Containerschiff in Norwegen außer Kontrolle: Ursache gefunden
In Norwegen verfehlt ein Containerschiff ein Haus nur knapp: Der Steuermann war kurz eingeschlafen. Wie kann ein Schiff noch außer Kontrolle geraten?

Wie kommt das Containerschiff in den Vorgarten eines Norwegers? Wir schauen uns die verschiedenen Möglichkeiten an.
Foto: picture alliance / NTB/Jan Langhaug
Ein 135 Meter langes Containerschiff ist im norwegischen Trondheimfjord nur wenige Meter neben einem Wohnhaus gestrandet. Der Schiffsführer war eingeschlafen. Generell wirft der Fall die Frage auf, wie moderne Frachtschiffe außer Kontrolle geraten können. Technisches oder menschliches Versagen, Wetter oder externe Einflüsse können eine Rolle spielen. Unterdessen konnte das Containerschiff geborgen werden.
Update 27. Mai: Frachter wieder frei
Meldung vom 23. Mai: Ein Frachter auf Abwegen
Es war ein ruhiger Donnerstagmorgen, als Johan Helberg aus Trondheim unsanft geweckt wurde. Der Grund: Ein 135 Meter langes Containerschiff hatte sich seinen Weg bis in seinen Vorgarten gebahnt. „Wir sind aufgewacht, als der Nachbar laut geklingelt hat. Er sagte: Habt ihr das Schiff gesehen?“, erzählte Helberg dem norwegischen Rundfunksender NRK.
Beim Blick aus dem Fenster bot sich ihm ein Bild, das eher an einen Katastrophenfilm erinnerte als an einen typischen Fjordmorgen. „Das war völlig absurd. Als ich aus dem Fenster schaute, stand dort ein riesiger Schiffsbug.“
Nur Meter vom Wohnhaus entfernt
Wie knapp das Schiff Helbergs Haus verfehlte, zeigen Fotos und Videos lokaler Medien. Wäre es nur wenige Meter weiter rechts gestrandet, hätte es das Gebäude direkt getroffen. So blieb es bei einem Sachschaden an der Leitung der Wärmepumpe – und einem großen Schrecken für die Familie. Die Besatzung kam glücklicherweise ebenfalls mit dem Schrecken davon. Von einer Umweltgefahr durch auslaufendes Öl geht laut NRK keine Gefahr aus. Das Schiff soll mit der nächsten Flut wieder freigeschleppt werden.
Bente Hetland, geschäftsführende Direktorin der Reederei NCL, reagierte betroffen: „Sowas sollte natürlich nicht passieren, und wir müssen herausfinden, warum das passiert ist.“
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«Docking» of feeder NCL Salten this night outside Trondheim. 😅😬#crash #shipping #seamen #mastermariner #Norway #navigation #Trondheim #ship pic.twitter.com/J8nWxSp4P8
— Shippinginvestor 💵 (@ShipandOil) May 22, 2025
Technisches oder menschliches Versagen?
Wie kann es passieren, dass ein tonnenschweres Frachtschiff seine geplante Route derart verlässt? Fachleute nennen verschiedene mögliche Ursachen.
Ein typischer Grund ist technisches Versagen. Dazu zählen Probleme mit dem Ruder, Ausfälle der Hauptmaschine oder der Navigationssysteme. Auch ein Stromausfall – ein sogenannter Blackout – kann dazu führen, dass Radar, Kommunikation und Steuerung nicht mehr funktionieren.
Aber auch menschliches Versagen ist denkbar: Fehlentscheidungen auf der Brücke, Übermüdung oder eine unzureichende Ausbildung der Crew können fatale Folgen haben. In seltenen Fällen spielen auch Alkohol oder Drogen eine Rolle. Mittlerweile ist klar, dass der norwegische Schiffsführer kurz eingenickt war.
Naturgewalten als Unsicherheitsfaktor
Wetterbedingungen beeinflussen die Steuerfähigkeit eines Schiffes erheblich. Starker Wind, hohe Wellen oder plötzliche Strömungen können das Schiff aus der Spur bringen. Besonders in Fjorden, wo das Fahrwasser oft schmal ist, können kleine Abweichungen große Auswirkungen haben.
Auch Sichtbehinderungen durch Nebel oder Schneefall erschweren die Navigation. In arktischen Regionen kommt das Risiko von Eisgang oder Vereisung hinzu.
Externe Einflüsse und moderne Risiken
Kollisionen mit anderen Schiffen oder das Auflaufen auf ein unbekanntes Hindernis können ein Schiff ebenfalls manövrierunfähig machen. Zudem geraten digitale Systeme zunehmend ins Visier von Hackerangriffen. Cyberattacken könnten auch bei diesem Fall eine Rolle spielen, wenngleich es dafür bislang keine Hinweise gibt.
Ein oft unterschätzter Risikofaktor ist die falsche Ladungssicherung. Verrutschen Container oder verlagert sich flüssige Ladung in Tanks, kann das die Stabilität des Schiffes beeinträchtigen. Überladung oder eine falsche Verteilung des Gewichts wirken sich ebenfalls negativ auf die Manövrierbarkeit aus.
Kommunikation auf See: ein kritischer Punkt
Gerade in engen Fahrwassern ist eine reibungslose Kommunikation zwischen Lotsen, Schleppern und Schiffscrew entscheidend. Missverständnisse oder Verzögerungen können schnell zu brenzligen Situationen führen. Auch der Verlust der Verbindung zu GPS oder Navigationshilfen wie dem AIS (Automatic Identification System) kann fatale Folgen haben.
Zurück in tiefere Gewässer
Noch ist nicht abschließend geklärt, welche Ursache das Unglück hatte. Die Reederei hat eine Untersuchung angekündigt. Klar ist: Der Vorfall zeigt, wie komplex und gleichzeitig anfällig die moderne Schifffahrt ist. Trotz digitaler Hilfsmittel und ausgefeilter Technik bleiben menschliche Erfahrung, Wachsamkeit und sichere Prozesse unverzichtbar.
Für Johan Helberg endet das Abenteuer glimpflich. Die Hoffnung, dass sich der Frachter bei einsetzender Flut in tiefere Gewässer ziehen lässt, zerschlug sich schnell. Die Vorbereitungen für die Bergung werde sich bis weit in die nächste Woche ziehen, sagte Ole T. Bjornevik, Geschäftsführer des dafür beauftragten Unternehmens, dem norwegischen öffentlich-rechtlichen Sender NRK. „Es ist kein schwieriger Prozess, aber er erfordert Planung und eine Menge Arbeit“, so Bjornevik.
An der Unglücksstelle wurde auf das Eintreffen von Lastkähnen gewartet. Dann sollen die geladenen Container vom Schiff gehievt werden. Erst wann das Gewicht drastisch gesunken ist, will man versuchen, es wieder ins Meer zu schleppen.
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