Autonome Luftfahrt 17.05.2025, 12:21 Uhr

Lufthansa-Flug ohne Pilot: Wo ist das Problem?

Zehn Minuten ohne Pilot im Cockpit: Was der Lufthansa-Zwischenfall über moderne Flugtechnik und die Grenzen autonomer Luftfahrt verrät.

Flugzeug Lufthansa

Im Jahr 2024 flog ein Verkehrsflugzeug der Lufthansa wegen eines Notfalls einige Minuten ohne Pilot. Trotz Autopilot war das nicht ohne Risiko.

Foto: PantherMedia / DaLiu (YAYMicro)

Im Februar 2024 flog ein Lufthansa-Airbus zehn Minuten ohne aktiven Piloten, nachdem der Co-Pilot im Cockpit kollabierte und der Kapitän nicht anwesend war. Der Vorfall löste eine Diskussion über die Sicherheit von Ein-Personen-Cockpits und die Machbarkeit von Pilot-losen Passagierflügen aus. Der Beitrag analysiert, warum trotz Autopilot menschliche Piloten nach wie vor unverzichtbar sind.

Zwischenfall über Spanien: Was genau passiert ist

Am 15. Februar 2024 befand sich ein Airbus A321 der Lufthansa auf dem Flug von Frankfurt nach Sevilla. An Bord: 199 Passagiere und sechs Crewmitglieder. Der Flug verlief routinemäßig, bis der Kapitän das Cockpit auf Reiseflughöhe in rund 10.700 Metern Höhe für eine kurze Toilettenpause verließ. Im Cockpit blieb der Erste Offizier zurück.

Nur 36 Sekunden später zeichnete der Cockpit-Stimmenrekorder ungewöhnliche Geräusche auf. Der Co-Pilot erlitt einen Krampfanfall, verlor das Bewusstsein – und deaktivierte im Zuge dessen unbeabsichtigt einen der Flugsteuerungsrechner. Trotz des ausgelösten Warnalarms blieb der Autopilot aktiv und hielt den Airbus auf Kurs.

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Acht Minuten nach Verlassen des Cockpits versuchte der Kapitän vergeblich, die Tür wieder zu öffnen. Weder der Türcode noch Kontaktversuche über das Interphone führten zum Erfolg. Erst nachdem der Notfallcode eingegeben wurde, öffnete sich die Cockpittür. Der Co-Pilot hatte offenbar wieder das Bewusstsein erlangt und manuell entriegelt.

Das Flugzeug wurde nach Madrid umgeleitet und landete dort sicher. Die medizinische Erstversorgung des Co-Piloten erfolgte noch an Bord durch eine Flugbegleiterin und einen Passagier mit medizinischer Ausbildung.

Warum flog der Airbus weiter – und warum ist das dennoch problematisch?

Die Tatsache, dass ein Verkehrsflugzeug mit knapp 200 Passagieren mehrere Minuten ohne aktive Pilotenkontrolle fliegt, mag für Außenstehende beunruhigend klingen. Die Technik in modernen Verkehrsflugzeugen ist allerdings darauf ausgelegt, auch bei Ausfall eines Piloten sicher weiterzufliegen. Der Autopilot hält Flughöhe, Kurs und Geschwindigkeit. Auch kleinere Kursabweichungen oder Turbulenzen kann das System automatisch ausgleichen.

Doch genau hier beginnt das Problem: Der Autopilot fliegt nach Plan – aber eben nur das. Unvorhersehbare Ereignisse, wie zum Beispiel plötzlich auftretender Verkehr, Turbulenzen, Wetterphänomene oder technische Störungen, erfordern Entscheidungen, die sich nicht immer standardisiert automatisieren lassen.

Noch schwerer wiegt die Tatsache, dass der Kapitän das Cockpit nicht sofort betreten konnte. Sicherheitsvorkehrungen nach dem 11. September 2001 machen es nahezu unmöglich, die Cockpittür ohne Zustimmung aus dem Inneren zu öffnen – ein Schutz vor externen Angriffen, aber in diesem Fall ein Hindernis im Ernstfall.

Der Ruf nach klareren Regeln zur Cockpitbesetzung

Die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA hatte nach dem vom Co-Piloten absichtlich herbeigeführten Absturz einer Germanwings-Maschine im Jahr 2015 empfohlen, dass bei Toilettenpausen mindestens zwei Personen im Cockpit bleiben sollten. 2016 wurde diese Empfehlung jedoch wieder gelockert. Seitdem liegt es im Ermessen der Airlines, auf Grundlage eigener Risikoanalysen zu entscheiden.

