Heiko Mell 01.01.2016, 01:31 Uhr

Gewicht ist Masse

Nun werden sich andere Leser wieder wundern über den Raum, den wir dieser eher amüsanten als lebenswichtigen Kilo-Diskussion einräumen. Aber wir sagen stets: Was viele Einsender interessiert, kommt dran. Also konnten wir gar nicht anders. Und Reaktionen von Menschen sind immer reizvoll zu beobachten, nicht wahr (Erfahrungen in diesem Bereich können für die Karriere nützlicher sein als diverse fachliche Qualifikationen).

Leser A: SI-Einheiten sind: Für die Masse und Gewicht (als Wägeergebnis): Kilogramm (kg), für die Kraft: Newton (N).Das gesetzgeberisch festgelegte Übereinkommen, „Wägeergebnisse“ mit der Masseneinheit „Kilogramm“ zu bezeichnen, ist eine weise Entscheidung.

Es besteht mithin keine Veranlassung, bei der Gemüsefrau die Menge benötigter Äpfel mit der handelsunüblichen Einheit „Newton“ zu verlangen.

Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h.

Leser B: Gewicht ist Masse. Daß man im Bereich der Technik und nur dort! unter Gewicht eine Kraft verstand, die man in kg maß, das war einmal.

Leser C: Wenn Sie sich aus dem Meer der Zuschriften von Lesern, die Ihnen Orientierung und Hilfe bei der Bewältigung Ihres problematischen Verhältnisses zur elementaren Physik anbieten, herausgerettet haben werden und wieder genügend Kraft besitzen, um bei Ihrer Gemüsefrau vorbeizuschauen, dann bestellen Sie weiterhin zwei Kilo (oder zwei Kilogramm, aber nicht vier Pfund) Kartoffeln. Zu Recht würden Sie nur eines fassungslosen Erstaunens gewahr, verlangten Sie zwei Kilonewton dieses Gemüses. Die gute Frau hätte erstens vermutlich gar nicht so viel vorrätig, und zweitens würde sie rätseln, wie Sie wohl vier Säcke mit je fünfzig Kilogramm heimtragen wollten.

Leser D: Wenn Sie mit mir über Ihr Übergewicht sprächen, wüßte ich natürlich, daß Sie damit Ihre Übermasse meinen.

Sie hatten mit Ihrem Sprachgefühl, Kilos verlieren zu müssen, doch recht (also keine Newtons) und die Behörden müßten für ein Mondauto keine neuen Fahrzeugpapiere entwickeln, weil die Masse ja gleich bleibt (ganz schön clever von den Behörden, nicht?)

Leser E: Jegliche Streitgespräche über „Masse oder Gewicht?“ sind an sich überflüssig. Die Frage ist spätestens seit Erscheinen der DIN-Norm 1305 endgültig bisher ohne ernsthaften Widerspruch entschieden.

Der Begriff Gewicht wird nach DIN 1305 in drei verschiedenen Bedeutungen gebraucht:anstelle von Wägewert als Ergebnis einer Wägung (der Wägewert wird in Einheiten der Masse angegeben, z.B. in Gramm oder Kilogramm), als Kurzform für Gewichtskraft als Produkt aus Masse und Fallbeschleunigung (die Gewichtskraft wird in Einheiten der Kraft angegeben, z. B. in Newton oder Kilonewton),als Kurzform für Gewichtstück als Verkörperung einer Masseneinheit oder eines Vielfachen davon (z. B. Gewichtstück mit einem Nennwert von 100 g).

Und wo bleibt die Masse? Die Masse beschreibt die physikalische Eigenschaft eines Körpers, die sich sowohl in Trägheitswirkungen gegenüber einer Änderung seines Bewegungszustandes als auch in der Anziehung auf andere Körper äußert. Soll die Masse eines Körpers durch Wägung in Luft bestimmt werden, muß der Wägewert (Waagenanzeige) um den Luftauftrieb korrigiert werden. Der relative Unterschied zwischen Wägewert und Masse beträgt bei den meisten Wägegütern etwa 1%%; eine Korrektion ist also nur bei hochgenauen Messungen erforderlich.

