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Klimagerechtes Bauen 26.04.2023, 13:07 Uhr

Grüner Beton soll Standard werden

Verfahren und Technologien für mehr Nachhaltigkeit und CO2-Reduzierung bei der Produktion von Baustoffen stehen immer mehr im Fokus von Herstellern und Anwendern.

Austrag der gebrannten leichten Gesteinskörnungen aus dem Drehrohrofen: Energieeinsparungen sind durch den Einsatz von Ziegelabfällen und Mauerwerksbruch gegenüber den Primärbaustoffen möglich, wenn man sie in thermischen Prozessen verwertet. Foto: IAB

Austrag der gebrannten leichten Gesteinskörnungen aus dem Drehrohrofen: Energieeinsparungen sind durch den Einsatz von Ziegelabfällen und Mauerwerksbruch gegenüber den Primärbaustoffen möglich, wenn man sie in thermischen Prozessen verwertet.

Foto: IAB

Der derzeitige Entwicklungsstand und die technischen Möglichkeiten für die nachhaltigere Produktion von Beton waren Themen des VDMA-Baustoffanlagentages, der im März 2023 bei der IAB Institut für Angewandte Bauforschung gGmbH in Weimar über aktuelle Projekte, Initiativen und Forschungsergebnisse informierte.

Mahltechnologie im Fokus

So beschäftigt sich die Loesche GmbH aus Düsseldorf im Anlagenengineering mit Mahltechnologie für die Rohstoffindustrie und speziell mit kalzinierten Tonen und deren Aufbereitung. Neue Verfahren, in denen Stahlwerksschlacke aktiviert oder Beton aus Abbrüchen aufbereitet wird und in denen alternative Brennstoffe und Wasserstoff als Brennstoff der Zukunft eingesetzt werden, führen laut Unternehmensangaben allesamt zum gewünschten Ziel einer Reduktion der CO2-Emissionen bei der Herstellung von Beton – ein Baustoff, von dem die Menschheit derzeit weltweit 33,6 Milliarden Tonnen im Jahr benötige.

Energieintensiven Klinker so weit wie möglich durch kalzinierte Tone zu ersetzen sei dabei ein mittelfristiger Lösungsansatz. Je nach benötigter Betondruckfestigkeit könne die gezielte Mahlung Energie sparen. Versuche im IAB mit einer separaten und gemeinsamen Mahlung von Klinker/Gips, kalziniertem Ton und Kalkstein zeigten, dass eine gemeinsame Mahlung zwar energieeffizienter ist, die Zementfestigkeitsklasse 42,5 R aber nur mit separater Mahlung erreicht werden kann. Alle Untersuchungen dazu (Zement, Mörtel und Beton) wurden mit einem LC3–50 Zement durchgeführt, mit einem nur 50-prozentigen Klinkeranteil.

Mahlanlage: Zahlreiche Aspekte sind beim Mahlen von Ton zu berücksichtigen, um die bestmögliche Qualität zu erreichen.

Foto: Loesche

Pilotanlagen für Kalzinierungstechnologien

Der Gastgeber IAB informierte in Weimar über seine neuesten Versuche mit Kalzinierungstechnologien. Mit thermischer Anlagentechnik – beispielsweise einem Pilot-Drehrohrofen – erprobt das Institut Verfahren, mit denen der Klinker als primärer CO2-Verursacher im Beton ersetzt werden kann.

Um der Industrie eine Plattform für industrielle Versuche bieten zu können, erweitert das IAB seine Gerätestruktur um eine Pilot-Flash-Kalzinierungsanlage und einen Pilot-Wasserstoffofen, die sich derzeit noch im Bau befinden.

Drehrohrofen im Technikum der IAB Weimar.

Foto: IAB

Spart die Verwertung von Bauabfällen Energie?

Die Wissenschaftler in Weimar beschäftigen sich darüber hinaus auch mit der Entwicklung von Verwertungswegen für Bauabfälle. Denn Bodenaushub gehört mit 130 Millionen Tonnen pro Jahr zusammen mit Bau- und Abbruchabfälle mit 89 Millionen Tonnen pro Jahr mengenmäßig zu den die dominierenden Abfallarten in Deutschland (Quelle: BBS-Zahlenspiegel 2022, Destatis). Dabei werde auch die bisher kaum gestellte Frage betrachtet, ob sich dabei Energie einsparen lasse.

Aufgrund seiner thermoplastischen Eigenschaften ermöglicht das im Asphaltaufbruch beziehungsweise Asphaltfräsgut vorhandene Altbitumen die Einsparung von neuem Bitumen und damit potenziell erheblicher Energiemengen. Bei Abfällen der mineralisch gebundenen Baustoffe Beton, Kalksandstein und Porenbeton zeigen Untersuchungen zurzeit jedoch keine Energieeinsparungen, die sich aus den Baustoffeigenschaften oder dem Ablauf der Herstellung ergeben.

