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Carbon2Business-Projekt 20.01.2023, 11:18 Uhr

Fast 110 Millionen Euro EU-Förderung für klimaneutrales Zementwerk in Schleswig-Holstein

Einen großen Schritt in Richtung Zementwende könnte die geplante Kohlendioxid-Abscheideanlage für das Zementwerk von Holcim in Lägerdorf bedeuten, für deren Finanzierung nun die Förderurkunde offiziell übergeben wurde.

Visualisierung der geplanten neuen Oxyfuel-Ofenlinie (blau) in der bestehenden Anlage in Lägerdorf (Schleswig-Holstein). Grau markiert ist der Bestand, gelb die Anlage für die CO2-Abscheidung und grün die Luftzerlegeanlage. Foto: Holcim

Visualisierung der geplanten neuen Oxyfuel-Ofenlinie (blau) in der bestehenden Anlage in Lägerdorf (Schleswig-Holstein). Grau markiert ist der Bestand, gelb die Anlage für die CO2-Abscheidung und grün die Luftzerlegeanlage.

Foto: Holcim

Mit 109,8 Millionen Euro fördert die Europäische Union (EU) das Innovationsprojekt Carbon2Business von Holcim in Lägerdorf (Schleswig-Holstein). Die Mittel der EU dienen dem Bau einer neuen Ofenlinie. Als ein Prototyp im industriellen Maßstab für die Dekarbonisierung der Zementproduktion nutzt der Ofen die Oxyfuel-Technologie der zweiten Generation sowie eine nachgeschaltete Kompressions- und Reinigungseinheit für das CO2. Erst kürzlich hatten wir über ein ähnliches Projekt (die Zementproduktion mit CO2-Abscheidung im Industrie-Maßstab in Mergelstetten) berichtet.

Insgesamt 1,8 Milliarden Euro aus dem EU-Fonds

Das Projekt Carbon2Business ist eines von zwei Projekten in Deutschland sowie 17 Projekten insgesamt, die die EU mit 1,8 Milliarden Euro aus dem Innovationsfonds fördert. Holcim selbst investiert einen dreistelligen Millionenbetrag in das Projekt.

„Wir entwickeln unser Werk in Schleswig-Holstein zu einem Vorreiter der grünen Zementproduktion. Das ist ein technologischer Leuchtturm mit internationaler Strahlkraft“, sagte Thorsten Hahn, CEO von Holcim Deutschland, am Rande der Financing Innovation Clean Tech Conference, in deren Rahmen die Übergabe der Förderurkunden erfolgte. „Die Förderung der EU ist ein wichtiger Meilenstein und ermöglicht uns, die Zementwende entschieden voranzutreiben.“

Thorsten Hahn, CEO von Holcim Deutschland, während der Zeremonie in Brüssel zum offiziellen Projektstart für Carbon2Business.

Foto: Holcim

Unabhängige Sachverständige haben nach Angaben von Holcim im Rahmen des EU-Auswahlverfahrens unter anderem bewertet, inwieweit die zu fördernden Projekte im Vergleich zu herkömmlichen Technologien Treibhausgas senken und über den Stand der Technik hinausgehende Innovationen schaffen können. Auch der Reifegrad, die Skalierbarkeit und die Kostenwirksamkeit gehörten zu den Auswahlkriterien.

Kohlendioxid als Rohstoff für andere Industrien

Holcim setzt auf die Thyssenkrupp Industrial Solutions AG als Technologiepartner für das Projekt, bei dem Kohlendioxid aus dem Zementwerk Lägerdorf zu einem Rohstoff für andere Industrien wird. „Der Erfolg der Energiewende entscheidet sich auch mit der Frage nach einer nachhaltigen, das heißt CO2-neutralen, Produktion von Baustoffen“, sagt Pablo Hofelich, CEO der Business Unit Polysius bei Thyssenkrupp Industrial Solutions. Die in seinem Unternehmen bereitgestellte Pure-Oxyfuel-Technologie werde ein wesentlicher Teil der Antwort sein und so zum Gelingen der grünen Transformation der Zementindustrie beitragen.

Bei dem Oxyfuel-Verfahren wird statt der Umgebungsluft reiner Sauerstoff in den Verbrennungsprozess des Zementofens eingespeist. Der dafür benötigte Sauerstoff stammt aus Elektrolyse-Vorhaben, bei denen Industriepartner Wasser mit Strom aus erneuerbaren Energien zu Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten wollen. Im Ergebnis entsteht beim Oxyfuel-Verfahren im Zementofen sehr reines CO2, das abgeschieden und anschließend durch Methanolsynthese zu Methanol verarbeitet oder als Grundstoff für die chemische Industrie aufbereitet wird, um damit zum Beispiel Kunststoffe herzustellen.

Für die Aufbereitung des abgeschiedenen Kohlendioxids arbeitet Holcim nach eigenen Angaben mit Spezialisten von Linde Engineering zusammen. Durch die Verfahren lasse sich allein am Standort Lägerdorf jährlich der Ausstoß von 1,2 Millionen Tonnen CO2 vermeiden.

Vom Treibhausgas zum Rohstoff

„Gemeinsam mit unseren Partnern entwickeln wir an Schleswig-Holsteins Westküste und an unserem Standort in Lägerdorf ein effizientes Kreislaufkonzept im Rahmen einer innovativen Wasserstoffwirtschaft, das der Zementindustrie und anderen Branchen weltweit als Vorbild dienen kann“, erklärt Arne Stecher, Leiter Dekarbonisierung bei Holcim Deutschland. „Durch innovative Technologie gelingt es uns erstmals, das CO2 nahezu vollständig abzuscheiden. Dadurch lässt es sich veredeln und letztlich als Rohstoff in der Industrie nachhaltig weiterverwenden.“

Das Werk Lägerdorf bei Nacht.

Foto: Holcim

Inbetriebnahme für 2029 geplant

Mit der Übergabe der Förderurkunde und der Zeremonie in Brüssel ist der offizielle Projektstart für Carbon2Business erfolgt. Zwischen Ende 2023 und 2024 plant Holcim, die Planunterlagen für den Bau des Oxyfuel-Ofens einzureichen.

Mit einer Genehmigung des Baus wird bis Ende 2024 gerechnet. Bis 2029 kann damit in Lägerdorf eines der ersten klimaneutralen Zementwerke der Welt in Betrieb gehen.

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Von Holcim / Karlhorst Klotz