Bruch im Rüstungsbündnis: Scheitert Europas Mega-Kampfjet?
Europa streitet über den Mega-Kampfjet FCAS. Airbus und Dassault blockieren sich. Deutschland und Frankreich prüfen Alternativen.
Modell des Future Combat Air System (FCAS) im 1:1-Maßstab.
Foto: picture alliance / Hans Lucas/Arthur Nicholas Orchard
Europa wollte mit dem Future Combat Air System (FCAS) ein gemeinsames Luftkampfsystem entwickeln, das mehrere Jahrzehnte einsatzfähig bleibt. Die Vision: ein Netzwerk aus bemannten Jets, Drohnen und einer digitalen Combat Cloud, die Daten in Echtzeit verteilt. Doch inzwischen steht das Vorhaben auf der Kippe. Deutschland und Frankreich sprechen offen darüber, den zentralen Kampfjet zu streichen – und stattdessen nur noch die Cloud-Komponenten weiterzuentwickeln.
Der Grund sind festgefahrene Konflikte zwischen Airbus Defence and Space auf deutscher Seite und dem französischen Hersteller Dassault Aviation. Beide Seiten werfen sich vor, die gemeinsame Arbeitsaufteilung zu missachten. Streit über Zulieferer, die Aufgabenteilung und das Jet-Design blockieren die bisherige Kooperation. Kurz vor dem Treffen von Bundeskanzler Friedrich Merz und Präsident Emmanuel Macron hatte die Financial Times berichtet, dass Berlin und Paris Alternativen prüfen und sich stärker auf die Combat Cloud konzentrieren könnten.
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Macron optimistisch, Merz deutlich zurückhaltender
Beim Digitalgipfel in Berlin zeigte Macron Zuversicht, das Projekt noch zu retten. Er sagte: „Wir glauben daran, wir kommen voran und wir werden der Industrie und den Koordinierungsstellen die nötigen Botschaften mitgeben.“ Die Einschätzung wirkt wie ein Signal an die eigene Rüstungsindustrie. Er sprach auch von einer „Erfolgspflicht“.
Merz dagegen dämpfte Erwartungen. Er verwies darauf, dass beide Länder bis Jahresende eine Entscheidung treffen müssten: „Ich wünsche mir, dass wir das auch auf der Basis der Verabredung tun, die wir gemeinsam getroffen haben.“ Seine nüchterne Haltung ist kein Zufall. Im Verteidigungsministerium arbeitet man bereits an Ausweichoptionen. Oberst Jörg Rauber, im Ministerium für FCAS zuständig, formulierte es vergangene Woche so: Man wolle an der bestehenden Arbeitsteilung festhalten, „wenn das aber nicht gehe, müsse man Alternativen suchen“.
Der Kernkonflikt: Airbus vs. Dassault
Die Bruchlinien innerhalb des Projekts verlaufen klar. Airbus fordert eine stärkere Rolle in der Jet-Entwicklung. Dassault, traditionell dominierend bei französischen Kampfflugzeugen, möchte dagegen die Führungsrolle nicht abgeben. Wiederholt hatten Verantwortliche bei Dassault behauptet, man könne den Jet auch ohne Partner bauen.
Deutschland hatte zwischenzeitlich geprüft, ob andere Industriepartner einsteigen könnten, falls Dassault ausscheidet. Gleichzeitig besteht Frankreich darauf, dass die Vereinbarung von 2017 gilt – ein Vertrag, der Dassault eine zentrale Position zusichert.
Auch der Airbus-Betriebsrat spricht sich inzwischen offen für ein Ende der Kooperation aus. Die Stimmung zwischen den Unternehmen ist vergiftet.
Die Combat Cloud rückt ins Zentrum
Während der Jet selbst stockt, kommt die Combat Cloud voran. Dieses digitale Nervensystem soll künftig alle Plattformen verbinden: Jets, Drohnen, Satelliten, Radare und Gefechtsstände. Entwickelt wird die Cloud von Airbus (Deutschland), Thales (Frankreich) und Indra (Spanien).
Ein FCAS-Insider wird zitiert mit den Worten: „Alle anderen Elemente laufen gut. Warum sollten wir sie beenden? FCAS muss nicht komplett eingestampft werden: Wir brauchen die Combat Cloud.“
Genau dieser Teil könnte am Ende übrig bleiben. Mehrere Quellen sprechen davon, FCAS auf die Cloud-Komponenten zu reduzieren – ein politischer Kompromiss, der Gesichtsverlust vermeiden würde.
Nationale Auswege: Deutschland prüft eigene Systeme
Im Hintergrund arbeitet Deutschland an einer Parallelstrategie. Nach Informationen aus Regierungskreisen sondiert Berlin ein eigenes „Combat Fighter System of System Nucleus“ (CFSN). Dabei steht nicht mehr ein neuer Kampfjet im Mittelpunkt, sondern ein Verbund aus Eurofighter, F-35 und künftigen unbemannten Systemen.
Spanien oder Schweden könnten später einsteigen. Saab-CEO Micael Johansson hatte in einem Interview mit Table.Briefings erklärt, sein Unternehmen sehe Chancen für Kooperationen „nicht nur beim bemannten Kampfjet, sondern auch bei potenziell hoch entwickelten unbemannten Fähigkeiten“. Schweden arbeitet ohnehin an der Gripen-Nachfolge.
Britisch-italienisch-japanische Alternative?
Eine weitere theoretische Option wäre der Einstieg in das britisch-italienisch-japanische Global Combat Air Programme (GCAP), das ab 2035 einsatzbereit sein soll. Doch dort sind die Rollen bereits vergeben. Japanische Regierungsvertreter betonten gegenüber Politico, dass Verzögerungen strikt vermieden würden – zusätzliche Verhandlungen mit Deutschland eingeschlossen.
Deutschland könnte in diesem System allenfalls als Zulieferer oder Produktionspartner einsteigen. Ein Rang, der kaum attraktiver ist als die aktuelle Lage im FCAS.
Frankreich drängt – wegen der nuklearen Abschreckung
Frankreich hat starke eigene Motive, FCAS nicht aufzugeben. Die französische nukleare Abschreckung basiert heute auf Rafale-Jets. Paris will rechtzeitig ein Nachfolgesystem, das nahtlos an diese Kapazitäten anknüpft. Deadline: 2040.
Deutschland betrachtet FCAS dagegen stärker als langfristiges Technologieprogramm, weniger als sicherheitspolitische Säule. Diese asymmetrische Erwartungshaltung erschwert die Zusammenarbeit zusätzlich.
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