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Nachhaltigkeitseffekte digitaler Technologien 19.02.2024, 07:00 Uhr

Hilft oder schadet die Digitalisierung der Umwelt?

Digitale Technologien können dazu beitragen, Umweltprobleme zu minimieren. Gleichzeitig aber verbrauchen smarte Geräte und Rechenzentren viel Energie und Ressourcen. Die Auswertung von über 200 Studien zeigt: Bestimmte Technologien haben zwar positive Auswirkungen auf die Umwelt, doch fehlen belastbare Zahlen.

Die Digitalisierung zeigt positive Umweltauswirkungen im Gebäude- und Energiesektor sowie im Verkehr. Foto: PantherMedia / Waldemar Thaut

Die Digitalisierung zeigt positive Umweltauswirkungen im Gebäude- und Energiesektor sowie im Verkehr.

Foto: PantherMedia / Waldemar Thaut

Im Zuge des digitalen Wandels sind in den vergangenen Jahren viele Technologien entstanden, die dabei helfen können, bestehende Umweltprobleme anzugehen. Intelligente Energiemanagementsysteme können beispielsweise die Effizienz erneuerbarer Energiequellen verbessern. E-Fahrzeuge in Verbindung mit intelligenten Ladeverfahren tragen womöglich dazu bei, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern. Und digitale Apps für Sharing-Angebote stehen in dem Ruf, die Nutzung von Ressourcen zu optimieren. Doch gleichzeitig verbraucht die Digitalisierung große Mengen an Energie, sowohl für den Betrieb von Rechenzentren als auch für die Produktion und Nutzung von digitalen Geräten. Außerdem erfordert die Herstellung digitaler Technologien den Abbau verschiedener Rohstoffe, was wiederum zu Umweltbelastungen wie Boden-, Wasser- und Luftverschmutzung führen kann. Hinzu kommt die Entsorgung von Elektroschrott, was oftmals zu Problemen wie Mülldeponierung und Recycling von giftigen Materialien führt. Am Ende stellt sich die Frage: Welchen Effekt hat die Digitalisierung auf die Umwelt? Helfen digitale Technologien dabei, Umweltprobleme zu lösen oder bewirken sie das Gegenteil?

Auswertung von über 200 Studien

Um auf diese Frage eine Antwort zu bekommen, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und Technopolis Deutschland damit beauftragt, rund 200 Studien zu analysieren. Konkret untersuchte die Metastudie „Nachhaltigkeitseffekte der Digitalisierung“ in acht Themenfeldern, welche digitalen Innovationen nach aktuellen Erkenntnissen ein positives Potenzial für Klimaschutz und Umweltentlastung zeigen. Dabei kam heraus, dass sich die Digitalisierung vor allem auf das Energiesystem, auf Gebäude und auf Emissionen des Verkehrs positiv auswirkt. In den meisten Bereichen fehlen jedoch belastbare Zahlen, um eine eindeutige Bilanz ziehen zu können.

Digitalisierung bringt Vorteile für den Gebäude- und Energiesektor

Laut der Studie zählen vor allem digitale Geräte wie virtuelle Kraftwerke, intelligente Mess- und Steuerungstechnik in Gebäuden (für Strom und Wärme) und darauf aufbauende Systeme der Gebäudeautomation sowie Smart Charging zu den Technologien, die einen positiven Effekt auf die Umwelt haben. Insbesondere Anwendungen zu steuerbaren Lasten wie Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen und Speichern bieten als Systemdienstleistungen großes Umweltpotenzial für das gesamte Stromsystem. Wenn Elektrofahrzeuge beispielsweise smart statt konventionell geladen werden, lassen sich im Bereich Smart Charging zwischen sechs und 17 Prozent der Emissionen im europäischen Stromsystem einsparen.

Digitale Technologien bergen Potenzial für den Nahverkehr

Ein weiteres Themenfeld der Analyse umfasst die Stadtentwicklung und die urbane Mobilität. Die Verschmelzung von Mobilitäts- und Energiesystemen zeichnet sich laut Studienergebnissen bereits ab. Technologisch stehen vor allem das Internet der Dinge (IoT), Smart Grid-Anwendungen und autonomes Fahren im Fokus der Forschung. „Doch die Umwelteffekte beim autonomen Fahren hängen davon ab, ob die neue Technik auch insgesamt die Zahl der Pkw und der gefahrenen Kilometer reduziert“, warnt Christian Lautermann vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung. Aufgrund der Fokussierung von Forschungsarbeiten auf den Individualverkehr fehlen vor allem Studien über die Potenziale digitaler Technologien im öffentlichen Nahverkehr. Nach Einschätzung der Studienautoren sollten daher in Zukunft die Bereiche Carsharing, Güter- und Busverkehr verstärkt betrachtet werden.

Digitalisierung verbraucht viele Ressourcen

Dem großen Einsparpotenzial digitaler Technologien steht gleichzeitig ein hoher Ressourcenverbrauch gegenüber. So verursachen die Herstellung und der Betrieb digitaler Geräte bis zu vier Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Das einstündige Surfen auf digitalen Plattformen wie Facebook oder Instagram verbraucht – je nach Berechnungsmethode – bis zu 280 Gramm CO2. Bei einem KI-Trainingsdurchlauf entstehen sogar bis zu 942 Tonnen Treibhausgase. Das entspricht etwa dem jährlichen CO2-Ausstoß von 90 Bürgern und Bürgerinnen.

Umweltauswirkungen der Digitalisierung ganzheitlich betrachten

Neben den Themenbereichen Energiesysteme und Stadtentwicklung und urbane Mobilität hat die Metastudie außerdem die Punkte Klimaschutz und -anpassung, Kreislaufwirtschaft, Nachhaltiges Wirtschaften, Ressourcennutzung, Primärwirtschaft und BioTech-Verfahren sowie Forschungsinfrastrukturen im Hinblick auf die positiven Auswirkungen digitaler Technologien für den Klimaschutz untersucht.

Die Auswertung der Studien hat gezeigt, dass der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) durchaus zu einer Reduktion der nationalen Treibhausgasbilanz beitragen kann. „Dieser positive Effekt ist jedoch ambivalent zu bewerten: Die klimaintensive Produktion von digitalen Technologien findet oft in anderen Ländern statt. Zukünftige Forschung zur Klimawirkung von Digitalisierung sollte daher verstärkt die Verlagerung der Emissionen in der Produktion, aber auch Rebound-Effekte in den Blick nehmen“, sagt Jan Stede von Technopolis Deutschland, der das Projekt leitet.

Um also die Chancen der Digitalisierung für den Klimaschutz richtig einschätzen zu können, müssten der ökologische Fußabdruck digitaler Technologien berücksichtigt und die unerwünschten Nebenwirkungen genauer untersucht werden.

Von Ines Klawonn