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Wiederverwenden statt deponieren 13.01.2022, 11:56 Uhr

Aushub-Abfall vermeiden mit Flüssigboden

Ein großer Anteil des deutschen Abfallaufkommens besteht aus Aushub. Ihn als „zeitweise fließfähigen selbstverdichtenden Verfüllbaustoff“ (ZFSV) wiederzuverwenden vermeidet Transportkosten, verringert den Bedarf für Deponierung und entlastet die Umwelt.

Der Einsatz von Flüssigboden schafft Anreize für eine ressourcenschonende Verfüllung, soweit eine gleichbleibende oder gesteigerte Baustoffqualität dauerhaft gewährleistet ist. Foto: Ingenieurgesellschaft Prof. Dr.-Ing. E. Macke

Der Einsatz von Flüssigboden schafft Anreize für eine ressourcenschonende Verfüllung, soweit eine gleichbleibende oder gesteigerte Baustoffqualität dauerhaft gewährleistet ist.

Foto: Ingenieurgesellschaft Prof. Dr.-Ing. E. Macke

55 Prozent des gesamten Abfallaufkommens in Deutschland bestehen laut Abfallbilanz 2019 des Statistischen Bundesamts aus Baureststoffen, also Bau- und Abbruchabfällen. Alleine 58 Prozent davon fallen als Boden, Steine und Aushub an. Diese Zahlen zeigen, was Planer am Bau in puncto Abfallvermeidung bewegen könnten, wenn nicht jeder Boden oder Aushub auf einer Deponie landen würde.

Mehr Nachhaltigkeit dank Abfallvermeidung

Eine Möglichkeit, dass Boden erst gar nicht als Abfall anfällt, sondern wiederverwendet werden kann, bietet der Einsatz zeitweise fließfähiger, selbstverdichtender Verfüllbaustoffe (ZFSV). Denn der umgangssprachlich auch als „Flüssigboden“ bezeichnete Verfüllbaustoff bietet einige Vorteile und Möglichkeiten im Hinblick auf Abfallvermeidung, weil sich durch ihn das Potenzial zur Wiederverwendung erschließen lässt.

So fällt beispielsweise bei der Einbettung von Ver- und Entsorgungsleitungen auf konventionelle Weise Bodenaushub an. „Dieser Aushub ist nach der im Paragraf 6 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes von 2012 (KrWG) geforderten Abfallhierarchie je nach Bedarf, Eignung und Verträglichkeit wiederzuverwenden“, betont Dr.-Ing. Jana Simon von den Geoingenieuren SOS aus Bochum. Oft werde allerdings der Bodenaushub vor der erneuten Befüllung kostenintensiv entsorgt und durch Schüttgüter ersetzt, soweit er sich als nicht ausreichend verdichtbar erweist, die Korngrößenverteilung nicht geeignet ist oder das Material sogar Verunreinigungen enthält.

Expertin für Flüssigboden: Die Bauingenieurin Dr.-Ing. Jana Simon arbeitet seit 2009 an ZFSV-Forschungsprojekten, ist seit 2012 Mitglied im Vorstand und Qualitätsausschuss der BQF und seit 2021 Geschäftsführerin der Geoingenieure SOS GmbH & Co. KG, Bochum.

Foto: Geoingenieure SOS

Wiederverwendung des Aushubs durch Um- und Zwischenlagerung

Bei Baumaßnahmen anfallender Bodenaushub kann einerseits aufbereitet nach „Technischen Lieferbedingungen für Böden und Baustoffe im Erdbau des Straßenbaus“ (TL BuB E-StB:2009) als Gesteinskörnung im ZFSV dem Baustoffkreislauf zurückgeführt werden (Recycling). In diesem Fall wird der Boden zwischenzeitlich zu Abfall, so Simon.

Alternativ kann er in situ gemäß Paragraf 2 des KrWG:2012 und Paragraf 12 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) von 1999 nach ZTV E-StB:2009 am Ursprungsort wieder eingebaut werden, ohne die Abfalleigenschaften zu durchlaufen (Wiederverwendung). Er wird in diesem Fall also nicht zu Abfall.

„Die Umlagerung und Zwischenlagerung des Bodens sowie eine Aufbereitung auf anderen Grundstücken ist dabei möglich, soweit das Material der Baumaßnahme jederzeit eindeutig zugeordnet werden kann“, erläutert Simon. „Dieses Vorgehen schließt die Wiederverwendung als Gesteinskörnung für Flüssigböden mit ein, soweit dadurch keine schädigenden Bodenveränderungen zu erwarten sind.“

Eingesparter Transport verbessert die CO2-Bilanz

In diesem Falle können nicht nur Ressourcen geschont und Deponiekosten eingespart werden, es entfallen auch zusätzliche Transportkosten für die Anlieferung von Schüttgütern und den Abtransport des Erdaushubs. Dies wiederum führt zu einer weiteren Verbesserung der CO2-Bilanz der jeweiligen Baumaßnahme. Der Einsatz von Flüssigboden schafft demnach Anreize für eine ressourcenschonende Verfüllung im geschlossenen Baustoff-Kreislauf, soweit eine gleichbleibende oder sogar gesteigerte Baustoffqualität dauerhaft gewährleistet ist.

Beton, Ziegel, Fliesen und Keramik (Bauschutt) müssen dagegen als RC-Gesteinskörnung nach TL BuB E-StB:2009 aufbereitet werden. Dann können sie ebenfalls – nach entsprechenden Eignungsnachweisen – für die Herstellung von Flüssigboden wiederverwendet werden“, erklärt Simon mit Blick auf das Regelwerk H ZFSV:2012.

Flüssigboden eignet sich gut, um schmale Arbeitsräume zu verfüllen.

Foto: Fischer Weilheim

Definierter Qualitätsstandard, aber noch ohne Normung

Um den bisher noch nicht genormten Baustoff Flüssigboden mit einer transparenten und zielgerichteten Qualitätssicherung einen Markt als Baustoff zu eröffnen, definiert die Bundesqualitätsgemeinschaft Flüssigböden e. V. (BQF) nach eigenen Angaben seit 2010 Richtlinien für die Qualitätssicherung, die in der Praxis umgesetzt werden sollen.

Mitglieder der BQF sind einerseits Unternehmen, die Flüssigböden herstellen, auf Baustellen liefern und einbauen, andererseits auch Firmen, die Mischtechnologien für die Flüssigbodenherstellung entwickeln und vertreiben oder Bindemittelsysteme vermarkten, die zur Herstellung von Flüssigböden notwendig sind. Darüber hinaus wirken Wissenschaftler und akkreditierte Prüfinstitute in der BQF mit.

Die Vereinsmitglieder arbeiten laut BQF an der Entwicklung eines Regelwerkes mit dem Titel „Hinweise für die Erstellung und Verwendung von zeitweise fließfähigen selbstverdichtenden Verfüllbaustoffen im Erdbau“ (H ZFSV, FGSV-Nr.: 563) bei der Forschungsgesellschaft Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) mit und unterstützen praxisrelevante Forschungsvorhaben.

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Von BQF / Karlhorst Klotz