Zum E-Paper
Altlastensanierung 01.07.2022, 13:43 Uhr

Injizierte Bakterien beseitigen Schadstoffe bis in 27 Meter Tiefe

Damit im Frankfurter Gallusviertel das neue Wohnquartier Franky entstehen kann, werden mit einem neuartigen In-situ-Verfahren Verunreinigungen in einem kontaminierten Boden bis in große Tiefen entfernt.

Seit Januar saniert der Bereich Bauer Umwelt der Bauer Resources GmbH ein ehemaliges Industrie-Areal im Frankfurter Gallusviertel. Foto: Bauer Group

Seit Januar saniert der Bereich Bauer Umwelt der Bauer Resources GmbH ein ehemaliges Industrie-Areal im Frankfurter Gallusviertel.

Foto: Bauer Group

Der Boden vibriert und die Luft zischt. Das Bohrgerät im Frankfurter Gallusviertel bohrt ein Loch nach dem anderen. Dann wird mit viel Druck eine Suspensionslösung in das Erdreich injiziert. Und das in bis zu 27 Meter Tiefe.

Verunreinigungen in Boden und Grundwasser

Seit Januar dieses Jahres wird dort mittels eines neuartigen Verfahrens ein ehemalige Industriegelände saniert. Denn durch die industrielle Vornutzung kam es aufgrund des Eintrags von leichtflüchtigen halogenierten Schadstoffen zu Verunreinigungen im Boden und im Grundwasser. Im Anschluss an die Sanierung soll dort bis Mitte 2025 das Wohnquartier „Franky“ mit etwa 1300 Mietwohnungen, 1200 Tiefgaragenstellplätzen, drei Kitas sowie Gewerbe- und Einzelhandelsflächen entstehen, das bisher unter dem Projektnamen Westville bekannt war.

Mittels Sonic-Drill-Bohrgerät wurden hochwertige Bohrkerne zur Vorerkundung der Schadstoffverteilung entnommen.

Foto: Bauer Group

Die Aufgabenstellung zu Projektbeginn war sehr umfangreich: Vorausgehende Analysen hatten So erste Erkenntnisse geliefert und die Sanierungsziele waren definiert, doch es mussten noch eine geeignete Sanierungsmaßnahme bestimmt werden. Zu entscheiden war also, welches Verfahren den Anforderungen vor Ort gerecht werden kann und mit welcher Technik sich die Verunreinigungen bis zu einer Endteufe von 27 Meter behandeln lassen. Möglich macht das nun ein spezielles Hochdruckinjektionsverfahren, wie Vertriebsingenieur Frank Pietschner vom Bereich Bauer Umwelt der Bauer Resources GmbH betont.

Umfangreiche Vorarbeiten

In einem ersten Arbeitsschritt wurde alles für die eigentliche Sanierung vorbereitet. Dazu mussten insgesamt 53 Infiltrationspegel, Monitoring-Messstellen sowie Zirkulationsbrunnen im Nenndurchmesser von 50 und 100 Millimeter errichtet werden. Dann wurde die Schadstoffverteilung detailliert erkundet. „Nur so können die Injektionsorte und -mengen exakt festgelegt werden“, erklärt Felix Blanco-Ochando, Oberbauleiter beim Bereich Bauer Umwelt der Bauer Resources GmbH. Auf Basis der Probenahmen wurden im nächsten Schritt die Injektionsorte und -mengen bestimmt sowie eine maßgeschneiderte Suspensionslösung hergestellt.

Probenahmen zur Beurteilung der Untergrundverhältnisse.

Foto: Bauer Group

Unter Einsatz von Hochdruckpumpen wurde die Wirkstofflösung an 40 verschiedenen Stellen in unterschiedliche Horizonte des schadstoffhaltigen Bodens injiziert – über 70.000 Liter Wirkstoffemulsion und etwa 430 Liter Bakteriensuspension waren dafür notwendig. Diese Flüssigkeiten reagieren mit den leichtflüchtigen Schadstoffen tief im Boden und bauen diese ab. „Im Prinzip ist das Verfahren ganz einfach, aber im Detail hoch spannend“, betont Pietschner und ergänzt: „Und unglaublich innovativ, effizient und nachhaltig.“ Mit deutlich mehr als 10 bar Druck wird auch ein hoher Wirkungsgrad bei stark bindigen Böden über den geplanten Injektionsradius gewährleistet.

Adaptierbarer Wirkstoff

Der Schlüssel zum Erfolg ist jedoch nicht allein das Verfahren, sondern auch der Wirkstoff, der selektiv eingesetzt und je nach Belastungsgrad zielgerichtet adaptiert werden kann. Eine spezielle Zusammensetzung sorgt zusätzlich dafür, dass der Prozess über Monate hinweg weiterlaufen kann, bis die Verunreinigungen vollständig abgebaut sind. Mittels verschiedener Messstellen lässt sich der Fortschritt ständig überwachen.

Über 70.000 Liter Wirkstoffemulsion und etwa 430 Liter Bakteriensuspension wurden in den schadstoffhaltigen Boden injiziert.

Foto: Bauer Group

Noch bis zum Abschluss der Arbeiten erfolgen zur besseren und schnelleren Verteilung des Wirkstoffs Infiltrationsmaßnahmen sowie eine Zirkulation des Grundwassers. „Die Abwicklung eines solchen Projekts ist für uns einzigartig und nur dank der exakt organisierten Arbeit des Projektteams möglich“, so Felix Blanco-Ochando.

Empfehlung der Redaktion – das könnte Sie auch interessieren:

  1. Aktuelle Beiträge aus der Branche
  2. Hochleistungsbohrgerät: Auf dem Weg zur dieselfreien und leisen Baustelle
  3. Wiederverwenden statt deponieren: Aushub-Abfall vermeiden mit Flüssigboden
  4. S-Bahn-Tunnel: Herausforderungen an den Spezialtiefbau
  5. Verformungen des Baugrunds: Untersuchungen zum Seitendruck auf Pfahlgründungen in bindigen Böden
  6. Spezialtiefbau: Gründung auf Fertigrammpfählen
  7. Nichts mehr verpassen: Hier geht‘s zur Newsletter-Anmeldung
Von Bauer / Karlhorst Klotz