Der aktuelle Vorfall wirft die Frage auf, ob diese Flexibilität zu Lasten der Sicherheit geht. Die spanische Unfalluntersuchungsbehörde CIAIAC fordert in ihrem Bericht eine Neubewertung der Mindestbesetzung im Cockpit. In den USA gilt eine Zwei-Personen-Regelung nach wie vor – verbindlich und nicht als Empfehlung.

Flugzeuge ohne Piloten: Eine realistische Zukunft?

In Diskussionen um autonome Fahrzeuge taucht immer wieder die Frage auf: Wenn Autos selbst fahren und Züge ohne Fahrpersonal unterwegs sind, warum dann nicht auch Flugzeuge?

Technisch betrachtet ist das Flugzeug eines der am stärksten automatisierten Verkehrsmittel. Doch zwischen ferngesteuerten Drohnen und Passagierflugzeugen klafft eine große Lücke. Diese lässt sich an vier zentralen Punkten erklären.

1. Sichtflugregel: „See and Avoid“

Flugzeuge müssen in bestimmten Lufträumen auf Sicht ausweichen können. Zwar lassen sich Maschinen mit Radar, Kameras und Sensorik ausstatten – doch der Mensch erkennt komplexe Situationen, potenzielle Kollisionen oder auch nicht fliegende Hindernisse meist zuverlässiger.

Ein RPAS (Remotely Piloted Aircraft System) müsste also wie ein bemanntes Flugzeug fliegen – inklusive aktiver Reaktionen auf unvorhergesehene Ereignisse im Luftraum. Aktuell ist das technisch nicht ausreichend gelöst.

2. Kommunikation und Kontrolle auf Distanz

RPAS werden per Funk oder Satellitenverbindung gesteuert. Auf kurzen Strecken funktioniert das zuverlässig. Doch über Ozeanen oder abgelegenen Regionen ist die Verbindung anfällig für Ausfälle. Auch die sogenannte Latenz – die Verzögerung zwischen Befehl und Ausführung – kann problematisch sein.

Bei einem Ausfall der Verbindung muss die Maschine autonom reagieren. Fehler in dieser Phase sind nicht auszuschließen – was bei einem Passagierflug nicht akzeptabel wäre.

3. Verantwortung und Recht

Ein Luftfahrzeugführer – also der Pilot – trägt nicht nur technische Verantwortung. Er trifft Entscheidungen über Kursänderungen, über Sicherheit an Bord und sogar über hoheitliche Maßnahmen wie Festnahmen. Diese Verantwortung kann nicht ohne Weiteres an eine Bodenstation delegiert werden.

Bei autonomen Systemen stellt sich zudem die Frage: Wer haftet bei einem Unfall? Der Entwickler der Software? Der Hersteller des Flugzeugs? Die Fluggesellschaft?

4. Menschliche Wahrnehmung und Eingreifmöglichkeiten

Der Mensch im Cockpit ist nicht nur Pilot, sondern auch Troubleshooter. Viele Probleme erkennt und löst er nicht durch Checklisten, sondern durch Erfahrung und Intuition. Ein vollautomatisierter Arbeitsplatz am Boden kann diese Fähigkeiten bislang nicht ersetzen.

Zudem unterliegen RPAS-Arbeitsplätze am Boden nicht denselben ergonomischen und sicherheitstechnischen Vorgaben wie ein Cockpit. Die Fehleranfälligkeit steigt – und damit auch das Risiko.

Warum Piloten weiterhin notwendig bleiben

Das Beispiel des Lufthansa-Flugs zeigt deutlich: Technik kann vieles, aber nicht alles. Der Autopilot überbrückte den Vorfall – doch ohne das spätere Eingreifen des Kapitäns und die medizinische Unterstützung an Bord hätte die Situation eskalieren können.

Ein vollständig pilotloses Verkehrsflugzeug ist auf absehbare Zeit nicht realistisch. Zu viele technische, rechtliche und menschliche Faktoren sprechen dagegen. Die Kosten für die Absicherung solcher Systeme wären enorm – und der Nutzen im Verhältnis gering. Selbst wenn die Technik eines Tages so weit wäre: Das Vertrauen der Passagierinnen und Passagiere dürfte sich nur schwer gewinnen lassen.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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