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Beton als dauerhafter CO2-Speicher 06.07.2023, 18:58 Uhr

Größte Anlage der Schweiz zur CO2-Speicherung in Abbruchbeton in Betrieb

Als weltweit erstes Unternehmen deponiert ein Schweizer Unternehmen Kohlenstoffdioxid durch Mineralisierung dauerhaft in Abbruchbeton.

Die Partner Alluvia, Neustark und Vigier vor der Speicheranlage in Biberist – vertreten durch die Projektleiter Gerd Aufdenblatten, Erik Turner und Bruno Stettler (v.l.n.r.). Foto: Neustark

Die Partner Alluvia, Neustark und Vigier vor der Speicheranlage in Biberist – vertreten durch die Projektleiter Gerd Aufdenblatten, Erik Turner und Bruno Stettler (v.l.n.r.).

Foto: Neustark

Mit der Großanlage zur CO2-Speicherung in Biberist (bei Solothurn nördlich von Bern) hat die Neustark AG am am 5. Juli 2023 zusammen mit seinen Partnern bisher neun solcher Anlagen in der ganzen Schweiz in Betrieb genommen. Das 2019 als Spin-off der ETH Zürich gegründete Schweizer Climate-tech-Unternehmen mit Sitz in Bern hat sich in den letzten drei Jahren von ersten Tests über Prototypen bis hin zu einem Netzwerk von Abscheidungs- und Speicheranlagen entwickelt.

Einlagerungskapazität von 1000 Tonnen pro Jahr

Die erste stationäre Anlage, die Kohlenstoffdioxid in Abbruchbeton speichert, ging vor weniger als einem Jahr in Betrieb. Seither sind acht weitere Anlagen entstanden, die bereits täglich Tonnen von CO2 entfernen.

Die neu in Betrieb genommene Anlage ist die bisher größte: Sie hat eine Speicherkapazität von rund 1000 Tonnen CO2 pro Jahr. Zwei Schweizer Abbruchrecycling- und Betonproduktionsunternehmen, die Alluvia AG und die Vigier Beton, haben gemeinsam mit Neustark dieses Projekt geplant und betreiben nun die Anlage. Sie wurde auf einem großen Abbruchgelände (Papierfabrik in Solothurn) gebaut, um einen direkten Zugang zum Abbruchbeton zu ermöglichen.

Kohlenstoffdioxid dauerhaft speichern

Das Start-up-Unternehmen verwendet eine Mineralisierungstechnologie zur dauerhaften Bindung von Kohlenstoffdioxid an Beton aus Abbruchprojekten. Mit über eine Milliarde Tonnen pro Jahr ist Abbruchbeton der größte Abfallstrom der Welt. Neustark hat eine Technologie und eine Wertschöpfungskette entwickelt, die diesen Abfallstrom in eine „Senke“ für CO2-Emissionen aus der Atmosphäre verwandeln kann.

Dabei wird CO2 aus Biogasanlagen abgeschieden und zu nahe gelegenen Speicheranlagen transportiert, wo das CO2 während des Recyclingprozesses in das Granulat von Abbruchbeton injiziert wird. Die Technologie von Neustark löst nach Unternehmensangaben einen Mineralisierungsprozess aus, bei dem das CO2 in Kalkstein umgewandelt und so an die Poren und die Oberfläche des Granulats gebunden wird. Das CO2 wird dauerhaft im Abbruchbeton gespeichert und so der Atmosphäre entzogen.

Aufbau einer Wertschöpfungskette

Das Unternehmen hat dafür eine Wertschöpfungskette mit drei Abschnitten etabliert: Es arbeitet

  • mit Biogasanlagen zusammen, um von ihnen CO2 abzufangen,
  • mit Baustoffrecyclern, um bei ihnen CO2 zu speichern sowie
  • mit Unternehmen mit ehrgeizigen Klimazielen, die die CDR-Zertifikate (Carbon Dioxide Removal) erwerben.

Das mit injiziertem CO2 versehene Betongranulat kann dann wie üblich von den Recyclern zum Bau von Straßen oder zur Herstellung von neuem Recyclingbeton verwendet werden.

Skalierung für mehr Wirkung

„Neustark hat als erstes Unternehmen in der Praxis gezeigt, dass die dauerhafte CO2-Speicherung durch Mineralisierung in Betonabbruch wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll ist“, sagt Johannes Tiefenthaler, Gründer und Co-CEO von Neustark, der im Rahmen seiner Doktorarbeit an der ETH Zürich ein Verfahren entwickelte, mit dem dauerhaft in Beton gespeichert werden kann. Mit den neun bereits in Betrieb befindlichen Speicheranlagen des Unternehmens in der Schweiz werden täglich Negativemissionen erzeugt; weitere Anlagen befinden sich nach seinen Worten derzeit im Bau.

So werden in Deutschland, Österreich und Frankreich verschiedene Anlagen zur punktuellen Abscheidung und Speicherung von CO2 gebaut, und es wurden weitere Partnerschaftsvereinbarungen unterzeichnet. Zu den CDR-Kunden des Unternehmens gehören UBS, Microsoft und Verdane.

Bisher 300 Tonnen CO2 gespeichert

In den ersten Monaten seines Betriebs hat Neustark laut Unternehmensangaben bereits mehr als 300 Tonnen CO2 dauerhaft gespeichert. Pro Tonne Abbruchbeton deponiert die Technologie etwa 10 kg CO2. Eine Anlage könne so in einer Stunde das leisten, wofür 50 Bäume ein Jahr brauchen.

Die neueste Speicheranlage in Biberist (Schweiz) wurde am 5. Juli 2023 im Rahmen einer Veranstaltung von Neustark, Alluvia und Vigier eingeweiht. „Dank unserer Mineralisierungstechnologie und der Wertschöpfungskette von der Abscheidung bis zur Speicherung ist Neustark ein Pionier bei der dauerhaften Entfernung von Kohlenstoff“, freut sich Valentin Gutknecht, Gründer und Co-CEO des Start-up-Unternehmens.

Die neue Großanlage zur CO2-Speicherung in Biberist (Schweiz).

Foto: Neustark

Die 2019 gegründete Neustark AG hat ihren Sitz in Bern und besteht derzeit aus einem Team von rund 45 Personen.

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Von Neustark / Karlhorst Klotz