Klimawandel 26.06.2025, 15:15 Uhr

Extremwetter trifft U-Bahn: Was tun gegen den Kollaps im ÖPNV?

Das Sturmtief „Ziros“ legte am 23. Juni 2025 Berlins Nahverkehr lahm – ein Extremwetter, das inzwischen fast Routine ist. Der Klimawandel macht Städte verwundbar. Wie kann der ÖPNV widerstandsfähiger werden?

geflutete U-Bahn-Station

Hier geht es normalerweise zu den U-Bahn-Gleisen. Hurricane Sandy hat 2012 in New York alles geflutet.

Foto: picture-alliance/ dpa/Reuters/Mike Segar

Am 23. Juni 2025 stand Berlin stundenlang still: Sturmtief „Ziros“ zog mit Starkregen und orkanartigen Böen über die Stadt und Teile Brandenburgs. Umgestürzte Bäume blockierten Gleise, überflutete Unterführungen machten auch Busse zeitweise unbenutzbar. Mehr als 500 Feuerwehreinsätze stehen in der Bilanz, mindestens eine Person kam ums Leben. Tausende Pendlerinnen und Pendler saßen fest, der Verkehr auf den Straßen kollabierte.

Ein Vorfall, der in dieser Wucht zwar außergewöhnlich erscheint – aber kein Einzelfall mehr ist. Der Klimawandel verändert das Wetter und macht den Nahverkehr und andere urbane Strukturen verwundbar. S-Bahnen können nicht mehr fahren, U-Bahnen werden überflutet. Aber wie kann der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) künftig krisenfest werden?

Extremwetter: S-Bahn-Stillstand in Berlin

Das Unwetter, das Berlin am Abend des 23. Juni traf, brachte hohe Windgeschwindigkeiten und binnen weniger Stunden mehr als 60 Liter Regen pro Quadratmeter. Der Deutsche Wetterdienst meldete, die höchste Windgeschwindigkeit sei an der Freien Universität Berlin mit 108 Kilometern pro Stunde gemessen worden. Das entspricht Windstärke 11 und orkanartigen Böen. Die Folge: Zahlreiche Bäume stürzten auf die Gleise, Oberleitungen wurden beschädigt, Tunnel liefen voll Wasser.

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Gegen 18 Uhr stellte die S-Bahn Berlin aus Sicherheitsgründen den kompletten Betrieb ein – mehr als 150 Züge standen still. Auch viele Regionalzüge und U-Bahnen sowie die wichtige Bahnstrecke Berlin–Hamburg waren betroffen. Am Bahnhof Griebnitzsee waren Fahrgäste zwischen 17.30 und 20 Uhr in zwei S-Bahnen eingeschlossen, weil umgestürzte Bäume die Weiterfahrt verhinderten. Erst gegen 20 Uhr rollten die ersten beiden Linien wieder, die (eingeschränkte) Normalisierung dauerte bis 6 Uhr des Folgetages.

Wetterextreme im Nahverkehr: Ein globales Problem

Berlin ist kein Einzelfall. In den vergangenen Jahren häuften sich Meldungen über wetterbedingte Verkehrszusammenbrüche: In München sorgten im Dezember 2023 eingefrorene Oberleitungen und verschneite Schienen für tagelange Streckensperrungen, in Hamburg waren 2024 unterspülte Gleise schuld an zahlreichen Bahn-Ausfällen. Die Wetterschäden im deutschen Verkehrswesen erreichten 2024 mit 5,7 Milliarden Euro einen neuen Höhepunkt, wobei Starkregen und Überschwemmungen mit 2,6 Milliarden Euro etwa eine Milliarde Euro über dem langjährigen Durchschnitt lagen.

Das Problem betrifft nicht nur Deutschland: Paris musste im August 2022 Teile seines Metronetzes wegen Überflutungen schließen, im Mai dieses Jahres wegen schwerer Hagelstürme. Rotterdam investiert seit Jahren in den Schutz vor Hochwasser. Auch Singapur, bekannt für sein hochmodernes Nahverkehrssystem, kämpft mit Starkregen und Hitzeperioden, die Gleise und Fahrzeuge belasten.

