Hyperschall-Triebwerk: Fliegen wir bald mit Mach 6 um die Welt?
Von Berlin nach New York in unter 2 Stunden? Das könnte bald möglich werden mit einem innovativen Mach-6-Triebwerk, das gerade getestet wurde.

Das neue Triebwerk soll Hyperschallgeschwindigkeiten bis Mach 6 ermöglichen.
Foto: Venus Aerospace
Venus Aerospace aus den USA testete ein rotierendes Detonationsraketentriebwerk (RDRE) erstmals im realen Flug. Das Ziel: Hyperschallgeschwindigkeit von Mach 6 – ohne zusätzliche Raketenstufen, direkt von einer herkömmlichen Startbahn. Dabei kommt ein integratives Energiekonzept zum Einsatz, das sowohl Effizienz als auch Nachhaltigkeit in den Vordergrund rückt.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist ein RDRE?
- Der erste reale Flugtest
- Konstruktion und Antriebstechnologie
- Energieeffizienz durch integratives Konzept
- Einsatzszenarien: Von Verteidigung bis Passagierflug
- Wissenschaftliche Bedeutung
- Technische Vorteile auf einen Blick
- Wachsende Bedeutung von Hyperschallsystemen
- Der nächste Schritt: Systemintegration
Was ist ein RDRE?
Das Rotating Detonation Rocket Engine (RDRE) basiert auf einem physikalischen Prinzip, das bereits seit den 1980er-Jahren bekannt ist: der rotierenden Detonation. Dabei zündet eine ringförmig laufende Stoßwelle kontinuierlich das Treibstoffgemisch, wodurch der Druck in der Brennkammer deutlich höher ist als bei herkömmlichen Antrieben.
Das Verfahren unterscheidet sich grundlegend von konventionellen Verbrennungstechniken. Statt einer stabilen Flamme entstehen durch die Detonation kurzzeitige, explosionsartige Druckanstiege, die sich in einem kreisförmigen Brennraum fortbewegen. Diese dynamische Verbrennung ermöglicht es, mehr Schub aus weniger Treibstoff zu generieren.
Der erste reale Flugtest
Die Demonstration fand im Spaceport America in New Mexico statt – unter schwierigen Wetterbedingungen mit starkem Wind. Dennoch gelang das Experiment. Die RDRE-Einheit zündete planmäßig, hob ab und bewies damit ihre Tauglichkeit für reale Anwendungen. Venus Aerospace spricht von einem bedeutenden Schritt: Das Triebwerk lief stabil, effizient und kontrolliert – auch außerhalb des Labors.
„Wir haben bewiesen, dass diese Technologie funktioniert – nicht nur in Simulationen oder im Labor, sondern auch in der Luft“, sagte Sassie Duggleby, CEO und Mitbegründerin von Venus Aerospace.
Konstruktion und Antriebstechnologie
Die Bauweise des Venus-RDRE unterscheidet sich deutlich von klassischen Raketentriebwerken. Das Triebwerk ist kompakter, besteht aus modularen Segmenten und wurde speziell für die Kombination mit einem weiteren Antriebssystem optimiert: dem VDR2, einem luftatmenden Detonationsstaustrahltriebwerk (engl. Detonation Ramjet).
Diese Kombination ermöglicht eine durchgehende Beschleunigung bis in den Hyperschallbereich – also über Mach 5 hinaus – ohne den Einsatz zusätzlicher Booster oder mehrstufiger Raketensysteme. Damit wird der Startvorgang einfacher, skalierbarer und perspektivisch auch günstiger.
Energieeffizienz durch integratives Konzept
Besonders im Fokus steht bei Venus Aerospace das integrative Niedrigenergiekonzept. Statt auf extreme Schubwerte um jeden Preis zu setzen, arbeitet das System mit einer optimierten Treibstoffnutzung. Ziel ist es, möglichst viel kinetische Energie aus möglichst wenig chemischer Energie zu gewinnen.
