Wie die Kunststoffbranche dem Fachkräftemangel begegnet
Im Rahmen der K-Messe Preview haben wir mit Dr. Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands Kunststoffverarbeitende Industrie e.V. (GKV), über die aktuelle Fachkräftesituation in der Kunststoff verarbeitenden Industrie gesprochen. Im Interview erläutert er, welche Berufsprofile besonders betroffen sind, welche Herausforderungen sich daraus für mittelständische Unternehmen ergeben – und welche Rolle Ausbildung, Technologie und gesellschaftliche Wertschätzung bei der Fachkräftesicherung spielen.

Fachkräftemangel bleibt zentrale Herausforderung für die Kunststoffindustrie – ein Thema, das auch bei der Preview zur K-Messe diskutiert wurde.
Foto: Messe Düsseldorf / ctillmann
Herr Dr. Möllenstädt, wie haben sich die Zahlen unbesetzter Stellen in der Kunststoffindustrie in den letzten fünf Jahren entwickelt, und welche Berufsprofile sind davon besonders betroffen?
Ein weitaus überwiegender Anteil der Arbeitsplätze in der Kunststoffindustrie in Deutschland wird mit mehr als 312.000 Arbeitsplätzen von den Unternehmen der Kunststoff verarbeitenden Industrie gestellt. Trotz Rezession verzeichneten zu Beginn des Jahres 2025 66 % der Unternehmen der Kunststoff verarbeitenden Industrie einen Mangel an Fachkräften bzw. Auszubildenden. Die Unternehmen der Kunststoff verarbeitenden Industrie mit Fachkräftemangel verzeichnen insbesondere einen Mangel an ausgebildeten Kunststofftechnologen bzw. Kunststofftechnikern (79 %), Auszubildenden zum Kunststofftechnologen (65 %) sowie an Ingenieuren mit einer Vertiefung im Fachgebiet Kunststofftechnik (26 %). (Quelle: GKV-Umfrage zur Konjunktur und Wirtschaftslage Januar 2025)
Grafik: GKVWelche Auswirkungen hat der Fachkräftemangel auf die Kunststoffindustrie in Deutschland?
Der Fachkräftemangel stellt eine der zentralen Herausforderungen für unsere Branchenbetriebe dar. Für die Industrie insgesamt wird der Druck zur Automatisierung und zur Verlagerung an Standorte außerhalb Deutschlands tendenziell erhöht. Insbesondere kleine mittelständische Betriebe können vom Fachkräftemangel existenziell betroffen sein.
Wie stark ist der Fachkräftemangel in der Kunststoffbranche im Vergleich zu anderen technischen Berufen?
Der Mangel an Fachkräften in der Kunststoffindustrie ist exemplarisch für den Mangel an MINT-Kräften in der Industrie insgesamt.
Welche Qualifikationen und Kompetenzen sind derzeit besonders gefragt im Bereich Kunststofftechnik?
Besonders gefragt sind ausgebildete Kunststofftechnologen in allen Fachrichtungen, von der Herstellung von Formteilen oder Halbzeugen über Kunststofffenster bis zur Faserverbundtechnologie und Compound- und Masterbatchherstellung.
Innovation und Fachkräftesicherung
Wie wirkt sich der Fachkräftemangel auf Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen aus?
Insgesamt sind das System der dualen Berufsausbildung und das exzellente Studienangebot an unseren Universitäten und Hochschulen in Deutschland immer noch ein erheblicher Standortvorteil. Auch die profitieren die Unternehmen in Bezug auf Ihre Innovationskraft von dem hervorragenden spezialisierten Fachwissen ausgebildeter Kunststoff-Ingenieure.
Wie können Unternehmen im Bereich Kunststoffe qualifizierte Mitarbeiter gewinnen und binden?
Die Unternehmen der Kunststoff verarbeitenden Industrie ergreifen eine Vielzahl von Instrumenten, um dem Mangel an Fachkräften und Auszubildenden zu begegnen:

Grafik: GKV
Wie kann die Kunststoffindustrie den Fachkräftemangel durch den Einsatz von Technologie und Automatisierung reduzieren?
In gewissem Umfang tragen Automatisierung und digitale Technologien wie künstliche Intelligenz dazu bei, den Bedarf an Arbeitskräften zu verringern. Das betrifft allerdings bisher eher Tätigkeiten wie die Überwachung von Maschinen und Anlagen. Für andere Tätigkeiten wie Konstruktion von Bauteilen und die Einrichtung von Maschinen werden weiterhin Fachkräfte in großer Zahl gebraucht.
Was hat Sie persönlich motiviert, sich für die Kunststoffbranche und speziell für die Interessenvertretung im GKV zu engagieren?
Ich bin in einer Industrieregion in Norddeutschland geboren und aufgewachsen und habe Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Nach einigen Jahren im Beruf ging ich in die Politik. Was läge näher, als sich danach für einen der größten mittelständisch geprägten Industriezweige in der Interessenvertretung zu engagieren?

Dr. Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer des GKV, ist überzeugt, dass qualifizierte Fachkräfte und moderne Technologien entscheidend für die Zukunft der Kunststoffindustrie sind.
Foto: Messe Düsseldorf / ctillmann
Mit Engagement gegen den Fachkräftemangel
Wie erleben Sie den Fachkräftemangel im direkten Austausch mit den Mitgliedsunternehmen – gibt es Geschichten oder Rückmeldungen, die Sie besonders bewegt haben?
Das Engagement der Unternehmen unseres Industriezweigs für Fachkräfte ist enorm. Es gibt wunderbare Beispiele, wie sich Unternehmen insbesondere um Young Talents bemühen. Viele unserer Branchenbetriebe befinden sich ja im ländlichen Raum. Besonders bewegt hat mich daher die Geschichte eines Unternehmens, das jüngst einem neuen Azubi ein Dienstfahrzeug für den Arbeitsweg zur Verfügung stellt, da es keine ÖPNV-Verbindung zwischen dem Wohnort des Azubis und dem Ausbildungsbetrieb gibt.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was müsste sich aus Ihrer Sicht in den nächsten fünf Jahren ändern, damit die Kunststoffbranche wieder ausreichend Nachwuchs und Fachkräfte gewinnt?
Ich würde mir deutlich mehr öffentliche Anerkennung für Menschen in MINT-Berufen und für unsere mittelständischen Unternehmen wünschen. Außerdem kommt hinzu, dass viele Menschen von den enormen Vorteilen, die Kunststoffe als High-Tech-Materialien bieten, in ihrem persönlichen Leben – sei es als Verpackungsmaterial oder als Werkstoff im Fahrzeug oder in der Gebäudeisolierung – profitieren möchten aber Kunststoffe häufig für das Fehlverhalten von Menschen in die Kritik gestellt werden. Das ist z.B. dann der Fall, wenn Kunststoffabfälle unsachgemäß in der Umwelt entsorgt werden.
Zur K 2025 Preview vom 16. bis 18. Juni 2025 waren rund 80 Journalisten aus 32 Ländern bei der Messe Düsseldorf zu Gast. In 15 Pressekonferenzen und zwei Podiumsdiskussionen erhielten sie kompakte Einblicke in Produktneuheiten und Branchenthemen. Die Kunststoff- und Kautschukbranche wird ihr gesamtes Leistungsspektrum sowie innovative Anwendungen auf der weltweit wichtigsten Messe K 2025 vom 8. bis 15. Oktober in Düsseldorf präsentieren.
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