Drohnenabwehr – mit diesen Technologien soll sie gelingen
Unbekannte Drohnen über kritischen Zielen zeigen, wie verletzlich Deutschland ist. Neue Systeme sollen endlich effektive Drohnenabwehr bringen.
Eine Abfangdrohne wie diese kann eingesetzt werden, um unerwünschte Drohnen unschädlich zu machen.
Foto: DLR (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de)
Drohnen sind Teil hybrider Kriegsführung, sie kundschaften aus, testen Reaktionen und verunsichern, ohne dass man den Täter eindeutig zuordnen kann. Die Mittel, sie zu eliminieren, sind begrenzt. Noch. Die Szenen der vergangenen Wochen haben Deutschland und ganz Europa aufgeschreckt: Drohnen unbekannter Herkunft legen Flughäfen lahm, überfliegen kritische Infrastrukturen oder militärische Standorte. Diese Vorfälle zeigen eine Sicherheitslücke, die nicht neu, aber nun schlagartig in den Fokus rückt. Was tun gegen sogenannte „unkooperative Drohnen“, die offensichtlich bewusst Provokationsmanöver fliegen?
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Klein und kaum detektierbar
„Der Luftraum unterhalb der klassischen Radarerfassung und abseits von Flughäfen oder Bundeswehrliegenschaften ist weitgehend unkontrolliert“, sagt Verena Jackson vom Center für Intelligence & Security Studies (CISS) der Universität der Bundeswehr München. „Kleine Drohnen fliegen oft in geringer Höhe, tauchen schnell auf und wieder ab.“
Und was man nicht orten kann, kann man auch nicht eliminieren. Außerdem: „Ein Abschuss ist deutlich komplexer, als es klingt. In dicht besiedelten Gebieten können herabfallende Teile Menschen gefährden. Daher ist der Abschuss die letzte Option, muss rechtlich wie einsatztaktisch genau geregelt und überlegt sein“, sagt die Juristin.
Auf die Verhältnismäßigkeit kommt es an
Hier gilt die Verhältnismäßigkeit, sprich die Abwehr darf keine größeren Risiken erzeugen als das illegale Objekt selbst. Solange die Drohnen „nur“ umherfliegen, ist die Gefährdungslage eine andere, als bei einem offensichtlich bewaffneten UAV. „Eine große Herausforderung ist die unklare rechtliche Lage“, ergänzt Dr. Gerald Wiesel vom Verband UAV DACH. Die soll nun schrittweise geklärt werden, das Luftsicherheitsgesetz steht schon geraume Zeit auf der To-Do-Liste des Bundesinnenministeriums.
Prinzipiell sind die Zuständigkeiten in Deutschland komplex, mancher spricht von Diffusion zwischen Landespolizei, Bundespolizei und der Bundeswehr, die eigentlich nur bei Gefährdung ihrer Schutzzonen eingreifen könnte. Im Rahmen der Amtshilfe könnte sie aber in anderen Gebieten aktiv werden – das soll die Revision des Luftsicherheitsgesetzes konkretisieren. „Wir brauchen ein rechtssicheres, technisch modernes und bundesweit koordiniertes Drohnenabwehrsystem. Dazu gehört auch die Klärung der Zuständigkeiten“, betont Marie-Christine von Hahn vom Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie BDLI.
Sensorfusion und künstliche Intelligenz
Abwehr setzt natürlich voraus, dass erstens die Drohne (oder die Drohnen) geortet werden kann und adäquate Maßnahmen verfügbar sind. „Theoretisch und technisch lässt sich Ortung und Tracking lösen, erfordert aber eine flächendeckende Multi-Sensorik und hohe finanzielle Mittel“, erklärt Verena Jackson. Die aus Kompositmaterial bestehenden Multikopter sind per Radar kaum zu detektieren, ihre Rückstrahlflächen mit denen von Vögeln vergleichbar.
So kombiniert das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt IDAS-PRO mehrere Radarsysteme, Funkpeiler, Kameras und sogenannte Remote-ID-Sensoren, die dem Datenaustausch zwischen Drohne und Pilot lauschen. IDAS-PRO soll Drohnen genau lokalisieren, die Flugbahn prognostizieren und in Echtzeit Gegenmaßnahmen vorschlagen.