Die kontinuierliche Detonationswelle sorgt für hohe Druckverhältnisse bei gleichzeitig geringem Treibstoffdurchsatz. Damit sinken nicht nur die Betriebskosten, sondern auch die Umweltbelastung. Die kompakte Bauform reduziert zusätzlich das Gewicht des Gesamtsystems – ein wichtiger Faktor bei luftgestützten Anwendungen.
Einsatzszenarien: Von Verteidigung bis Passagierflug
Venus plant, das System für unterschiedliche Anwendungen anzupassen. Neben militärischen Einsatzszenarien – etwa für Hyperschallraketen oder Aufklärungsdrohnen – steht vor allem ein ziviler Nutzen im Raum. Mit dem geplanten Flugzeugmodell „Stargazer M4“ will das Unternehmen Hyperschallreisen für Passagiere ermöglichen. Die Vision: In unter zwei Stunden von Los Angeles nach Tokio oder von Berlin nach New York – und das emissionsärmer als heutige Langstreckenjets.
Ein solches System könnte einen neuen Standard in der zivilen Luftfahrt setzen. Voraussetzung dafür ist jedoch die weitere Miniaturisierung, Sicherheitszertifizierung und der Nachweis langfristiger Betriebssicherheit.
Wissenschaftliche Bedeutung
Die technische Umsetzung eines RDRE war über Jahrzehnte ein ungelöstes Problem. Zahlreiche Labore forschten an stabilen Detonationsprozessen, doch der Schritt in den Flugversuch blieb aus. Venus Aerospace hat diesen Schritt nun vollzogen.
„Rotierende Detonationsraketenmotoren sind seit Jahrzehnten eine wissenschaftliche Kuriosität. Venus zeigt der Welt, dass sie auch unter realen Bedingungen betrieben werden können“, sagte Dr. Rodney Bowersox, Professor für Luft- und Raumfahrttechnik an der Texas A&M University.
Technische Vorteile auf einen Blick
Die Vorteile des RDRE-Konzepts liegen in seiner:
- kompakten Bauweise
- reduzierten Komplexität im Triebwerksaufbau
- effizienten Treibstoffausnutzung
- hohen Leistungsdichte
- Kombinierbarkeit mit luftatmenden Systemen
Im Vergleich zu klassischen Raketenantrieben, die mit stabiler subsonischer Verbrennung arbeiten, liefert der RDRE mehr Schub bei weniger Gewicht – eine Eigenschaft, die gerade bei wiederverwendbaren Trägersystemen entscheidend ist.
Wachsende Bedeutung von Hyperschallsystemen
Der weltweite Markt für Hyperschallsysteme wird laut Prognosen bis 2030 auf über 12 Milliarden US-Dollar anwachsen. Die Nachfrage kommt sowohl aus dem Verteidigungsbereich als auch aus der Luft- und Raumfahrtindustrie. Auch die zivile Luftfahrt zeigt starkes Interesse – nicht zuletzt wegen wachsender Anforderungen an Reisegeschwindigkeit, Effizienz und Nachhaltigkeit.
Mit dem erfolgreichen Test positioniert sich Venus Aerospace als ernstzunehmender Anbieter in diesem Segment. Das Start-up profitiert dabei von seiner Agilität und der engen Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen wie der Texas A&M University.
Der nächste Schritt: Systemintegration
Derzeit plant Venus Aerospace weitere Testläufe sowie die Integration des RDRE in ein vollständiges Fluggerät. Der „Stargazer M4“ soll sowohl für militärische als auch zivile Anwendungen vorbereitet werden. Das Konzept sieht eine wiederverwendbare Struktur mit einem geschlossenen Antriebssystem vor, das ausschließlich mit der Kombination aus RDRE und Detonationsramjet arbeitet.
„Wir haben ein Triebwerk gebaut, das nicht nur läuft, sondern zuverlässig und effizient läuft – und das macht es skalierbar“, betonte Andrew Duggleby, CTO und Mitbegründer.
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