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Mittelstand recycelt innovativ 24.05.2024, 13:00 Uhr

Vier „Grüne Engel“

Der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse) hat während der Ifat 2024 in München Pioniere und Unternehmen für ihr Engagement für innovatives Recycling mit dem Mittelstandspreis für das Recycling „Die Grünen Engel“ ausgezeichnet. Die Preisträger haben nachhaltige Meilensteine für die Kreislaufwirtschaft entwickelt.

Zwei "Grüne Engel" warteten auf der Ifat darauf, an die Preisträger des Mitteltandstandspreises für das Recycling „Die Grünen Engel“ überreicht zu werden. Foto: bvse

Zwei "Grüne Engel" warteten auf der Ifat darauf, an die Preisträger des Mitteltandstandspreises für das Recycling „Die Grünen Engel“ überreicht zu werden.

Foto: bvse

Der bvse prämiert seit dem Jahr 2014 mittelständische Unternehmen und Einzelpersonen, die mit Vorreiterprojekten Zeichen für die Kreislaufwirtschaft setzen, mit dem Mittelstandspreis „Die Grünen Engel“. Mit dieser Auszeichnung will der Verband auf Erfolge der Entsorgungsbranche im Bereich Ressourcenschonung und Umweltschutz hinweisen und auch Wegbereiter ehren, die mit unternehmerischem Geschick und Durchhaltevermögen den Gedanken der Kreislaufwirtschaft immer weiter nach vorne bringen.

In diesem Jahr war der Preis in den drei Kategorien „Innovative Recyclinglösung“, „Zukunftsweisende Techniklösung für das Recycling“ und „Lebenswerk“ ausgeschrieben. In der Kategorie Lebenswerk entschied sich die Jury, den Preis an zwei Persönlichkeiten zu verleihen.

Der Wissenschaftsjournalist und Fernsehmoderator Dirk Steffens hat die Preisverleihung moderiert.

Foto: bvse

Rezyklate in Primärbaustoffqualität aus mineralischen Mischabfällen

Den Preis Innovative Recyclinglösung erhielt der Entsorger HDB Recycling GmbH aus Hünxe in Nordrhein-Westfalen. Das Unternehmen gewinnt am Wesel-Datteln-Kanal aus mineralischen Abfällen hochwertige Sekundärbaustoffe für den Hoch- und Tiefbau. Der Clou ist die neue „R-Gestein Niederrhein Nassaufbereitungsanlage“. Sie teilt sich in einen trockenen, konventionellen Aufbereitungsteil mit mobilen Sieb- und Brechanlagen und dem neuartigen Nassaufbereitungsverfahren auf.

In der Nassaufbereitungsanlage werden mineralische Abfälle über eine Grobstücksiebanlage und Prallbrecher erst homogenisiert und von Metallen befreit. Das definierte Korngemisch wird dann dem Waschprozess zugeführt. Über eine Doppelwellen-Schwertwäsche und mehrere Klassiersiebe wird das Korngemisch von Fremdstoffen getrennt. Körnung, Sand und Feinstkorn werden separat voneinander aufbereitet.

  • Der Kornanteil (> 4 mm) wird durch eine Setzmaschine von Leichtgesteinen befreit und in drei Zielkörnungen getrennt aufgehaldet.
  • Der Sand wird über eine kombinierte Hydrozyklonanlage und einer Aufstromklassierung von sämtlichen Fremdstoffen wie Organik, Styropor oder anderen Fremdstoffen befreit und in den zwei Zielfraktionen getrennt aufgehaldet.
  • Das Feinstkorn (< 0,063 mm) wird in Form einer Suspension in eine Kammerfilterpresse gepumpt und dort durch hohen Druck entwässert. Dieser Feststoff kann als R-Lehm im Deponie- oder Deichbau als Dichtmaterial eingesetzt werden.

Im Ergebnis produziert die R-Gestein-Anlage saubere Rezyklate, die unter Produktnamen wie R-Sand, R-Kies, R-Schotter oder R-Lehm Natursteinmaterialien ersetzen und somit den CO2-Fußabdruck von Baumaßnahmen senken können.

Das Unternehmen HDB Recycling GmbH in Hünxe bereitet in seiner R-Gestein-Niederrhein-Anlage in Hünxe seit April 2023 mineralische Abfälle innovativ nass auf.

Foto: HDB Recycling

Photovoltaik-Paneele recyceln

Den Preis für eine zukunftsweisende Techniklösung für das Recycling vergab die Jury an die Firma Reiling PV-Recycling GmbH & Co. KG aus Münster, Nordrhein-Westfalen. Die zur Reiling-Unternehmensgruppe gehörende junge Firma nahm im Juni 2023 den ersten Photovoltaik (PV)-Recyclingstandort mit hoch spezialisierter Recyclinganlage in Betrieb. Siliziumbasierte PV-Module können dort unabhängig von Größe und Hersteller im industriellen Maßstab recycelt werden. 2023 wurden bereits rund 8 000 t an PV-Module recycelt. Die Kapazität beträgt sogar 50 000 t/a. Somit ist das Unternehmen für die Mengensteigerung der nächsten Jahre bestens vorbereitet und hat eine effiziente Lösung erarbeitet, den erwarteten Massenstrom zu bewältigen.