Schließlich, so Hans Peter Stuch vom Fraunhofer-Institut FKIE, das an IDAS-PRO beteiligt ist, bieten die schnellen Drohnen nur minimale Zeit für Entscheidungen. Als sei das noch nicht komplex genug: Aktive Radarsysteme benötigen viel Energie, lassen sich ihrerseits leicht detektieren und sind in der Nähe von Kliniken oder Wohnsiedlungen wegen ihrer Strahlung nicht einsetzbar.
Passives Radar soll helfen
Daher arbeitet man ebenfalls am FKIE an Passivradar-Systemen, die Objekte anhand jener Reflektionen erkennt, die beim Auftreffen von Mobilfunkstrahlung entstehen. Die Ortung ist zwar weniger exakt, kann aber bei positiven Kontakten gezielt mit weiteren Sensoren präzisiert werden. KI-basiert können dann alle Sensorsignale zusammengeführt und ausgewertet werden.
Ähnliche Ansätze verfolgt das Projekt CUSTODIAN, an dem zwölf DLR-Einrichtungen unter Leitung des DLR-Institutes für Flugsystemtechnik beteiligt sind und im 2021 eröffneten Nationalen Erprobungszentrum für Unbemannte Luftfahrtsysteme in Cochstedt erprobt werden. Es ist also nicht ganz so, dass Deutschland ganz „blank“ dastünde. „Wir haben Gegenmaßnahmen, sie sind nur noch nicht konsequent und flächendeckend integriert. Es gibt Funkstörsysteme, Netzwerfer, kinetische Systeme und Laser“, sagt Verena Jackson.
Soft-Kill oder Hard-Kill?
Die eleganteste Abwehr nennt sich Jamming. Breitband-Störsender unterbrechen gezielt die Kommunikationsverbindungen auf den üblichen ISM-Frequenzen bei 2,4 und 5,8 Gigahertz sowie auf GNSS-Frequenzen. Die Drohne verliert den Kontakt zum Piloten und zum Satellitennavigationssystem. Das klingt simpel, ist aber praktisch diffizil.
Denn Störsender müssen richtungsgebunden arbeiten, um nicht die eigene Kommunikations- und Navigationsinfrastruktur zu kompromittieren. Außerdem erschweren Ausfallprogramme wie Return-to-Home die Drohnenlähmung. Ramm- oder mit Netzen ausgerüstete Fangdrohnen könnten eine bewegungsunfähige Drohne dann unschädlich machen.
Kinetische und gerichtete Energie
Da elektronische Maßnahmen ihre Grenzen haben, erprobt man am Fraunhofer-Institut IOF aktuell Hochleistungslaser mit einer Wellenlänge von zwei Mikrometern. Deren Streustrahlung wird von Wasser absorbiert, die Gefahr für Augenschäden in der Umgebung ist also geringer. Der gebündelte Strahl – in einem Kilometer Entfernung beträgt der Durchmesser etwa einen Zentimeter – soll die Steuerelektronik entscheidend beschädigen.
Auch preislich wäre das eine interessante Option, aber: Nebel, Regen und Staub streuen den Laserstrahl und reduzieren dessen Effektivität. Zudem benötigen die Systeme mehrere Sekunden Bestrahlungszeit, um die strukturellen Komponenten einer Drohne zu zerstören – bei schnell manövrierenden Zielen ist das eine große Herausforderung für die Tracking-Systeme.
Die Ultima Ratio ist der Einsatz kinetischer Effektoren, sprich von Geschossen oder Raketen. Dafür aber fehlt der klare rechtliche Rahmen – und auch die Waffen, die es dafür braucht. Abschüsse mit Boden-Luft- oder Luft-Luft-Raketen mögen zwar wirksam sein, auf Dauer aber teure Optionen. Hier ist in der Tat eine Fähigkeitslücke zu sehen, was aber die Luftverteidigung insgesamt betrifft. Wie man erfolgreich Drohnen eliminiert, zeigt die Ukraine, etwa mit dem hier ausgemusterten Flak-Panzer Gepard.
Der Schwarmeffekt
So richtig problematisch wird es, wenn sich selbst koordinierend, womöglich autonome Drohnenschwärme unterwegs sind. Ein solcher Schwarm kann sich spontan aufteilen, Ablenkungsmanöver fliegen und wirkt psychologisch besonders intensiv. Spätestens dann sind vernetzte Abwehrsysteme gefordert, also die erwähnte KI-Sensorfusion. Verena Jackson: „Automatisierte Zielerkennung und elektronische Gegenmaßnahmen müssen zusammenwirken, denn ein koordinierter Schwarm kann heutige Abwehrsysteme schnell überlasten“.
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