Klimawandel: Die größten Wetterrisiken für den Nahverkehr

Die Verkehrsinfrastruktur ist insbesondere in Europa auf das Klima der Vergangenheit ausgelegt – nicht auf die Situation der Gegenwart. Klimawandel bedingtes Extremwetter trifft den Nahverkehr auf unterschiedliche Weise:

  • Als Folge von Stark- oder Dauerregen können Hochwasserwellen entstehen, wie sich vor allem bei der Flutkatastrophe an Ahr und Erft im Jahr 2021 zeigte. Die Fluten können Schienen in Tälern und entlang von Flussläufen überschwemmen, Bahntrassen unterspülen sowie Bahndämme und Gleisbetten beschädigen. An Trassen mit steilen Böschungen entstehen womöglich Schlammlawinen, Hänge können abrutschen und die Verkehrsinfrastruktur mitunter vollständig zerstören.
  • Problematisch sind umstürzende Bäume bei Stürmen, die regelmäßig Gleise und Straßen blockieren und Oberleitungen beschädigen
  • Hitze belastet die Schieneninfrastruktur ebenfalls. So kann es etwa zu Ausfällen elektronischer Schaltelemente kommen, ebenso wie zu Störungen an Stellwerken und Überwachungssystemen von Weichen. Gleise können sich bereits ab 40°C verformen und sogenannte Schienenverwerfungen entstehen.
  • Schnee und Eis beeinträchtigen besonders in nördlichen Städten sowie im Alpenraum Weichen und Stromversorgung. Das zeigte sich zuletzt im Winter 2021 deutlich: Verantwortlich dafür war Wintersturm Tristan, der mit Schneefällen und Verwehungen den Bahnverkehr einschränkte. Vereiste Oberleitungen und Weichen sowie zugewehte Gleise sorgten stellenweise für vollständige Streckensperrungen.

Auch die Digitalisierung bringt neue Herausforderungen: Fällt die Stromversorgung aus, sind digitale Leitsysteme und Fahrgastinformationen in der Regel nicht mehr verfügbar.

Mobilität in Zeiten des Klimawandels: Was tun Städte und Betreiber?

Städte und Verkehrsbetriebe reagieren mit verschiedenen Maßnahmen auf die neuen Risiken. Technisch werden hitzebeständige Schienen verbaut, Entwässerungssysteme erweitert und in Vegetationsmanagement intensiviert. Die Deutsche Bahn (DB) hat 2023 eine umfassende Klimaanpassungsstrategie vorgestellt, die auf Studien des Potsdam-Instituts für 34 deutsche Verkehrsregionen basiert.

Kernelemente sind eine klimafeste Stellwerkstechnik, 24/7-Sensoren zur Temperaturüberwachung und hitzetaugliche Fahrzeuge wie der ICE 4, der für Außentemperaturen bis 45°C ausgelegt ist. Maßnahmen wie weiße Schienen hingegen, die das Sonnenlicht reflektieren und Temperaturen um fünf bis acht Grad Celsius verringern sollten, haben sich in mehrjährigen Tests als nicht ausreichend praxistauglich erwiesen.

U-Bhf Augsburger Straße in Berlin überflutet

Hier geht nix mehr: Der U-Bahnhof Augsburger Straße in Berlin musste wegen heftigen Regenfällen geschlossen werden.

Foto: picture-alliance/ dpa/Rainer Jensen

Internationale Vorbilder: In Sachen Klimawandel von den Besten lernen

Rotterdam gilt als Vorreiter beim Hochwasserschutz und investierte 500 Millionen Euro in wasserdichte U-Bahn-Tore und Pumpanlagen. Das 2,3 Milliarden teure „Room for the River“-Programm gilt als wegweisend für ganz Europa. Besonders innovativ sind die Wasserplätze, die bei Trockenheit als Spielplätze dienen und bei Starkregen zehn Millionen Liter Wasser speichern können.

