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Wasserressourcen 30.06.2023, 07:00 Uhr

Satellitentechnologie stoppt Wasserverschwendung

Forschende wollen die Bewässerung künftig vom Orbit aus steuern – von dort aus messen sie auch den Feuchtigkeitsbedarf der Pflanzen. Ein Test auf der Internationalen Raumstation ISS verlief bereits erfolgreich. Für diese Entwicklung erhält das Team den Fraunhofer-Preis „Technik für den Menschen und seine Umwelt“.

Satellitenbild

Über Satellitenbilder lässt sich bestimmen, wo mehr Feuchtigkeit nötig wäre.

Foto: Fraunhofer / Piotr Banczerowski

In langen, heißen, trockenen Sommern kennen auch die deutschen Landwirte das Problem: Wenn sie Pflanzen nicht bewässern, gehen diese ein, oder zumindest die Erträge fallen deutlich geringer aus. Umfangreiche Bewässerungssysteme sind aufwendig und teuer und daher wirtschaftlich nicht immer sinnvoll. Aber noch viel entscheidender ist ein anderer Punkt: In manchen Regionen könnte das Wasser knapp werden, und diese Situation wird sich, bedingt durch den Klimawandel, voraussichtlich weiter verschlechtern. Umso wichtiger sind Lösungen für eine nachhaltige Bewässerung. Ein Team verschiedener Fraunhofer-Institute hat eine Neuentwicklung vorgestellt. Sie nutzt Satellitentechnologie.

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Bedeutung der Bewässerung nimmt zu

Verschiedene Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben für diese Innovation zusammengearbeitet: Forschende des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, des Ernst-Mach-Instituts, EMI und des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF sowie der beiden Spin-offs constellr GmbH und SPACEOPTIX GmbH. Aus ihrer Sicht ist der Handlungsbedarf groß. Denn der Weltklimarat geht davon aus, dass es infolge des Klimawandels häufiger zu Dürren kommt, während gleichzeitig die Weltbevölkerung zunimmt, also auch der Bedarf an Nahrungsmitteln steigt. Bei der Analyse der IST-Situation war den Forschenden schnell klar, wo sie ansetzen mussten. Denn geschätzt 70 Prozent unseres Trinkwassers fließen derzeit in Bewässerungssysteme – vermutlich wird mehr als die Hälfte davon durch übermäßige oder falsche Bewässerung verschwendet.

Herzstück ihrer neuen Technologie ist die Infrarotkamera LisR, kurz für „Longwave infrared sensing demonstratoR“. Cassi Welling von der constellr GmbH erklärt das Prinzip: „Von einem Satelliten aus behält die Technologie die Erdoberfläche im Blick und detektiert die von dort ausgesandte Infrarotstrahlung – also die Wärmestrahlung. Während andere Lösungen lediglich die Landoberflächentemperatur modellieren, messen wir die Temperatur des Blätterdachs oder der Landoberfläche der Vegetation direkt.“ Nach seiner Aussage sei es auf diese Weise möglich, Wasserverfügbarkeit und Wasserbedarf abzugleichen – und Trockenstress der Pflanzen früh zu erkennen. Denn die Analyse lasse Rückschlüsse auf den Bewässerungszustand der Pflanzen zu: Wenn ihnen Wasser fehlt, geben sie weniger Feuchtigkeit über die Blätter an die Umgebung an, und die Temperatur steigt. Das sind wichtige Hinweise für die Landwirte. Sie sollten also vor allem in den Bereichen stärker bewässern, wo die Temperatur erhöht ist.

Mehrjährige Messungen der Bewässerungen geplant

Soweit die Theorie. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen wollten ihre Innovation aber auch unter Realbedingungen testen und entwickelten dafür einen Demonstrator. Im Frühjahr und Sommer vergangenen Jahres konnten sie ihn auf der Internationalen Raumstation ISS in der Praxis testen. „Von der ISS aus konnten wir etwa zehn Millionen Bilder aufnehmen, mit einer Auflösung von rund 80 Metern“, erzählt Clemens Horch vom Fraunhofer EMI.

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Im nächsten Schritt plant constellr eine mehrjährige Messkampage: Bis zum Jahr 2028 sollen 16 Kleinsatelliten alle 24 Stunden die Temperatur der Landoberfläche überall auf der Erde mit täglicher Frequenz und einer Auflösung von mehr als 50 Metern präzise messen. So kann vom Weltraum die Bewässerung von Agrarflächen verbessert werden. Vorausgesetzt natürlich, dass die Landwirte diese Informationen nutzen, um ihre Bewässerungssysteme entsprechend umzustellen.

Bewässerungstechnologie hilft auch beim CO2-Sparen

Wenn alles nach Plan verläuft, könnte diese Satellitentechnologie schon ab 2026 dazu führen, dass jedes Jahr etwa 180 Milliarden Tonnen Wasser eingespart werden und damit auch 94 Million Tonnen CO2, die etwa für den Energieverbrauch der Bewässerungssysteme anfallen. Gleichzeitig könnte die Ernte, global gesehen, um bis zu vier Prozent höher ausfallen, weil sich die Versorgung der Pflanzen verbessert.

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Von Nicole Lücke