02.01.2016, 03:04 Uhr

Gehaltsvorstellung richtig formulieren

Wenn in einer Stellenausschreibung die Angabe zur Gehaltsvorstellung gewünscht wird, was sollte man am besten schreiben? Oder ist vielleicht erst einmal keine Angabe der richtige Weg?

Antwort:

Wenn Sie sich diese Argumente zu eigen machen, werden Sie die gefürchtete Hürde „Gehalt in Bewerbungen“ am einfachsten nehmen:1. Die Gehaltsgröße (gleichgültig, ob heutiges oder gewünschtes Einkommen) ist ein sehr(!) wichtiges Beurteilungs- und Entscheidungskriterium. Außerdem ist es unsinnig und eine Vergeudung von Zeit und Geld, einen Bewerber, der heute 70.000 Euro hat und 78.000 Euro will, einzuladen, wenn der ausgeschriebene Job nur maximal 68.000 Euro hergibt. Zusätzlich unterstreicht das Einkommen insbesondere bei „exotisch“ klingenden Positionsbezeichnungen des Bewerbers dessen Qualifikation, reduziert eine gefühlmäßig zu „große“ Einschätzung des Bewerbers oder erhöht eine zunächst zu „kleine“ Bewertung des Kandidaten.Fazit: Jeder(!) Bewerbungsempfänger wäre glücklich, wenn er in der Bewerbung konkrete Zahlenangaben zum Gehalt läse – ob es nun in der Anzeige stand oder nicht. Und Bewerbungsempfänger glücklich zu machen, das ist ja ein Hauptziel.2. Der Bewerber ist der „kleinere“, sozial schwächere Partner in diesem Geschäft, der potenzielle Arbeitgeber dominiert. Also ist der Bewerber gehalten, unter allen Umständen(!) deutlich in der Anzeige vermerkte Wünsche des Unternehmens zu erfüllen – ob „Bewerbung per Post“ oder „Gehaltsangabe erbeten“. Trotz Aufforderung nichts zum Gehalt zu sagen, ist eine grobe Missachtung eines Wunsches des stärkeren Partners.3. Gleichgültig, was der Inserent formuliert, ob er nach „Gehaltswunsch“ fragt oder um „Angaben zum Gehalt“ bittet, stets ist es völlig ausreichend und pauschal die beste Lösung, schlicht das heutige oder bei Arbeitslosigkeit das letzte Gehalt anzugeben.4. Natürlich können Berufsanfänger keine heutigen (Ist-)Gehälter angeben, hier sind nur „Gehaltsvorstellungen“ denkbar.5. Alle Angaben zum Gehalt erfolgen in Jahresbruttobezügen, langweilen Sie nicht mit 13. Gehältern oder Urlaubsgeld, addieren Sie alles und nennen Sie den Jahresbetrag. „Brutto“ müssen Sie nicht schreiben, es ist selbstverständlich.6. Stets empfiehlt sich ein „entkrampfender Zusatz“ wie etwa „… Euro pro Jahr, entscheidend ist jedoch die Aufgabe“ (oder so ähnlich). Das verpflichtet zu nichts, deutet aber eine vernunftbetonte Einstellung zum Thema an.7. Geben Sie als Zusatz „pro Jahr“ an. Je „ausländischer“ Sie sich ausdrücken, desto größer werden die Fehlermöglichkeiten! Nicht einmal Leute mit Großem Latinum sind dagegen gefeit. Es müsste „p. a.“ heißen oder ausgeschrieben „pro anno“. Hingegen gilt „per annum“ (auch „p. a.“ abgekürzt) als veraltet (Duden, 25. Aufl.).8. Falls Sie aus irgendwelchen Gründen Ihr heutiges/letztes Gehalt nicht angeben wollen oder diese Angabe nicht sinnvoll ist (z. B. bei heutiger Tätigkeit im Ausland), können Sie stets „Gehaltsvorstellungen“ nennen – in deren Gestaltung Sie völlig frei sind. Es ist keineswegs verboten, eine x-beliebige Summe als Vorstellung zu nennen. Diese könnte grundsätzlich die Hälfte oder das Doppelte Ihrer bisherigen Bezüge betragen. Niemand kann Ihnen daraus einen Vorwurf machen.Aber spätestens im Vorstellungsgespräch fragt der Arbeitgebervertreter nach dem heutigen/letzten Gehalt. Weicht das allzu sehr von Ihren genannten Wünschen ab, kann daran Ihre Bewerbung scheitern; Sie haben dann unglücklich taktiert, aber einen Vorwurf wird man Ihnen nicht machen können.9. Wenn Sie Ihr heutiges/letztes Einkommen zu hoch angeben, riskieren Sie noch lange danach eine Entlassung wegen falscher Angaben im Vorstellungsgespräch. Arbeitgeber reagieren auf „Hochstapelei“ äußerst wütend, werden sie doch dadurch zur Zahlung eines zu hohen Preises für die eingekaufte Arbeitskraft verleitet.10. Grundsätzlich und in einem gewissen Rahmen gilt: Ihre Chancen auf Einladungen zu Vorstellungsgesprächen steigen oft umgekehrt proportional zur von Ihnen genannten Gehaltssumme (z. B. heutiges/letztes Einkommen). Wenn Sie also unter Druck stehen, empfiehlt sich ggf. die Angabe gem. 3., aber mit Varianten:a) Sie schreiben: „… beträgt ca. 80.000 Euro p. a. Hinzu kommen variable Bestandteile.“ Dann lassen Sie den Hinweis auf den eventuellen Dienstwagen weg. So verbindet der Leser mit Ihnen zunächst eine kleinere Zahl (80.000) als bei der – korrekten – Nennung: „… Jahresbezüge betragen insgesamt ca. 108.000 Euro zuzüglich Dienstwagen.