Mauerwerksbruch als Ausgangsmaterial für die Herstellung von leichten Gesteinskörnungen.

Foto: IAB

Energieeinsparungen bei Ziegelabfällen und Mauerwerksbruch

Möglich seien Energieeinsparungen jedoch bei Ziegelabfällen und Mauerwerksbruch gegenüber den Primärbaustoffen, wenn man sie in thermischen Prozessen verwertet. Beispiele sind ein partieller Rohstoffersatz bei der Ziegelherstellung oder die Herstellung von leichten Gesteinskörnungen unter Verwendung von Mauerwerksbruch anstelle von Ton.

Die Herstellungstechnologie für die leichten Gesteinskörnungen wurde am IAB entwickelt und im Pilotmaßstab erprobt (siehe auch Bild ganz oben). Damit rücke der nächste Schritt – die Errichtung und der Betrieb einer technischen Anlage – in greifbare Nähe.

Erzeugte leichte Gesteinskörnungen aus Mauerwerksbruch.

Foto: IAB

Einsatz von Wasserstoff in der Baustoffindustrie

Am Hyson (Institut für Angewandte Wasserstoffforschung Sonneberg gGmbH) geht es unter anderem um die Grundlagen und technischen Herausforderungen beim Einsatz von Wasserstoff in der Baustoffindustrie. Das Institut sieht potenzielle künftige Anwendungen in der großindustriellen Stahlerzeugung mittels Direktreduktion, in der dezentralen Methanisierung zur Dekarbonisierung CO2-intensiver Prozesse und in der Dekarbonisierung der Glas- sowie der Keramikindustrie.

Dabei müsse untersucht werden, wie hoch der Beitrag von Wasserstoff ist und wie sich Wasserstoff-Flammen auf die Produktqualität auswirken. Notwendige Brennerkomponenten und entsprechende Peripherien müssen entwickelt werden.

Nachhaltig produzierter Kalk

Ein weiteres Thema ist die Herstellung von „grünem“ Kalk, die im Wesentlichen auf drei Schritten beruht:

  • Im Kalkofen wird der Kalk elektrisch in einer CO2-Atmosphäre gebrannt, wodurch ein sehr reines Kohlendioxid-Abgas entsteht.
  • Dieses Abgas wird mit Wasserstoff vermischt und in einem Methanisierungsreaktor durch Mikroorganismen zu Methan und Wasser umgesetzt.
  • Mittels Pyrolyse lässt sich das Methan unter großer Hitze in einem Zinnbad in seine Bestandteile zerlegen: Wasserstoff und Kohlenstoff. Dieser Wasserstoff kann dann zur Substituierung von teurem Elektrolysewasserstoff in den Methanisierungsprozess zurückgeführt werden.

Das Projektkonzept des Instituts für Angewandte Wasserstoffforschung Sonneberg.

Foto: Hyson

Netzwerken für klimaneutrales Bauen

Gelegenheit, sich auf dem Baustoffanlagentag vorzustellen, hatte die Solid Unit, ein junger Verein für den Massivbau. 2019 in Baden-Württemberg initiiert, wurde das Netzwerk am 7. September 2022 von Unternehmen und Institutionen gemeinsam auf Bundesebene gegründet. Es versteht sich als Motor für klimaneutrales Bauen mit dem Ziel, die Herstellung CO2-reduzierter Baustoffe mit entsprechenden Fertigungstechniken, einem nachhaltigen Ressourcenmanagement und Wissenstransfer zu unterstützen und damit den Massivbau zu fördern.

Die Organisation nutzt nach eigenen Angaben zur Kommunikation auch PR-Kanäle, veranstaltet Seminare und führt politische Gespräche, um auf technische Entwicklungen, Möglichkeiten und bereits umgesetzte Projekte mit nachhaltigen Baustoffen aufmerksam zu machen. Arbeitsschwerpunkte seien beispielsweise serielles und modulares Bauen, BIM, CO2-reduzierter und kreislaufgerechter Beton sowie R-Beton.

Fazit: Wird Rosa das neue Öko-Siegel?

Die Architektur werde sich an der einen oder anderen Stelle umgewöhnen müssen, lautete ein Fazit der Veranstaltung. Denn je nach Mischungsverhältnis könne sich bei umweltfreundlichem Beton die Farbe im Vergleich zum gewohnten Erscheinungsbild ändern – sogar rosa Farbtöne sind möglich. Aber genau das könnte zukünftig als „grünes“ Gütesiegel gelten.

Eine Besichtigung des IAB-Technikums und ein Besuch bei der Netzsch Taurus Instruments GmbH rundeten am zweiten Tag die Veranstaltung ab.

Der nächste VDMA-Baustoffanlagentag soll im Frühjahr 2024 stattfinden.

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Von VDMA- Fachverband Baumaschinen und Baustoffanlagen / Karlhorst Klotz