Wearable-Robotik 29.10.2025, 15:33 Uhr

Exoskelette in Serie: Forscher automatisieren Fertigung tragbarer Roboter

Südkoreanische Forscher melden einen Durchbruch bei der Massenproduktion tragbarer Roboter: Ihre automatische Webmaschine fertigt ultraleichte „Fabric Muscles“ – künstliche Muskeln, die sich wie Stoff tragen lassen.

Die automatisierte Webmaschine verarbeitet ultradünnes Garn zu künstlichen Muskeln. Foto: Korea Institute of Machinery and Materials (KIMM)

Die automatisierte Webmaschine verarbeitet ultradünnes Garn zu künstlichen Muskeln.

Foto: Korea Institute of Machinery and Materials (KIMM)

Südkoreanische Forscher haben eine Technologie entwickelt, die tragbare Roboter – auch als Wearable-Roboter oder Exoskelette bekannt – revolutionieren könnte: Eine automatisierte Webmaschine produziert ultraleichte „Fabric Muscles“ – künstliche Muskeln aus einer Speziallegierung, die sich wie Stoff tragen lassen. Erstmals kann damit ein tragbarer Roboter drei Gelenke gleichzeitig unterstützen.

Wearable-Roboter haben ein Problem: Sie sind meist zu schwer, zu starr oder zu teuer für den Masseneinsatz. Hier setzt eine Entwicklung des Korea Institute of Machinery and Materials (KIMM) an. Das Institut hat eine Webmaschine entwickelt, die vollautomatisch sogenannte Fabric Muscles herstellt – künstliche Muskeln, die sich tatsächlich wie Stoff anfühlen.

Das Besondere: Die Maschine verarbeitet extrem dünnes Garn mit Formgedächntis (Shape Memory Alloy, SMA). Der Durchmesser beträgt 25 μm – etwa ein Viertel der Dicke eines menschlichen Haares. Das Material wird zu spiralförmigen Strukturen verarbeitet und in ein flexibles Gewebe eingearbeitet.

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So entsteht ein nur 10 g schweres Stoffstück, das 10 kg bis 15 kg heben kann. Diese Entwicklung könne die Lebensqualität in Bereichen wie Gesundheitswesen, Logistik und Bauwesen erheblich verbessern, meint Cheol Hoon Park, leitender Forscher am Advanced Robotics Research Center des KIMM. Beispielsweise könnte das System die Muskelbelastung bei repetitiven körperlichen Arbeiten um mehr als 40 % reduzieren.

Vom starren Exoskelett zum flexiblen Muskelanzug

Bislang setzten die meisten Wearable-Roboter auf Motoren oder Pneumatik – mit den bekannten Nachteilen: Sie sind schwer, sperrig, laut und teuer. Systeme wie der X-ble Shoulder von Hyundai und Kia, der im Juli 2025 an Korean Air ausgeliefert wurde, arbeiten zwar rein mechanisch ohne Batterie. Doch sie unterstützen meist nur einzelne Gelenke und bleiben starr.

Die KIMM-Technologie geht einen anderen Weg. Die Fabric Muscles sind so leicht und flexibel, dass sie sich natürlich an den Körper anpassen. Das ermöglicht es, mehrere komplexe Gelenke gleichzeitig zu unterstützen – was bisher kaum möglich war.

Das Ergebnis ist der nach Angaben der Forscher weltweit erste tragbare Roboter unter 2 kg, der Ellbogen, Schulter und Taille simultan assistiert. Gerade die Unterstützung der Schulter war bisher eine besondere Herausforderung – ihr komplexer Bewegungsumfang machte Exoskeletten älteren Typs zu schaffen.

Technischer Durchbruch: Naturfaser statt Metallkern

Der Weg zur automatisierten Produktion war steinig. Frühere SMA-Spulengarne verwendeten einen metallischen Kerndraht – das schränkte die Dehnung ein und machte automatisches Weben praktisch unmöglich.

Das KIMM-Team fand die Lösung: Naturfasern statt Metall als Kern. Zusätzlich wurde die Struktur der textilen Muskeln komplett neu entworfen und der Herstellungsprozess optimiert. Auch das Design der Webmaschine mussten die Forschenden anpassen.

Ihr neues Modell liefere eine kontinuierliche Massenproduktion bei gleichbleibend hoher Qualität, heißt es in der Pressemitteilung. Damit wäre die Grundlage für den kommerziellen Durchbruch der kleidungsähnlichen Roboter gelegt.

Medizinische Anwendung: Hoffnung für Muskelschwäche-Patienten

Besonders vielversprechend sind die Ergebnisse im medizinischen Bereich. Das Team entwickelte einen Schulter-Assistenzroboter mit nur 840 g Gewicht – so leicht, dass auch Patienten mit Muskelschwäche ihn problemlos im Alltag tragen können. Klinische Studien am Seoul National University Hospital (SNUH) belegen das: Bei Patienten mit Muskelschwäche, darunter auch solchen mit Duchenne-Muskeldystrophie, verbesserte der Roboter den Bewegungsumfang der Schulter um mehr als 57 %.

Die Wissenschaftler sehen darin einen doppelten Nutzen: „Das System soll die Belastung für Pflegekräfte reduzieren und gleichzeitig die Unabhängigkeit, Lebensqualität und das Selbstwertgefühl der Patienten verbessern.“

Südkorea setzt auf Wearable-Robotik

Die Forschungsarbeit, die mit dem KIMM Best Research Award 2024 ausgezeichnet wurde, erschien im Oktober 2025 im IEEE Transactions on Neural Systems and Rehabilitation Engineering (TNSRE). Das Team will nun die Kommerzialisierung vorantreiben – und womöglich den globalen Markt für Wearable-Robotik erschließen.

Der Markt dafür ist da: Laut Mordor Intelligence könnte sich der weltweite Umsatz mit tragbaren Robotern und Exoskeletten bis 2029 nahezu vervierfachen – von 2,55 Mrd. $ auf über 10 Mrd. $. Südkoreanische Hersteller könnten sich in diesem Markt frühzeitig als Technologieführer etablieren. Entscheidend wird sein, ob sich die Versprechen in puncto Belastungsreduzierung im Arbeitsalltag bestätigen – sowohl in der Industrie als auch in der medizinischen Rehabilitation.

Ein Beitrag von:

  • Magnus Schwarz

    Magnus Schwarz schreibt zu den Themen Wasserstoff, Energie und Industrie. Nach dem Studium in Aachen absolvierte er ein Volontariat und war mehrere Jahre als Fachredakteur in der Energiebranche tätig. Seit Oktober 2025 ist er beim VDI Verlag.

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