“ Im Gespräch können Sie dann je nach Lage der Dinge die variablen Bestandteile nachschieben oder Sie verzichten darauf („besser einen Job zu 80.000 als arbeitslos mit unerfülltem Anspruch auf 108.000“).b) Bei a drohen Sie ja noch ganz offen mit zusätzlichen variablen Bestandteilen, a ist vollständig offen und ehrlich. Sie könnten aber auch, im Beispiel bleibend, schreiben: „Meine fixen Jahresbezüge betragen ca. 80.000 Euro.“ Das ist ja absolut korrekt. Jetzt aber könnte der Empfänger denken, Sie hätten nur dieses Fixgehalt (oder er vermutet nur, es käme noch etwas hinzu).c) In dieser dritten Stufe begeben Sie sich auf ziemlich glattes Eis. Formal erfüllen Sie den „Tatbestand“ (dies ist keine juristische, sondern stets eine laienhafte Betrachtung) falscher Angaben im Bewerbungsprozess – aber der Arbeitgeber wird nicht geschädigt und in einer verzweifelten Situation mag der Teufel auch Fliegen fressen. Sie erfüllen damit vermutlich das Delikt der Tiefstapelei – aber ich kenne keinen Tiefstapler, der im Gefängnis säße. Ich rate Ihnen auch nicht, dieser Variante zu folgen, ich sage nur, dass andere böse Menschen schon so verfahren sind, wenn ihnen auf dem Arbeitsmarkt das Wasser bis zum Hals steht. Danach würde man im obigen Zahlenumfeld schreiben: „Mein Jahreseinkommen beträgt ca. 80.000 Euro, entscheidend ist letztlich die Aufgabenstellung.“Sie bekommen dann auf der Basis sicher mehr Chancen auf Vorstellungsgespräche als Sie bei genannten 108.000 Euro bekommen hätten. Und so furchtbar viel an Geld verschenken Sie auch nicht: Wenn das Gespräch gut läuft, können Sie auf die – todsicher – kommende Frage nach dem Gehaltswunsch durchaus „+ 15 %“ nennen, dann sind Sie bei ca. 92.000 Euro. Wenn Ihr Gesprächspartner immer noch freundlich guckt, könnten Sie beispielsweise nachschieben: „Dazu kommen heute noch gewisse variable Bestandteile.“ Zeigt Ihr Gegenüber nun „Trefferwirkung“, „zuckt“ er also deutlich („jetzt sind wir dann aber in einer Größenordnung, die unsere Dimension sprengt“), dann wissen Sie: die Obergrenze ist erreicht.Dann rudern Sie zurück: „Nun, ich glaube nicht, dass da in diesem Jahr viel herauskommt, deshalb hatte ich davon in der Bewerbung auch nichts geschrieben.“ Hat er nicht „gezuckt“, nennen Sie vorsichtig „max. ca. 15.000 Euro“ – und sind dann bei 107.000 Euro, also beim heutigen Niveau. Hätten Sie aber in der Bewerbung ein Ist von „108.000 Euro“ angegeben, hätte der Leser auf gewünschte 125.000 Euro geschlossen – und Abstand von einer Einladung genommen.11. Ein Verharren auf gleichem Niveau beim Wechsel gilt als „erlaubt“ und wird toleriert bis gern gesehen. „Mein Einkommen beträgt heute ca. 108.000 Euro, in dieser Größenordnung liegt auch meine Vorstellung.“Ein freiwilliger Verzicht, der erkennbar wird, gilt grundsätzlich als „verdächtig“, die aus Anschreiben und Lebenslauf erkennbaren Hintergründe müssen dazu passen (z. B. über 50 Jahre alt und seit 1,5 Jahren arbeitslos).12. Absolut „tödlich“ ist das Erhöhen der Forderung im Laufe des Bewerbungsprozesses. Deswegen ist das schriftliche Formulieren einer Vorstellung/eines Wunsches so kritisch – man bleibt daran gebunden.13. Bandbreiten zu nennen („meine Vorstellungen liegen zwischen 80.000 und 100.000 Euro pro Jahr“) ist nicht ratsam – welcher Arbeitgeber will dann wohl den oberen Bereich abdecken? Auch Bananen kosten X Euro pro Kilogramm – nicht „von bis“.14. Die mögliche Idee, die Firmen sollten doch ihrerseits konkrete Gehaltsangaben in Anzeigen machen, können Sie vergessen. Das hat man ausprobiert – es ist in Deutschland nicht durchsetzbar, die Experimente wurden eingestellt. Käufer sagen vor Verhandlungseröffnung ja auch sonst nirgends, wie weit sie notfalls zu gehen bereit wären.

Kurzantwort:

Der Umgang mit der Gehaltsfrage in Bewerbungen ist ganz einfach – sofern man als Bewerber in einer bequemen Standardposition steckt („es geht mir gut, ich könnte hier dauerhaft bleiben, ich wechsle nur, damit es mir noch besser geht“). Je weiter man davon entfernt ist, desto komplizierter kann dieses Thema werden.
Frage-Nr.: 2370
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 48
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 2009-11-27

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Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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