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S-Bahn-Tunnel 23.05.2022, 09:32 Uhr

Herausforderungen an den Spezialtiefbau

Vielfältige geologische Verhältnisse und die Nähe zum Grundwasser der Innenzone des Stuttgarter Heilquellenschutzgebietes machen die an sich schon komplexen Planungen des Projekts Stuttgart 21 im laufenden Betrieb nicht einfacher. Besondere Herausforderungen an den Spezialtiefbau ergaben sich bei Planung und Bau eines neuen S-Bahn-Tunnels zum Stuttgarter Durchgangsbahnhof.

Gründungs- und Verbaumaßnahmen im Bereich der neuen Tunnelblöcke 18 bis 23. Foto: CDM Smith

Gründungs- und Verbaumaßnahmen im Bereich der neuen Tunnelblöcke 18 bis 23.

Foto: CDM Smith

Im Zuge des Verkehrsinfrastrukturprojektes Stuttgart 21 – Wendlingen-Ulm wird derzeit im Auftrag der DB Projekt Stuttgart – Ulm GmbH im Planfeststellungsabschnitt 1.5 Los 4 die Erweiterung der Stammstrecke für den S-Bahn-Verkehr von und nach Stuttgart-Feuerbach und Stuttgart-Bad-Cannstatt gebaut. Die Anforderungen an die Spezialtiefbaumaßnahmen für diesen in etwa 475 Meter langen Teilabschnitt der Erweiterung der S-Bahnstammstrecke waren im Wesentlichen durch den innerstädtischen Charakter und die angrenzenden Gleise unter laufendem Betrieb geprägt.

Den Überblick über das Projekt, die Bauwerke und Gründungen gibt ein Beitrag der Autoren im Bauingenieur 06|2022. Nachfolgend wird auf zwei herausfordernde Aspekte des Spezialtiefbaus der Baustelle näher eingegangen.

Unterfangungen mittels Düsenstrahlverfahren

Für die Unterfangung der im S-Bahnbetrieb befindlichen Südrampe im Bereich der neuen Tunnelblöcke 1 bis 14 wurden Unterfangungskörper im Düsenstrahlverfahren (DS-Verfahren, DSV) geplant und ausgeführt. Im Zuge der Planung wurden darüber hinaus Probesäulen ausgeführt.

Durch das DS-Verfahren werden im Wesentlichen Zementstein-Boden-Körper hergestellt. Dabei wird nach dem Abteufen einer Bohrung mit Durchmesser von rund 0,1 Meter von unten nach oben der anstehende Baugrund mit einem horizontalen Schneidstrahl aus Wasser oder Bindemittelsuspension, dem auch Druckluft hinzugefügt werden kann, bereichsweise aus dem Gefüge gelöst und mit Bindemittelsuspension vermischt. Je nach gewählten Herstellungsparametern können dabei Düsenstrahlsäulen (DS-Säulen) mit variierenden Durchmessern hergestellt werden.

Im Düsenstrahlverfahren ausgeführte Unterfangung für den Bestandstunnel.

Foto: CDM Smith

Da die DSV-Technik mit hohen Wasser- und Suspensionsraten arbeitet und nahezu die gleiche Fluidmenge an der Geländeoberkante (GOK) auch austreten muss (abzüglich des vernachlässigbaren Porenvolumens des Bodens), um eine ausgeglichene Volumenbilanz zu haben, kommt es bei dem Verfahren grundsätzlich maßgeblich auf einen blockadefreien „Rückfluss“ des eingesetzten Fluids (Suspension mit Bodenanteilen) an. Ist dieser auch nur kurzfristig nicht gegeben, baut sich in der noch flüssigen hergestellten Kubatur sehr schnell ein hoher Druck auf, der vom Druck vor der Düse „gespeist“ wird. Dieser Druck kann den Boden seitlich aufreißen, mit druckhaftem Fluid füllen und wie ein hydraulisches Kissen wirken. Diese Effekte bewirken häufig Hebungen, im Bereich von unterirdischen Bauwerken können entsprechende temporäre Druckbeanspruchungen entstehen. Ein blockadefreier Rückfluss der Suspension ist somit ebenso bedeutsam für die fachgerechte Verfahrensanwendung wie der konstante Suspensionseintrag bei stetigem Druck vor der Düse.

