Energiekrise 02.11.2022, 09:18 Uhr

Deindustrialisierung: ist die Industrieflucht noch zu verhindern?

Früher hat man viel von der drohenden Deindustrialisierung gesprochen, jetzt stellt sich die Frage ganz anders – kann man sie noch stoppen?

Ludwigshafen

Wegen der Energiekrise steht auch der Chemiekonzern BASF unter Druck.

Foto: PantherMedia / firn

Durch die aktuelle Kostenexplosion im Energiebereich verliert Deutschland wichtige Bereiche der Wirtschaft und der Industrie, denn viele Wirtschaftlichkeitsrechnungen gehen nicht mehr auf. All das trägt zu Panikstimmung bei, sowohl in der deutschen Wirtschaft als auch bei den Verbrauchern.

Die Deindustrialisierung geistert durch Medien, soziale Netzwerke und Foren. Doch nun scheint es, dass Deindustrialisierung kein Schreckgespenst mehr ist, sondern sie längst in Deutschland angekommen ist.

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Viele Warn- und Hilferufe von allen Seiten

„Die Lage ist dramatisch. Vor allem im Mittelstand stehen viele Unternehmer mit dem Rücken zur Wand, und zwar fast ausschließlich wegen der exorbitant gestiegenen Energiekosten. Einige berichten uns, dass sie vor der Wahl zwischen Pest und Cholera stehen, was ihre Strom- und Gasversorgung im nächsten Jahr angeht. Entweder sie nehmen die Konditionen an, die ihnen ihr Versorger bietet, obwohl sie die Preise absehbar nicht werden zahlen können. Oder sie stehen zum Jahresende ohne Vertrag da. Beides wird dazu führen, dass sie ihre Produktion mindestens drosseln, wenn nicht vorübergehend ganz abstellen müssen“, sagte Markus Steilemann, der Präsident des Chemieverbands VCI in einem Interview mit FAS.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hat vor Produktionsstopps bei Unternehmen gewarnt. „Quer durch die Branchen erreichen uns täglich Hilferufe von Unternehmen, die für das kommende Jahr keinen Energieversorgungsvertrag mehr bekommen. Wenn hier keine Lösung gefunden wird, stehen zum Jahreswechsel Teile unserer Wirtschaft still“, warnte DIHK-Präsident Peter Adrian.

„Die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland dürfte 2022 um 2,5% und im Jahr 2023 um rd. 5% schrumpfen. Die größten Rückgänge sind in den energieintensiven Industrien zu erwarten. Wenn wir in etwa zehn Jahren auf die aktuelle Energiekrise zurückblicken werden, könnten wir diese Zeit als Ausgangspunkt für eine beschleunigte Deindustrialisierung in Deutschland betrachten“, heißt es auch in einer aktuellen Analyse der Deutschen Bank. Ja, die „Energiekrise trifft die Industrie bis ins Mark“, so heißt nämlich die Analyse und der Titel ist mehr als zutreffend, um die aktuelle Situation zu beschreiben.

Deindustrialisierung „Made in Germany“

Es gibt viele weitere Stimmen dazu, die man zitieren kann, und mit jedem Tag werden sie lauter. Die Deindustrialisierung ist in Deutschland angekommen. Die Zeit, eine plausible Lösung zu finden, rennt davon, was gravierende Konsequenzen für die ganze deutsche Wirtschaft haben kann und das seit Jahren angesehenen Label „Made in Deutschland“ wackeln lässt.

Vor allem die energieintensiven Branchen wie Chemie, Glas, Papier oder Metall haben es in dieser Zeit besonders schwer gehabt. Durch die explodierenden Energiepreise sind sie dazu gezwungen, ihre Produktion zu drosseln, um anfallende Kosten zu sparen. Es wird auch zunehmend an Mitarbeitern gespart, bzw. immer mehr Unternehmen haben vor, Arbeitsplätze abzubauen. So haben in einer Umfrage im Auftrag der „Stiftung Familienunternehmen“ 25 Prozent der Unternehmen angegeben, einen Arbeitsplatzabbau zu planen.

Verlagerung der Produktionen ins Ausland

Gleichzeitig verlagern viele Unternehmen ihre Produktion dorthin, wo Energiekosten, niedriger sind – also ins Ausland. Mit anderen Worten: Auch dadurch wird Deindustrialisierung nicht mehr eingeleitet, sondern eher beschleunigt.

„Diese fatale Entwicklung am Standort Deutschland beschleunigt sich. Die Unternehmen fahren die Fertigung in Deutschland zurück oder verlagern ihre Produktion dorthin, wo Energiekosten, Steuern und Bürokratielasten niedriger sind“, sagte Rainer Kirchdörfer, Vorstand der „Stiftung Familienunternehmen“ und Politik.

In dem aktuellen Energiewendebarometer des Industrie- und Handelskammertags (BIHK) erklärten 44 Prozent der 500 befragten bayerischen Firmen, dass sie in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig seien. In der Industrie waren es sogar 63 Prozent. „Unser Wirtschaftsstandort ist in großer Gefahr“, kommentierte BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl die Ergebnisse dieser Umfrage.

Standort Deutschland bedroht?

Werden ganze Branchen verschwinden? Es ist eine Frage, die viele demnächst häufig beschäftigen wird. Bereits jetzt, wenn man die Schlagzeilen liest, wird deutlich, dass vor allem die Autoindustrie davon betroffen ist. Kann nun die Energiekrise gar die deutsche Autoindustrie aus Deutschland vertreiben?