Fachleute erkennen wohl immer aus dem Zusammenhang, ob unter „Gewicht“ ein Wägewert bzw. eine Masse, eine Gewichtskraft oder ein Gewichtstück gemeint ist. Dennoch sollten gerade sie bemüht sein, sich unmißverständlich auszudrücken.

Der Minister für Wirtschaft, Technik und Verkehr des Landes…Amt für das Eichwesen

Der Amtsleiter

Leser F: Falls Ihnen aber z. B. einer einen Boxhieb verpaßt, kämen Sie nicht auf die Idee, diesen Schlag als Gewicht oder als Masse zu bezeichnen, sondern Sie empfinden diesen Schlag als eine Kraft… Vielleicht denken Sie, dieser Boxhieb fühle sich so an, als hätte Ihnen einer ein 10-Kilo-Gewicht gegen die Rippen geworfen; um aber mit Kräften zu rechnen, eignen sich solche Gefühle schlecht.

Leser G: Ich bin 81 Jahre alt und habe die Entwicklung der Maßeinheiten miterlebt:In der Schulzeit bis 1933: Masse kg*, Kraft kg;während des Studiums (bis 1938): Masse kg, Kraft kp;

während der Berufstätigkeit: Masse kg, Kraft kN (1 kN = 1 kg / 9,81 m/sec2).

Leser H: Heute reißt mich aber eine Diskussion vom Stuhl, die wir in der DDR vor vierzig Jahren erledigt haben: Ihr Problem ist, die Dimension „Masse/Menge“ als Kraft zu übersetzen. Die Eigenschaft der Stoffe ist aber ihre Masse, und die Masse/Menge wollen Sie doch kaufen.

Leser I: Mit großem Erstaunen habe ich den Schlagabtausch zu o. g. Thema verfolgt und mich gewundert, daß berufstätige und angeblich hochgebildete Menschen für einen solchen Blödsinn Zeit verschwenden.

Antwort:

Ach wissen Sie, ab und an darf das auch einmal sein. Und: Hätten Sie gedacht, daß man aus einem trockenen Kilo so viel machen kann?Zwei Anmerkungen sind mir noch wichtig:

1. Viele, ja fast alle Einsender, die hier z.T. nur in sehr kurzen Auszügen zu Wort kamen, haben die Gelegenheit genutzt, mir so nebenbei noch freundliche Worte oder sogar ausdrückliche Anerkennung zu übermitteln. Dafür bedanke ich mich herzlich auch ein abgebrühter Berater ist für Lob empfänglich.

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2. In der Sache selbst glaube ich jetzt ganz fest, von Anfang an schlicht recht gehabt zu haben. Ich hatte vom Übergewicht in „Kilo“ gesprochen. Mehr nicht. Der Duden erlaubt das als Kurzform für „Kilogramm“ ausdrücklich und die Angabe in Kilogramm war als Ergebnis einer Wägung für ein (Über-)Gewicht absolut korrekt. Vielleicht hätte ich schon vor Jahren abnehmen sollen, dann wäre uns das alles erspart geblieben. Aber ein Thema von hohem Unterhaltungswert wäre uns entgangen.

Leserreaktion
Frage-Nr.: 1098
Nummer der VDI nachrichten Ausgabe: 44
Datum der VDI nachrichten Ausgabe: 1998-10-30

Ein Beitrag von:

  • Heiko Mell

    Heiko Mell ist Karriereberater, Buchautor und freier Mitarbeiter der VDI nachrichten. Er verantwortet die Serie Karriereberatung innerhalb der VDI nachrichten.  Hier auf ingenieur.de haben wir ihm eine eigene Kategorie gewidmet.

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