Der Firma Reiling gelang es aufgrund langjähriger Forschungs- und Entwicklungsergebnisse überhaupt erst ein vollumfängliches und effizientes Recycling von PV-Modulen zu ermöglichen. In der neuen Recyclinganlage werden die Module zerkleinert, bevor die einzelnen Materialien mithilfe diverser Sortiertechniken getrennt werden.

Diese arbeiten überwiegend mithilfe physikalischer Eigenschaften der verschiedenen Materialien. Dabei können Endprodukte wie Glas, Silizium, Aluminium, Leiterbahnen sowie eine Kabel- und Folienfraktion zurückgewonnen werden. Dank Forschung und Entwicklung am Recyclingprozess können fast alle wiedergewonnenen Sekundärrohstoffe in der Industrie für neue hochwertige Anwendungen verwendet werden. Die einzige Ausnahme bilden Kunststofffolien, die thermisch verwertet werden.

Knapp ein Jahr nach der Eröffnung des ersten Reiling-PV-Recycling-Standorts in Deutschland in Münster sind dem Unternehmen gleich zwei technologische Durchbrüche beim Recycling von siliziumbasierten PV-Modulen gelungen.

Foto: Reiling PV-Recycling

Mehr als 70 Jahre recyclingaktiv

Einen grünen Engel für sein Lebenswerk erhielt Horst Dörner. Der gelernte Autoschlosser, 1930 geboren, setzt sich langem für umweltfreundliches Recycling von Bauabfällen wie Kies und Sand ein. In den 1950er-Jahren übernahm er das von seinem Vater gegründete Fuhrunternehmen Otto Dörner in Wedel bei Hamburg und baute es mit seinem Bruder Klaus Dörner zu einem erfolgreichen und innovativen Recycling- und Entsorgungsunternehmen aus.

Die Unternehmensmission lautet: Gemeinsam eine bessere Welt schaffen, indem wir in allem und jedem das Wertvolle sehen. Heute zählt das Unternehmen mehr als 1 200 engagierte Mitarbeitende, die sich gemeinsam der Mission und Sache verschrieben haben.

Zwei Beispiele für Horst Dörners Engagement: In den 1980er-Jahren hat er mit einer Bauschuttsortieranlage Pionierarbeit geleistet und im Kieswerk für reibungslose technische Abläufe gesorgt. Er hat zudem viel Vertrauen in das Projekt „Dörner Go“ gesetzt. Dahinter verbirgt sich, Containerbestellungen und Baustofflieferungen vom Kunden einfach online in Auftrag geben – rund um die Uhr und mit nur wenigen Klicks. Und: Horst Dörner ist in seinem hohen Alter weiterhin aktiv in der Firma.

Der Preisträger Horst Dörner während der Preisverleihung.

Foto: bvse

Ein Leben für das Baustoffrecycling

Auch der Niederbayer Wolfgang Fuchs, geboren 1954, wurde für sein Lebenswerk geehrt. Er hat sich von 1983 bis Ende 2023 bei dem Unternehmen Wilhelm Geiger GmbH und Co. KG in Oberstdorf im Allgäu 40 Jahre lang vor allem für das Recycling mineralischer Abfälle eingesetzt.

Von 1985 hat er in der Unternehmensgruppe den Bereich Umwelttechnik aufgebaut. 1993 leitete er den neu gegründeten Geschäftsbereich Umwelttechnik mit heute rund 800 Mitarbeitenden. Von 1993 bis 2000 wurden unter seiner Führung in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen Recyclingstandorte für das Aufbereiten von Bauschutt, Altholz und mineralischen Reststoffen errichtet sowie zahlreiche Altlastensanierungen durchgeführt.

Von 2000 bis 2010 war er für den Ausbau des Recyclinggeschäfts bis ins Saarland und nach Luxemburg, Frankreich, Rumänien und Italien verantwortlich.

Wolfgang Fuchs (Mitte) hat seinen Grünen Engel von bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock (li.) und Florian Lankes, Geschäftsführer des Aufbereitungszentrums Die Grünen Engel Entsorgung und Logistik GmbH in Nürnberg, erhalten. Foto bvse

2006 war Fuchs Gründungsmitglied des Baustoff Recycling Bayern und bis 2021 Mitglied des Präsidiums. 2019 übergab er im Unternehmen die Bereichsleitung und seine Geschäftsleitungstätigkeit an Markus Brutscher. Bis Ende 2023 beriet er weiter die Geschäftsbereichsleitung.

Michaela Ziss ist Pressereferentin des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse)
ziss@bvse.de