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Lebensmittelverschwendung vermeiden 11.03.2024, 07:00 Uhr

Intelligente Sensoren erkennen Reife und Verderb von Nahrungsmitteln

Etwa 11 Milliarden Tonnen Lebensmittelabfälle werden jährlich in Deutschland entsorgt. Um die Verschwendung von Ressourcen zu reduzieren und die Umwelt zu schonen, arbeiten Forschende derzeit an einem intelligenten Sensorsystem, das in Zukunft voraussagen soll, wie lange Lebensmittel noch verzehrt werden können.

Andreas Schütze (l.) und Christian Bur arbeiten mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie an praxistauglichen Verfahren, um die Qualität von Lebensmitteln zu überwachen. 
Foto: Iris Maurer

Andreas Schütze (l.) und Christian Bur arbeiten mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie an praxistauglichen Verfahren, um die Qualität von Lebensmitteln zu überwachen.

Foto: Iris Maurer

Ist die Sahnesoße vom Vortag noch genießbar? Wie lange halten sich gefrorene Früchte im Gefrierfach tatsächlich? Sind die Tomaten frisch genug? Und lässt sich der angefangene Streukäse für die Lasagne verwenden? Das sind Fragen, die sich Menschen tagtäglich beim Kochen stellen. Um kein Risiko einzugehen, werden Lebensmittel in Supermärkten, Restaurants, aber auch in Privathaushalten oft vorsorglich weggeschmissen, obwohl sie meist noch genießbar wären. Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft landen so allein in Deutschland jedes Jahr etwa 11 Milliarden Tonnen Lebensmittel im Müll. Diese Lebensmittelverschwendung führt nicht nur zu wirtschaftlichen Verlusten, sondern schadet auch der Umwelt erheblich. Zunächst einmal erfordern die Herstellung, Lagerung und der Transport von Lebensmitteln viele Ressourcen wie Wasser, Energie und Land. Zusätzlich entstehen durch den Verrottungsprozess weggeworfener Lebensmittel große Mengen an Treibhausgasen.

Könnte man die Frische von Obst und Gemüse jedoch kurzfristig und zuverlässig testen, ließen sich die Lebensmittelabfälle vermutlich deutlich reduzieren. Das dachten sich auch Forschende der Universität des Saarlandes. Zusammen mit einem europaweiten Team aus verschiedenen Fachrichtungen arbeiten sie an einem intelligenten Sensorsystem, das die Reife und den Verderb von Lebensmitteln erkennen und voraussagen soll. Auf diese Weise könnten Supermärkte ihren Verkauf besser planen und bestimmte Obst -und Gemüsesorten frühzeitig zu Aktionspreisen anbieten.

Intelligente Vorratsbox und ein Messgerät

Um die Haltbarkeit von Lebensmitteln flexibel und einfach zu überwachen, arbeiten die Forschenden an zwei praktischen Verfahren beziehungsweise Hilfsmitteln: „Konkret sind dies ein intelligenter Vorratsbehälter, der seinen Inhalt kontrolliert, und ein Messgerät für Supermärkte: „Allein dadurch, dass es über die Kisten gehalten wird, soll es genau angeben, wie lange unverpacktes Obst und Gemüse noch frisch sind“, erklärt Andreas Schütze, Professor der Universität des Saarlandes.

Beide Verfahren basieren auf einem ausgeklügelten Gassensorsystem und einer dazugehörigen künstlichen Intelligenz (KI). Anhand des Geruchs von Lebensmitteln kann das System eine entsprechende Schlussfolgerung ziehen.

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Intelligente Sensoren riechen mehr als die menschliche Nase

Das Sensorsystem funktioniert dabei folgendermaßen: Nahrungsmittel, die schon etwas länger in den Verkaufsregalen des Supermarkts liegen, verändern nicht nur ihr Aussehen, ihre Konsistenz und ihren Geschmack, sondern auch ihren Geruch. Schlecht gewordene Milchprodukte wie Joghurt, Käse oder Milch riechen meist sauer oder ranzig. Einige Früchte und Gemüsesorten entwickeln hingegen einen süßlichen oder faulen Geruch. Insbesondere alter Fisch riecht unangenehm intensiv und warnt auf diese Weise das menschliche Gehirn vor dem Verzehr. Diese Gerüche hängen mit der Arbeit von Mikroorganismen (Bakterien, Hefen oder Schimmelpilze) zusammen. Wenn Lebensmittel verderben, beginnen sie die organischen Bestandteile der Lebensmittel zu zersetzen und abzubauen. Während dieses Prozesses entstehen verschiedene flüchtige Verbindungen, die für den unangenehmen Geruch verantwortlich sind. Das Sensorsystem der Forschenden ist in der Lage, flüchtige Verbindungen wie Ammoniak, Schwefelwasserstoff oder Essigsäure wahrzunehmen und zu messen. Darüber hinaus können sie Ethen oder Kohlenstoffdioxid wahrnehmen, Stoffe, die der Mensch nicht riechen kann.

„Zum Einsatz kommen hierfür Halbleitergassensoren auf Metalloxid-Basis, die Industriepartner im Projekt auch weiterentwickeln. Wir erarbeiten auf dieser Basis das Sensorsystem. Im Laufe zahlreicher Forschungsprojekte haben wir die Systeme und ihre Signalauswertung immer weiter verfeinert“, erläutert Schütze.

Sensorsystem: Verderb mittels künstlicher Intelligenz vorhersagen

Aus einem ganzen Universum an nebensächlichen Luftmolekülen und Gasteilchen kann das neuartige Sensorsystem die wesentlichen Gerüche herausfiltern und messen. Je nach Zusammensetzung der in der Luft vorhandenen Moleküle entsteht eine Art Geruchs-Fingerabdruck, sogenannte Smellprints. Diese verändern sich wiederum je nach Zustand beziehungsweise Frische des Lebensmittels. Mithilfe künstlicher Intelligenz soll das neue Verfahren lernen, welcher Smellprint für welchen Lebensmittel-Zustand steht und wann das jeweilige Produkt verfällt. Der Ablauf sieht dann so aus:  Ein „technisches Gehirn“ analysiert die Daten der Sensoren, interpretiert sie, zieht bestimmte Schlussfolgerungen und gibt entsprechende Auskünfte. Zum Beispiel könnte das System eine Information wie „noch fünf Tage frisch“ auf einem Display anzeigen. „Hierzu kombinieren wir die Mikrosensoren mit Mikroelektronik und analytischen Komponenten sowie Methoden des maschinellen Lernens“, sagt Christian Bur. Durch den Einsatz des neuartigen Sensorsystems kann der Zustand von Lebensmitteln künftig deutlich besser überwacht und so Lebensmittelabfälle reduziert werden.

Die Europäische Union fördert das Forschungsprojekt im Rahmen des HORIZON-Programms „Marie Skodowska-Curie Doctoral Networks“ mit insgesamt 1,8 Millionen Euro.

 

Von Ines Klawonn