Luftfahrt 23.05.2025, 16:42 Uhr

Mikroperforation gegen Kerosindurst: So kann ein Flugzeug bis zu 50 % Treibstoff sparen

Durch gezielte Absaugung von Luft an Tragflächen und Rumpf könnten Treibstoffverbrauch und Emissionen von Verkehrs- und anderen Flugzeugen signifikant reduziert werden. Um bis zu 50 %.

Der Sichelflügel in der Messstrecke des Niedergeschwindigkeitswindkanals Braunschweig. Das 3D-gedruckte Absaugpanel wurde im oberen Drittel des Flügels installiert und ist in Grau zu erkennen. Foto: Julian Steinmetz/Hendrik Traub

Der Sichelflügel in der Messstrecke des Niedergeschwindigkeitswindkanals Braunschweig. Das 3D-gedruckte Absaugpanel wurde im oberen Drittel des Flügels installiert und ist in Grau zu erkennen.

Foto: Julian Steinmetz/Hendrik Traub

Die Luftreibung macht bei modernen Verkehrsflugzeugen etwa die Hälfte des Gesamtwiderstandes aus. Kann sie reduziert werden, wirkt sich das positiv auf den Treibstoffverbrauch und damit auch auf die Emissionen aus. Jetzt ist es dem Exzellenzcluster SE²A für nachhaltige Luftfahrt der TU Braunschweig eigenen Angaben zufolge gelungen, Flugzeugflügel aerodynamisch effizienter zu gestalten. Durch den Einsatz speziell entwickelter, 3D-gedruckter Absaugpaneele konnte die Grenzschicht – also der Bereich der Luftströmung unmittelbar an der Oberfläche einer Tragfläche – gezielt stabilisiert und optimiert werden.

Tests im Windkanal

Für die dafür notwendigen Experimente nutzten die Forschenden den Niedergeschwindigkeits-Windkanal Braunschweig der Stiftung Deutsch-Niederländische Windkanäle. Der Windkanal ermöglicht einen sehr geringen Turbulenzgrad, sodass hier ein ähnliches Grenzschichtverhalten der Strömung wie in Freiflugexperimenten simuliert werden konnte.

Bei einem Flugzeug kämen im Einsatzfall viele Absaugeinheiten zum Einsatz, oder eine zentrale Absaugung mit Schläuchen zu den entsprechenden Stellen am Flugzeugrumpf und den Tragflächen. Die abgesaugte Luft könnte auch – thermisch aufbereitet – für die Kabinenluft verwendet werden, was einen qualitativen Vorteil gegenüber der Bereitstellung der Kabinenluft über die Triebwerke darstellt, meint Hendrik Traub, einer der Entwickler, gegenüber den VDI nachrichten.

Kerosinreduktion durch mikroperforierte Absaugpaneele um bis zu 50 % möglich

Bereits im vergangenen Jahr konnten die SE²A-Forschenden in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt die Möglichkeiten von 3D-gedruckten Paneelen zur Grenzschichtabsaugung im Windkanal demonstrieren. Die Forschenden konnten dabei nachweisen, dass es möglich ist, mit mikroperforierten – also mit winzigen Löchern versehenen – Absaugpaneelen aus dem 3D-Drucker eine sogenannte Laminarisierung der Grenzschicht zu erreichen.

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Dabei wird ein kleiner Teil der Grenzschicht – auch Rotationsflüssigkeit genannt – durch die mikroperforierte Oberfläche abgesaugt und diese so stabilisiert. Das Ergebnis: Die Luft strömt reibungsärmer um die Tragflächen Und zwar deutlich. Traub geht davon aus, wenn alle relevanten Teile eines Verkehrsflugzeug inklusive Rumpf mit den Absaugpaneels ausgerüstet würden, könnte sich der Kerosinverbrauch um bis zu 50 % reduzieren.

Airlines und Flugzeugbauer im Konflikt

Doch hier sieht Traub einen Zielkonflikt: Die Airlines würden das mit Kusshand annehmen, schließlich bedeutet die Reduzierung der Kerosinkosten um bis zu 50 % nicht nur eine enorme Kosteneinsparung für die Airlines, sondern macht sich auch bei den Emissionszielen sehr deutlich bemerkbar.

