Brennen Elektroautos häufiger als Verbrenner? Ein Faktencheck
Faktencheck zur Brandgefahr: Warum E-Autos sicherer sind als ihr Ruf und welche Rolle KI bei der Batterieüberwachung spielt.
Brennende E-Autos sind länger gefährlich wegen der langandauernden thermischen Reaktion der Li-Ionen-Akkus.
Foto: PantherMedia / jarp14
| Das Wichtigste in Kürze |
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Inhaltsverzeichnis
- Die statistische Realität der Fahrzeugbrände
- Versicherer ordnet die Lage ein
- Warum E-Autos anders brennen als Verbrenner
- Herausforderung Traktionsbatterie
- Sicherheit durch Design: Was die Technik leistet
- Neue Taktiken für die Feuerwehr: Von Containern und Löschsäcken
- Tiefgaragen und Fähren: Risikozonen unter der Lupe
- Brände auf Schiffen
- Die Zukunft: KI und Sensorik als Brandschutz
- Versicherung und Verhalten im Ernstfall
Spektakuläre Bilder von brennenden Fahrzeugen auf Autobahnen oder in Schiffsbäuchen sorgen regelmäßig für Schlagzeilen. Oft stehen dabei Elektroautos im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Flammen wirken aggressiver, die Rauchentwicklung massiver.
Das schürt Ängste bei potenziellen Käuferinnen und Käufern. Doch halten diese Eindrücke einer nüchternen ingenieurwissenschaftlichen Betrachtung stand? Wenn Sie die nackten Zahlen und die technische Realität betrachten, ergibt sich ein Bild, das stark von der emotionalen Debatte abweicht.
Die statistische Realität der Fahrzeugbrände
In Deutschland registrieren die Versicherer jedes Jahr eine beachtliche Anzahl an Fahrzeugbränden. Laut der Brandstatistik des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) brannten im Jahr 2023 insgesamt 14.200 kaskoversicherte Pkw. Die Versicherungsunternehmen leisteten dafür Zahlungen von über 100 Millionen Euro. Im Schnitt schlägt ein Brand mit etwa 7100 Euro zu Buche. In diesen Zahlen sind alle Antriebsarten enthalten.
Interessant wird es, wenn Sie die Brandhäufigkeit ins Verhältnis zum Fahrzeugbestand setzen. Am 1. Januar 2025 machten reine Elektroautos nur etwa 3,3 % des Pkw-Bestandes in Deutschland aus. Rechnen Sie die Plug-in-Hybride mit 2 % hinzu, kommen Sie auf einen Anteil von gut 5 %.
Diese geringe Grundgesamtheit verzerrt oft die Wahrnehmung. Dennoch liefern internationale Daten klare Hinweise. Eine weltweite Untersuchung über den Zeitraum von 2010 bis 2020 zeigt, dass lediglich 0,0012 % der Elektroautos in Brand gerieten. Bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor lag dieser Wert bei 0,1 %. Damit ist das Risiko bei einem Verbrenner rein rechnerisch um ein Vielfaches höher.
Versicherer ordnet die Lage ein
Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV, ordnet die Lage gegenüber der dpa wie folgt ein: „Aus unseren Statistiken haben wir keine Hinweise, dass Elektrofahrzeuge häufiger brennen als Autos mit Verbrennungsmotor.“ (Quelle: GDV/dpa)
Auch Daten aus den USA stützen diese Erkenntnis. Auf 100.000 verkaufte Fahrzeuge kommen dort im Schnitt etwa 1530 Brände bei Verbrennern, aber nur rund 25 Brände bei Elektroautos. Überraschenderweise führen Hybridfahrzeuge die Statistik mit über 3400 Bränden pro 100.000 Einheiten an. Dies liegt vermutlich an der komplexen Kombination aus beiden Systemen und der damit verbundenen höheren Anzahl an potenziellen Fehlerquellen.