Es wurden daher während der Herstellung an der Geländeoberfläche Entlastungsöffnungen offengehalten und der Suspensionsrücklauf durch Fachpersonal dauernd kontrolliert sowie kontinuierlich dokumentiert. Bei Verstopfungen, zum Beispiel ausgelöst durch größere Bodenbrocken in der Zementsuspension, wurde die Pumpe sofort abgeschaltet und die Durchgängigkeit der Entlastungsöffnung wiederhergestellt. Baubegleitend fand ein umfangreiches geodätisches Monitoring statt. Unplanmäßige Hebungen und Verformungen von Bestandsbauwerken und Gleisen konnten somit nicht auftreten.

Einsatz duktiler mantelverpresster Gussrammpfähle

Als Gründungspfähle für die neuen Tunnelblöcke und die Traggerüstgründung im Bereich der Blöcke 1 bis 9 des neuen S-Bahn-Tunnels wurde ein mantelverpresstes Pfahlsystem (Hersteller: Tiroler Rohre GmbH, Hall/Österreich, Typ: TRM Duktilrammpfahl mit 170 Millimeter Durchmesser und 9 Millimeter Wanddicke; DIBt-Zulassungs-Nr. Z-34.25–230) mit einem Pfahlschuh (Durchmesser 270 Millimeter, Typ D) geplant und ausgeführt. Die Rammpfähle wurden planmäßig im und auf dem Travertin gegründet. Im Vorfeld waren statische Probebelastungen an zwei Rammpfählen ausgeführt und Pfahltragfähigkeiten und Rammkriterien ermittelt worden, die der Planung und Ausführung der Rammpfähle zugrunde gelegt wurden.

Herstellung der duktilen Gussrammpfähle im Bestandstunnel.

Foto: CDM Smith

Es wurden 398 Rammpfähle als dauerhafte Bauwerkspfähle ausgeführt. Weitere 90 Rammpfähle wurden entsprechend zum Lastabtrag temporärer Rüststützen hergestellt. Die Gussrammpfähle wurden von der Oberkante der Bestandsbodenplatte aus hergestellt. Zur Durchörterung der rund ein Meter mächtigen Bestandsbodenplatte wurden im Vorfeld Kernbohrungen mit einem Durchmesser von 0,45 Meter ausgeführt. Nach Herstellung der Gussrammpfähle und dem Rückbau der Bestandsbodenplatte erfolgte der Aushub der Teilbaugruben bis zum planmäßigen Gründungsniveau der neuen Tunnelblöcke. Die freigelegten Gussrammpfähle wurden dabei bis auf das erforderliche Niveau abgelängt .

Abgelängte Gussrammpfähle im Bestandstunnel.

Foto: CDM Smith

Die Autoren

  • Dr.-Ing. Martin Zimmerer, CDM Smith Consult, Ingersheimer Straße 10, 70499 Stuttgart, martin.zimmerer@cdmsmith.com
  • Dr.-Ing. Johannes Aschrafi, CDM Smith Consult, Ingersheimer Straße 10, 70499 Stuttgart, johannes.aschrafi@cdmsmith.com
  • Urban Mayer, Kurt Motz Baubetriebsgesellschaft Hoch-, Tief-, Straßen- und Spezialtiefbau GmbH & Co. KG, Ulmer Str. 29 + 31, 89257 Illertissen, mayer@kurt-motz.de
  • Sebastian Heer, DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH, Stresemannstraße 76, 70191 Stuttgart, sebastian.heer@deutschebahn.com

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