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Hochleistungsbohrgerät 15.06.2022, 16:17 Uhr

Auf dem Weg zur dieselfreien und leisen Baustelle

Erste Ergebnisse beim Testeinsatz des weltweit ersten elektrischen Hochleistungsbohrgeräts an der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke HS2 in Großbritannien zeigen: Der tägliche CO2-Ausstoß sinkt um über eine Tonne und die Lärmemissionen um fast die Hälfte.

Die elektrische eBG 33 befindet sich in der englischen Grafschaft Warwickshire im Testeinsatz – und die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. . Foto: Bauer

Die elektrische eBG 33 befindet sich in der englischen Grafschaft Warwickshire im Testeinsatz – und die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. .

Foto: Bauer

HS2 ist Großbritanniens neue Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke, die von London Richtung Nordwesten verläuft und die größten Städte in Schottland mit Manchester, Birmingham und London verbinden wird. Bei einem der prestigeträchtigsten europäischen Infrastrukturprojekte wird größtes Augenmerk sowohl auf technische Anforderungen als auch Umwelt- und Emissionsschutzmaßnahmen gelegt.

Das von HS2 Ltd. beauftragte Joint Venture Balfour Beatty-Vinci (BBV) testet auf einer Baustelle in der Grafschaft Warwickshire derzeit das weltweit erste elektrische Hochleistungsbohrgerät der Bauer Maschinen GmbH, Schrobenhausen, mit dem Ziel, eine dieselfreie Baustelle zu erreichen.

Bei der eBG 33 wurde der Dieselmotor durch einen leistungsstarken Elektroantrieb ersetzt. Die Vorteile für die Umwelt bestehen im reduzierten Abgas- und Lärmausstoß sowie in der hohen Energieleistung aufgrund des Drei-Phasen-Asynchronmotors, außerdem in der Flexibilität durch den eingebauten Frequenzumwandler. Bauer testet derzeit verschiedene E-Anschlussarten und ein neuartiges Konzept für den Betrieb über einen autonomen Zweitantrieb, der unabhängig von der Stromversorgung arbeitet.

Ergebnisse des Testlaufs

Erste Ergebnisse des Testlaufs zeigen: Im Vergleich zu einem herkömmlich angetriebenen Bohrgerät reduziert das 100 Tonnen schwere Hochleistungsbohrgerät den täglichen Gesamt-Ausstoß an Kohlendioxid um 1.292 Kilogramm. Gleichzeitig verringern sich die Lärmemissionen um bis zu 50 Prozent.

Wie der Gerätefahrer bestätigte, ist in der Kabine keinerlei Lärm zu hören ist und die das elektrische Bohrgerät (eBG) könne wie ein herkömmliches (BG) bedient werden. Das Kabel sei nicht bemerkbar und folge am Führungsarm den Bewegungen des Gerätes. Verglichen mit traditionellen, dieselbetriebenen Geräten erziele die eBG 33 exakt dieselben Leistungsdaten. Das elektrifizierte Bohrgerät ist mit mehr als 400 kW Antriebsleistung im mittleren Segment der Bohrgerätereihe von Bauer angesiedelt, und erreicht 280 bis 390 kNm Drehmoment.

Die elektrische eBG 33 ist mit mehr als 400 kW Antriebsleistung im mittleren Segment der Bohrgerätereihe angesiedelt.

Foto: Bauer

Um die gleiche Leistung wie eine Bauer-BG mit Dieselmotor bieten zu können, hat man sich bei der eBG 33 für eine Lösung mit direkter Stromversorgung entschieden. Der Grund: Ein derzeit verfügbares Akku-System könnte die in dieser Größenklasse notwendige Leistung nicht aufbringen. Der Vorlauf auf der Baustelle muss entsprechend über mehrere Monate geplant sein, damit die Stromversorgung auch gewährleistet ist. Der Einsatz der eBG ist also vor allem auf großen und langlaufenden Baustellen sinnvoll, denn hier werden über den größeren Zeitraum gesehen sämtliche Vorteile, wie die deutliche Betriebskostenreduzierung, voll ausgespielt.

Im Vorfeld der Entwicklung des elektrischen Bohrgeräts hatten Analysen ergeben, dass in dieser Leistungsklasse der durchschnittliche Dieselverbrauch im Vergleich zu kleineren Gerätetypen enorm ansteigt. Denn ein solches Bohrgerät wird neben dem häufigen Kellybohren zu rund einem Drittel auch für Hochleistungsverfahren genutzt. Daher können die Betriebskosten bei einem längeren Einsatz der eBG gegenüber einem mit Diesel betriebenen Bohrgerät massiv gesenkt werden.

HS2 soll nachhaltigstes Infrastrukturprojekt werden

„Wir wollen die Bauindustrie im Vereinigten Königreich verändern und die Machbarkeit sowie den Nutzen emissionsfreier, elektrischer Großgeräte demonstrieren“, erklärte Andrea Davidson vom HS2-Luftqualitätsmanagement. „Mit diesem bahnbrechenden Versuch gehen wir einen weiteren Schritt auf dem Weg zu unserem Ziel, bis 2029 dieselfreie und ab 2035 komplett CO2-freie Baustellen zu erreichen.“ Ziel sei, HS2 zum nachhaltigsten Infrastrukturprojekt zu machen, das es jemals gab.

Das für die Tiefbauarbeiten von BBV beauftragte Joint Venture zwischen Bachy Soletanche und Balfour Beatty Ground Engineering (SB3) setzt die neuartige Maschine derzeit gleichzeitig mit einem dieselbetriebenen Bohrgerät zur Herstellung von Großbohrpfählen ein. Ziel ist es zu demonstrieren, dass große, elektrisch angetriebene Baugeräte dieselbe Leistung erbringen können wie herkömmliche Maschinen.

Erfahrungen sollen weitergegeben werden

Dan Fawcett, Leiter Innovationen bei BBV, freut sich, das weltweit erste vollelektrische Hochleistungsbohrgerät auf einer der HS2-Baustellen in Warwickshire testen zu können. „Dieses zukunftsweisende Projekt ist ein großer Schritt hin zur Umrüstung auf elektrisch angetriebene Anlagen und trägt damit erheblich zum Schutz unserer Umwelt bei“, sagte er. „Wir werden unsere Erfahrungen aus diesem Versuch mit der Bauindustrie teilen und auch auf unseren anderen Baustellen anwenden.“

Und Tim Lämmle von der Bauer Maschinen GmbH, die das Gerät entwickelte und produziert, betonte: „Es ist großartig, mit HS2, BBV und SB3, den führenden Bauunternehmen des Vereinigten Königreichs, zusammenzuarbeiten und die Fähigkeiten unseres Produktes demonstrieren zu dürfen. Wir sind extrem motiviert, emissionsfreie Geräte für den Spezialtiefbau auf dem Markt zu etablieren. Unser großer Wunsch ist es, unsere neuen elektrischen Geräte als echte, verlässliche Alternative zu herkömmlichen, fossil angetriebenen Maschinen voranzubringen.“

Chris Merridew, Vorstandsmitglied des SB3 Joint Ventures, ergänzte: „Unser Team wollte als erster Anwender des elektrischen Bohrgerätes und der neuen Technologie Bauer unterstützen. In unserem ständigen Bestreben, CO2, Lärm und andere Emissionen zu reduzieren, hat dieses Gerät das Potenzial, einen wegweisenden Umbruch für die Industrie und den gesamten Bausektor einzuleiten.“

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Von Bauer / Karlhorst Klotz