Warum E-Autos anders brennen als Verbrenner
Wenn ein Fahrzeug brennt, ist die Ursache oft banal: Brandstiftung, Vandalismus oder Defekte an der Elektrik. Besonders zum Jahreswechsel schnellen die Zahlen nach oben. An Silvester brennen oft so viele Autos wie sonst in einem ganzen Monat. Dennoch unterscheiden sich die technischen Brandmechanismen zwischen den Antriebswelten grundlegend.
Beim Verbrennungsmotor führen meist Kraftstofflecks, heißgelaufene mechanische Bauteile oder Kurzschlüsse im 12-Volt-Bordnetz zum Feuer. Ein Benzinbrand entwickelt sofort eine intensive Flammenbildung. Die Feuerwehr kann diesen jedoch mit Wasser oder Schaum meist zügig unter Kontrolle bringen.
Herausforderung Traktionsbatterie
Bei einem Elektroauto liegt die Herausforderung in der Traktionsbatterie. Hier kann es zum sogenannten „Thermal Runaway“ kommen. Dieser thermische Durchgang beschreibt eine Kettenreaktion: Eine Batteriezelle überhitzt, etwa durch einen internen Kurzschluss oder eine mechanische Beschädigung. Die entstehende Hitze setzt Energie in der benachbarten Zelle frei. Das brennbare Elektrolyt verdampft, Gase treten aus und entzünden sich.
Karl-Heinz-Knorr, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbands, beschreibt die Intensität gegenüber dem ADAC: „Wenn ein E-Auto-Akku brennt, ist mit enormer Brandleistung zu rechnen – denn die ist bei einem Akku nicht geringer als bei einem aufgerissenen Tank.“
Ein wesentlicher Unterschied ist die Sauerstoffversorgung. Während ein Benzinfeuer Sauerstoff aus der Umgebung benötigt, liefern die chemischen Prozesse im Inneren einer Lithium-Ionen-Zelle den für die Verbrennung nötigen Sauerstoff teilweise selbst. Das macht das Löschen mit herkömmlichen Mitteln schwierig.
Sicherheit durch Design: Was die Technik leistet
Ingenieurinnen und Ingenieure haben Elektroautos so konstruiert, dass sie ein Maximum an Sicherheit bieten. Das Batteriepaket sitzt meist gut geschützt im Fahrzeugboden, umgeben von einem massiven Rahmen. In Crashtests, etwa beim Euro-NCAP oder durch den ADAC, schneiden E-Autos hervorragend ab. Selbst bei schweren seitlichen Aufprallsimulationen mit hohen Geschwindigkeiten bleibt das Akkupaket oft unbeschädigt.
Zusätzlich verfügen diese Fahrzeuge über eine ausgeprägte Eigensicherheit. Sensoren überwachen das System permanent. Registrieren sie einen Unfall, trennt eine Pyrosicherung oder ein Schaltschütz die Hochvolt-Batterie binnen Millisekunden vom restlichen Fahrzeug. Damit steht das System nicht mehr unter Spannung. Ersthelferinnen und Ersthelfer müssen daher keine Angst vor einem Stromschlag haben, solange sie die orangefarbenen Hochvoltkabel nicht berühren.
Ein weiterer Vorteil gegenüber dem Verbrenner: Es gibt keinen flüssigen Kraftstoff, der auslaufen und einen Flächenbrand verursachen könnte. Ein brennendes E-Auto bleibt oft ein lokales Ereignis, sofern das Feuer nicht auf die Umgebung übergreift.
Neue Taktiken für die Feuerwehr: Von Containern und Löschsäcken
Brennt die Batterie doch einmal, stehen Einsatzkräfte vor einer logistischen Herausforderung. Während für einen herkömmlichen Pkw oft 500 bis 1500 Liter Löschwasser genügen, benötigt ein brennender Akku deutlich mehr Kühlleistung. Die Rede ist hier von 3000 bis zu 11.000 Litern Wasser. Ziel ist es nicht, die Flammen zu ersticken, sondern die Temperatur der Zellen so weit zu senken, dass die Kettenreaktion stoppt.
Die Feuerwehr nutzt dafür verschiedene Methoden:
- Kühlung über Stunden: Einsatzkräfte spritzen kontinuierlich Wasser auf den Unterboden, um die Hitze abzuführen.
