparen kann so einfach sein: Lebensmittel tauschen

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Kim Wejendorp, ehemals Küchenchef eines preisgekrönten Restaurants, widmet sich nun der Lebensmittelinnovation an der DTU. „Mikroorganismen helfen uns, neuartige Produkte zu entwickeln oder Lebensmittelreste zu verwerten. Sie verbessern Aroma, Konsistenz, Nährstoffaufnahme und Haltbarkeit“, erläutert er die Projektidee. Gemeinsam mit seinem Kollegen Joshua David Evans, einem ehemaligen Koch des Sterne-Restaurants Noma in Kopenhagen, tüftelt er an schmackhaften Alternativen zu herkömmlichen Nahrungsmitteln. Ihr Ziel: den Verbraucherinnen und Verbrauchern attraktive Optionen zu bieten, die bestehende Ernährungsgewohnheiten ergänzen können. „Es ist einfacher, Menschen davon zu überzeugen, neue Essgewohnheiten anzunehmen, wenn der erste Schritt für sie einfach ist. Wir glauben nicht daran, Menschen zu belehren. Der Trick besteht darin, attraktive Alternativen anzubieten, damit die Menschen ihre alten Essgewohnheiten um neue ergänzen“, sagt Kom Wejendorp.

Nachhaltige Produktion durch mikrobielles Wachstum

Im FoodLab kommen verschiedene mikrobielle Techniken zum Einsatz. Bakterien oder Hefen setzen Fermentationsprozesse in Gang, bei denen beispielsweise Gemüse in seinen eigenen Milchsäurebakterien gärt. Durch Präzisionsfermentation entstehen Zutaten für andere Lebensmittel. Sogar rein mikrobielle Biomasse, etwa aus Pilzen, wird in Bioreaktoren gezüchtet. All diese Methoden zielen darauf ab, Nahrungsmittel ressourcenschonender herzustellen.

Getreiderückstände in einer Schale
Getreiderückständen, die beim Bierbrauen entstehen, lassen sich mit einem Pilz fermentieren, um daraus einen Fleischersatz zu kreieren.

Foto: Thomas Steen Sørensen

Pfanne mit braunen, quadratischen Stücken, die angebraten werden
Nach der Fermentation der Getreiderückstände entstehen braune, quadratische Stücke, sie wie Kebabs aussehen.

Foto: Thomas Steen Sørensen

Vier Sektgläser, die aus einer Flasche befüllt werden.
Aus fermentiertem Weihnachtssalat, einem länglich aussehenden Gemüse, hat das Team ein Tonic Water hergestellt.

Foto: Thomas Steen Sørensen

„Mikroorganismen wandeln Nährstoffe viel effektiver in Biomasse um als Tiere. Während ein Tier zehn Kilo Futter für ein Kilo Fleisch benötigt, ist der Bedarf bei Mikroben deutlich geringer“, erläutert Morten Sommer, wissenschaftlicher Leiter bei DTU Biosustain die Effizienz mikrobieller Produktion. Studien zufolge könnte eine vollständige Umstellung auf mikrobielle Produktion den CO2-Fußabdruck der Lebensmittelherstellung um bis zu 80 Prozent reduzieren.

Innovative Lebensmittel für den Massenmarkt

Die Forschenden und Köche im FoodLab entwickeln interessante Prototypen: proteinreiche Snacks aus Braurückständen, Nudeln aus Fischresten und ein Soja-Ersatz aus überschüssiger Weizenkleie. Sogar ein spritziges Tonic Water aus fermentiertem Weihnachtskohl haben sie kreiert. Diese Innovationen nutzen Rohstoffe als Basis, die bislang einfach entsorgt wurden. So entstehen aus Abfllprodukten neue kulinarische Möglichkeiten.

Einige dieser Konzepte wurden bereits potenziellen Industriepartnern präsentiert. Doch der Weg in den Supermarkt ist noch weit. „Die Markteinführung kann Jahre dauern. Es hängt davon ab, wie gut bestehende Logistiksysteme an die neuen Produkte angepasst werden können“, sagt Evans. Bei jeder Idee prüft das Team kritisch die Skalierbarkeit. Nur Konzepte mit dem Potenzial, viele Menschen zu ernähren, werden weiterverfolgt.

Nachhaltigkeit als oberstes Gebot

Die Arbeit im FoodLab zielt darauf ab, die Ernährung der Zukunft grundlegend umzugestalten. Durch den Einsatz von Mikroorganismen soll die Lebensmittelproduktion umweltfreundlicher und effizienter werden. Gleichzeitig müssen die neuen Produkte die Verbraucher mit Geschmack, Textur und Nährwert überzeugen. Nur so können sie einen Beitrag zur nachhaltigen Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung leisten.

Die Zusammenarbeit von Forschern und Köchen im FoodLab zeigt eindrucksvoll, wie wissenschaftliche Erkenntnisse in appetitliche Innovationen umgesetzt werden können. Auch wenn es noch dauern wird, bis die ersten Produkte in den Regalen landen – hier entstehen vielversprechende Lösungen für die Herausforderungen unseres Ernährungssystems. Mit Kreativität und Expertise ebnen die Teams den Weg für eine nachhaltigere und schmackhaftere Zukunft auf unseren Tellern.

Ein Beitrag von:

  • Nina Draese

    Nina Draese hat unter anderem für die dpa gearbeitet, die Presseabteilung von BMW, für die Autozeitung und den MAV-Verlag. Sie ist selbstständige Journalistin und gehört zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Automobil, Energie, Klima, KI, Technik, Umwelt.

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