Paris bekämpft den städtischen Hitzeeffekt mit 70 Hektar grüner Infrastruktur und investiert 300 Millionen Euro in eine modernisierte Belüftung für die Metro. Zudem hat die Hauptstadt Frankreichs eine Antwort auf die drückende Sommerhitze gefunden: Sie setzt auf Kühlung von unten.

Dafür wird Wasser aus der Seine entnommen, durch ein 93 Kilometer langes Rohrleitungssystem geleitet und dabei heruntergekühlt. Rund 800 Gebäude, darunter Bürokomplexe, Einkaufszentren und der Louvre, nutzen die Klimatisierung bereits. Bis zum Jahr 2042 soll das System auf 158 zusätzliche Kilometer erweitert und auf sämtliche Pariser Stadtteile ausgedehnt werden.

Der Stadtstaat Singapur investierte in den vergangenen Jahren 2,5 Milliarden Euro in Projekte gegen Extremwetter und erhöhte beispielsweise Straßen in überflutungsgefährdeten Gebieten um bis zu 80 Zentimeter. Die internationalen Vergleiche zeigen: Resilienz gegen Wetterextreme ist möglich, aber teuer. Die Maßnahmen erfordern erhebliche Investitionen und vorausschauende Planung.

Kosten von Stillstand und Vorsorge gegen Extremwetter

Die Kosten wetterbedingter Ausfälle sind hoch: Allein die Kfz-Versicherer zahlten 2024 für 340.000 unwettergeschädigte Fahrzeuge 1,3 Milliarden Euro. Ein Tag S-Bahn-Stillstand verursacht Millionenschäden durch entgangene Fahrgeldeinnahmen, Reparaturen und Folgekosten. Dennoch lohnen sich Investitionen in den ÖPNV: Jeder investierte Euro bringt der deutschen Volkswirtschaft einen Nutzen von drei Euro. Der ÖPNV-Betrieb kostet bundesweit 25 Milliarden Euro jährlich, generiert aber 75 Milliarden Euro Wertschöpfung.

Der Deutsche Städtetag beziffert den Modernisierungsbedarf für einen klimaneutralen und resilienten ÖPNV auf 40 bis 60 Milliarden Euro. Statt der bisherigen einen Milliarde Euro jährlich fordern die Kommunen drei Milliarden Euro vom Bund. Die EU stellt über das TEN-V-Programm europaweit 13,2 Milliarden Euro für Verkehrsinfrastruktur bereit.

Überschwemmter U-Bahnhof

Hier hat Hurricane Sandy seine Spuren hinterlassen: The South Ferry U-Bahnhof in New York.

Foto: mauritius images / ZUMA Press, Inc. / Alamy/MTA/Patrick Cashin

Kritik und Forderungen zum Schutz vor Extremwetter

Umweltverbände wie der BUND fordern eine konsequentere Priorisierung des ÖPNV. Klimarisiken müssten bei der Verkehrsplanung stärker berücksichtigt werden. Die Gelder sollten in die Bahn und den ÖPNV fließen und nicht in neue Autobahnen, betont der Verband und kritisiert die bisherige Infrastrukturpolitik.

Der Deutsche Städtetag drängt auf schnellere Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen und bessere Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Verkehrsplaner bemängeln fehlende bundesweite Standards für Klimaanpassung und fordern eine Mobilitätsplanung, die Klimaschutz und -anpassung zusammendenkt. Angesichts der beschleunigten Klimaerwärmung warnen Experten davor, dass die Entscheidungsprozesse zu lange dauern.

Die Ereignisse von Berlin sollten ein Weckruf sein: Der Klimawandel ist Realität und stellt den öffentlichen Nahverkehr vor große Herausforderungen. Städte und Betreiber reagieren mit technischen Veränderungen, organisatorischen Anpassungen und neuen Konzepten – aber der Weg zu einem wirklich wetterfesten ÖPNV ist noch weit.

Ein Beitrag von:

  • Julia Klinkusch

    Julia Klinkusch ist seit 2008 selbstständige Journalistin und hat sich auf Wissenschafts- und Gesundheitsthemen spezialisiert. Seit 2010 gehört sie zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Klima, KI, Technik, Umwelt, Medizin/Medizintechnik.

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