- Löschcontainer: Das Fahrzeug wird mit einem Kran in einen speziellen Metallcontainer gehoben. Diesen flutet die Feuerwehr anschließend mit Wasser, bis die Batterie vollständig untergetaucht ist. Das sorgt für eine sichere Kühlung, verursacht aber hohe Kosten und erfordert enorme Wassermengen.
- Löschsäcke (Recovery-Bags): Diese feuerfesten Hüllen werden über das Auto gestülpt und fixiert. Man benötigt hierfür nur etwa 2000 Liter Wasser. Diese Lösung ist effizienter und leichter zu transportieren.
- Löschlanzen: Diese Werkzeuge bohren sich direkt in das Batteriegehäuse, um Wasser ins Innere zu leiten. Experten raten jedoch zur Vorsicht, da man ohne genaue Kenntnis der Zellstruktur mehr Schaden anrichten kann.
Wichtig ist die Nachbereitung. Ein gelöschtes Elektroauto muss mindestens 24 Stunden lang beobachtet werden. Chemische Prozesse können das Feuer zeitversetzt erneut entfachen. Erst wenn die Temperatur der Batterie stabil unter 80 °C liegt, gilt die Gefahr als gebannt.
Tiefgaragen und Fähren: Risikozonen unter der Lupe
Die Sorge, dass E-Autos in Tiefgaragen eine unkontrollierbare Gefahr darstellen, teilen Experten nicht. Die Brandlast, also die Menge der brennbaren Stoffe, ist bei modernen Autos ohnehin hoch. Das liegt vor allem an den massenhaft verbauten Kunststoffen im Innenraum. Ob ein Verbrenner oder ein E-Auto brennt, macht für die Rauchentwicklung und die Hitze in einer geschlossenen Garage kaum einen Unterschied.
Dennoch haben Institutionen wie die GDV Broschüren für die Wohnungswirtschaft erstellt, um die sichere Installation von Ladeinfrastruktur zu gewährleisten. Professionell installierte Wallboxen minimieren das Risiko von Kabelbränden drastisch.
Brände auf Schiffen
Auf dem Wasser sieht die Lage etwas anders aus. Brände auf Autofrachtern wie der „Fremantle Highway“ haben die Schifffahrt sensibilisiert. Auf hoher See fehlen oft die massiven Wassermengen und die spezialisierten Teams, um einen Akkubrand zu bekämpfen. Griechenland hat darauf reagiert.
Seit April 2024 dürfen Akkus von Elektroautos auf griechischen Fähren nur noch zu maximal 40 % geladen sein. Auch Gastanks von Hybrid- oder Gasfahrzeugen dürfen nur noch zur Hälfte gefüllt sein. Diese Regelung soll die Energiemenge im Falle eines Brandes begrenzen und die Kontrolle erleichtern.
Die Zukunft: KI und Sensorik als Brandschutz
Die Forschung arbeitet intensiv daran, Brände zu verhindern, bevor sie entstehen. Ein zentraler Ansatz ist die „präventive Anomaliedetektion“. Hersteller wie Porsche nutzen Daten aus der Cloud, um den Zustand der Batterien in Echtzeit zu überwachen. Algorithmen erkennen kleinste Abweichungen in der Zellspannung oder im Temperaturverhalten, die auf einen Defekt hindeuten könnten. Das Fahrzeug weist Sie dann rechtzeitig an, eine Werkstatt aufzusuchen.
Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) entwickelt zudem Sensoren, die den Wechselstromwiderstand (Impedanz) innerhalb der Zellen messen. Ein veränderter Widerstand ist ein früher Indikator für Materialfehler oder Unfallfolgen. Ziel ist es, diese Technik direkt in das Batteriemanagementsystem (BMS) zu integrieren.