Diese Branche hat viel in den letzten Jahren durchgemacht: Corona-Krise, Chipmangel, Probleme mit den Lieferketten – und jetzt kommt obendrauf die Energiekrise.

Der Volkswagen-Konzern erwägt die Verlagerung der Produktion weg aus solchen Ländern, die von russischem Gas abhängig sind.
BMW will in den USA seinen Standort Spartanburg (South Carolina) mit 1,7 Milliarden US-Dollar massiv zur Herstellung von Batterien wie neuer Elektromodelle ausbauen.

Bei den anderen Branchen sieht es nicht besser aus. Wie dpa mitteilte, hat z.B. Europas größter Stahlkonzern Arcelormittal ab Oktober im Norden zwei Anlagen gestoppt. Im Hamburger Langstahlwerk soll die Direktreduktionsanlage außer Betrieb genommen werden. Am Flachstahlstandort Bremen wird einer von zwei Hochöfen bis auf weiteres stillgelegt.

Der Aluminiumhersteller Trimet hat die Produktion an seinen Hüttenstandorten Essen, Voerde (NRW) und Hamburg bereits im Oktober 2021 gedrosselt. „Das derzeitige Strompreisniveau sorgt dafür, dass die Kosten für die Herstellung von Aluminium in einem Maße gestiegen sind, dass sich keine kostendeckende, geschweige denn Gewinn bringende Produktion bewerkstelligen lässt“, hieß es in einer von dpa zitierten Mitteilung des Unternehmens.

Seit Anfang Oktober gilt Kurzarbeit auch bei ArcelorMittal (einem der größten Stahlhersteller der Welt) an deutschen Standorten. Wenn sich die Situation nicht ändert, müsse auch über Verlagerung der Produktion nachgedacht werden, dorthin, wo die Energiekosten nicht so hoch wie in Deutschland und Europa sind – Kanada zum Beispiel.

Auch der Kunststoffhersteller Covestro wird bei der anhaltenden Krise keine Investitionen in Europa mehr tätigen. In Asien seien Energiepreise 20-mal günstiger als auf dem deutschen und europäischen Spotmarkt.

BASF legt ein Sparprogramm vor und geht weiter nach China

Wegen der Energiekrise steht auch der Chemiekonzern BASF unter Druck. Grund dafür sind verschlechterte Geschäfte und schwierigere Rahmenbedingungen in Europa. Deshalb legte die BASF-Führung ein Sparprogramm auf, das die jährlichen Kosten außerhalb der Produktion um 500 Millionen Euro senken soll. Besonders betroffen sei demzufolge der Standort Ludwigshafen, dort sind rund 39 000 der weltweit etwa 111 000 BASF-Mitarbeiter beschäftigt. Das Unternehmen schließt Stellenstreichungen nicht aus. Das heißt: Der Standort Ludwigshafen ist international nicht mehr konkurrenzfähig. Fallen diese Arbeitsplätze weg, wird es zu einem Problem auch für die Stadt insgesamt.

„Diese herausfordernden Rahmenbedingungen in Europa gefährden die internationale Wettbewerbsfähigkeit europäischer Produzenten“, sagte der BASF-Chef Martin Brudermüller. In China hingegen hat der Konzern ein enorm profitables Geschäft. Deshalb plant der Konzern ein weiteres Werk in Zhanjiang. Man spricht sogar von zehn Milliarden Euro Investitionen für den neuen Verbundstandort China. „Wir kommen in der Summe zum Schluss, dass es vorteilhaft ist, unser Engagement dort auszubauen.“

Kollateralschaden durch Deindustrialisierung für deutsche Städte?

Dass an einzelnen Standorten von den großen Konzernen durch die Verlagerung der Produktionen ins Ausland viele Arbeitsplätze verloren gehen, ist nicht wegzudiskutieren. Aber auch kleinere Unternehmen können die steigende Preise nicht mehr stemmen, so dass man auch da eine Pleitewelle zu befürchten hat, was dramatische Auswirkungen für viele deutsche Städte mit sich bringt. Mit anderen Worten: Ein Domino-Effekt der Energie-Krise könnte immer weitere Branchen lahmlegen.

Es sind nur einige Beispiele für die gravierende Lage der Industrie, doch auch damit ist eigentlich alles gesagt, bzw. damit nimmt das Schreckengespenst Deindustrialisierung reale Züge ein.

Kann Fracking Deindustrialisierung verhindern?

Im Zuge der voranschreitenden Deindustrialisierung werden Rufe nach einer erneuten Prüfung der umstrittenen Methode Fracking lauter. So hat sich die deutsche Industrie für eine Erdgasförderung in Deutschland durch das umstrittene Fracking-Verfahren ausgesprochen, um unabhängiger von Rohstoffimporten zu werden. Auch FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner plädiert mittlerweile für eine rasche Aufhebung des Verbots. So könne Deutschland unabhängiger von teuren Gasimporten werden.

Allerdings halten der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an dem Verbot der Methode fest und lehnen einen Einstieg ins Fracking dagegen ab. Im Fracking-Verfahren wird Gas oder Öl mit Hilfe von Druck und Chemikalien aus Gesteinsschichten herausgeholt. Allerdings kann es die Umwelt bzw. die Trinkwassergewinnung gefährden.

 

 

 

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Content-Managerin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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