Die Flugzeugbauer wiederum würden vor den höheren Kosten zurückschrecken, die sie unter Umständen nicht an ihre Kunden weitergeben könnten. Die Luftfahrt ist für 3 % der globalen Emissionen verantwortlich. Seit 2010 hat der Ausstoß von Kohlendioxid im Flugverkehr allerdings um 21 % zugelegt. Tendenz steigend. Eine Reduzierung um bis zu 50 % würde an der Stelle ein deutliches Signal senden.

Veränderung der Grenzschicht

Doch zurück nach Braunschweig: Im Mai 2025 gelang es zum ersten Mal, eine laminare Grenzschicht auf einem 3D-Flügel durch integrierte 3D-gedruckte Absaugpaneele zu erzeugen. Mit den neuen Absaugpaneelen lässt sich die Grenzschicht an aerodynamischen Körpern so verändern, dass der laminar-turbulente Umschlag weiter stromabwärts verschoben wird und sich der Anteil der laminaren Grenzschicht signifikant erhöht.

Der Vorteil dabei ist, dass die laminare Grenzschicht bis zu 90 % weniger Luftreibung als die turbulente Grenzschicht verursacht. Die Luftreibung macht bei modernen Verkehrsflugzeugen etwa die Hälfte des Gesamtwiderstandes aus. „Die laminare Strömungskontrolle ist also eine vielversprechende Möglichkeit, den Treibstoffverbrauch und damit auch die Emissionen von Verkehrsflugzeugen signifikant zu reduzieren“, sagt Jan Kube von der TU Braunschweig, zuständig für die Fertigung der 3D-gedruckten Absaugpaneele.

Besondere Herausforderung: einen geeigneten Drucker zu finden, der Mikroperforation von unter 250 Micrometer beherrscht

Für die Drucker war die Herstellung der besonders feinen Mikroperforation mit einem Durchmesser von unter 250 μm eine besondere Herausforderung. Hendrik Traub vom Institut für Mechanik und Adaptronik an der TU Braunschweig: „Das Finden einer geeigneten Perforationsgeometrie hat entsprechend einen großen Teil unserer Forschungsarbeit ausgemacht. Die Möglichkeit, solche Oberflächen zu drucken, erlaubt jetzt dreidimensional gekrümmte Absaugoberflächen schnell und kostengünstig herzustellen. Das ist sowohl für Segel-, Leicht- und Verkehrsflugzeuge als auch für die Wissenschaft interessant.“ Fündig wurde Traub schließlich beim Hersteller Formlabs, es wurde das SLA-Modell Form 3L. Für Traub ist das Modell der ideale Kompromiss aus dem gegebenen Anforderungsprofil und der Formgröße.

Erst ein Sichelflügel, dann eine Cessna unter realen Bedingungen

Ein besonderes Highlight ist der 3D-Sichelflügel, entwickelt am Institut für Strömungsmechanik im Exzellenzcluster SE²A. „Die besondere Geometrie des Flügels in Form einer Sichel erlaubt die Untersuchung verschiedener aerodynamischer Zustände und insbesondere der Übergänge zwischen diesen Zuständen“, sagt Lajos Fohlmeister, zuständig für die Entwicklung des Sichelflügels und die Durchführung der Windkanalversuche.

Der Sichelflügel wurde so entworfen, dass er ein neu entworfenes Tragflügelprofil unter realitätsnahen Bedingungen simuliert. Dadurch tragen die gewonnenen Erkenntnisse auch dazu bei, numerische Verfahren zur Vorhersage verschiedener Transitionsszenarien, also den laminar turbulenten Umschlag der Grenzschicht, zu verbessern.

Als nächsten Schritt möchte Traub die Entwicklung unter realen Bedingungen testen und etwa ein Kleinflugzeug wie eine Cessna damit ausstatten. Dazu bedarf es jedoch einer neuen Finanzierungsrunde und Traub ist zuversichtlich, diese bewilligt zu bekommen.

Ein Beitrag von:

  • Peter Kellerhoff

    Peter Kellerhoff

    Redakteur VDI nachrichten
    Fachthemen: Automobil, Nutzfahrzeuge, Schiff, Bahn, Verkehr, Mobilität, E-Mobilität, Software, Cloud, Internet, KI

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