Noch einen Schritt weiter geht die „elektronische Nase“. Das sächsische Start-up SmartNanoTubes entwickelt einen Sensor-Chip, der Gase erkennt, die beim ersten Überhitzen einer Zelle austreten. Dieser Detektor soll den „Thermal Runaway“ bis zu 20 Minuten vor dem eigentlichen Brandausbruch registrieren können. In Kombination mit künftigen Feststoffbatterien, die ab 2030 serienreif sein könnten und als nahezu unbrennbar gelten, wird das Brandrisiko weiter sinken.
Versicherung und Verhalten im Ernstfall
Sollte es trotz aller Sicherheitsvorkehrungen brennen, sind Sie finanziell abgesichert. Die Teilkaskoversicherung deckt Brandschäden ab, egal ob durch einen technischen Defekt oder Selbstentzündung. Da die Teilkasko in der Vollkasko enthalten ist, besteht auch hier Schutz. Wichtig zu wissen: Ein Brandfall in der Teilkasko führt nicht zur Rückstufung Ihres Schadenfreiheitsrabatts. Wenn Ihr brennendes Auto die Garage beschädigt, springt Ihre Kfz-Haftpflichtversicherung für den Gebäudeschaden ein.
Falls Sie Rauch oder ungewöhnliche Geräusche an Ihrem Fahrzeug bemerken:
- Stoppen Sie das Fahrzeug sofort an einem sicheren Ort.
- Schalten Sie die Zündung aus (falls möglich).
- Verlassen Sie mit allen Insassen das Auto und halten Sie großen Abstand.
- Alarmieren Sie die Feuerwehr und weisen Sie explizit darauf hin, dass es sich um ein Elektrofahrzeug handelt.
- Führen Sie eine Rettungskarte hinter der Sonnenblende mit. Diese zeigt den Einsatzkräften, wo sie Trennvorrichtungen finden.
Verzichten Sie bei einem E-Auto-Brand auf eigene Löschversuche mit Handfeuerlöschern, die auf Wasser basieren. Die Gefahr durch giftige Rauchgase und die nötige Distanz machen dies für Laien unmöglich.
FAQ: Häufige Fragen zu Elektroauto-Bränden
Brennen Elektroautos häufiger als Verbrenner?
Nein. Daten von Versicherern und internationalen Studien zeigen: Pro Fahrzeug ist das Brandrisiko bei Verbrennern deutlich höher.
Warum wirken E-Auto-Brände so viel dramatischer?
Weil ein Akku-Brand länger dauern kann, stark raucht und schwerer zu kontrollieren ist. Das erhöht die mediale Aufmerksamkeit.
Was ist ein „Thermal Runaway“?
Eine Kettenreaktion in der Lithium-Ionen-Batterie: Eine überhitzte Zelle setzt benachbarte Zellen in Brand – teils mit Sauerstofffreisetzung aus der Zellchemie.
Sind E-Autos in Tiefgaragen gefährlicher?
Nein. Die Brandlast moderner Fahrzeuge ist generell hoch – unabhängig vom Antrieb. Entscheidend ist eine fachgerechte Installation der Ladeinfrastruktur (z. B. Wallbox).
Warum brauchen Feuerwehren so viel Wasser?
Nicht primär zum Löschen, sondern zum Kühlen. Ziel ist es, die Zelltemperatur zu senken und die Kettenreaktion zu stoppen.
Warum gelten auf Fähren strengere Regeln?
Auf See fehlen Wasser, Personal und Infrastruktur für langwierige Kühlung. Länder wie Griechenland begrenzen daher den Ladezustand zur Risikominimierung.
Kann ich ein brennendes E-Auto selbst löschen?
Nein. Handfeuerlöscher sind in der Regel wirkungslos und das Risiko durch Rauchgase hoch. Abstand halten und die Feuerwehr alarmieren.
Bin ich bei einem Brand versichert?
Ja. Die Teilkasko deckt Brandschäden ab – ohne Einfluss auf den Schadenfreiheitsrabatt.
Wie wird das Brandrisiko künftig weiter gesenkt?
Durch KI-gestützte Überwachung, Sensorik zur Früherkennung und perspektivisch durch Feststoffbatterien mit höherer intrinsischer Sicherheit.
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