Was ist passiert? 18.06.2025, 07:10 Uhr

Nach Air-India-Absturz: Airline streicht zahlreiche Boeing-787-Flüge

Während die Ermittlungen der Absturzursache der Air-India-Maschine angelaufen sind, streicht die Airline zahlreiche Boeing-787-Flüge.

Absturz Air-India-Maschine

Die Air-India-Maschine stürzte direkt in ein Wohngebiet. Rettungskräfte sind bereits vor Ort.

Foto: picture alliance / AP Photo/Ajit Solanki

Am 12. Juni stürzte eine Boeing 787-8 der Fluggesellschaft Air India kurz nach dem Start vom Flughafen Ahmedabad in ein Wohnheim einer medizinischen Hochschule. 241 der 242 Menschen an Bord starben. Auch am Boden gab es zahlreiche Todesopfer. Der Vorfall gilt als schwerstes Flugzeugunglück einer indischen Airline seit Jahrzehnten. Die Ermittlungen sind angelaufen – und sie sind komplex. Am Montag, dem 16. Juni, haben die Untersuchungsteam ihre Arbeit aufgenommen. Am Dienstag wurden zahlreiche Air-India-Flüge mit Boeing-787-Maschinen gestrichen.

Update 18. Juni: Sicherheitskontrollen nach dem Unglück

Nach dem tragischen Absturz eines Air-India-Flugzeugs am 12. Juni, bei dem 241 von 242 Menschen ums Leben kamen, hat die indische Luftfahrtaufsicht DGCA (Directorate General of Civil Aviation) umfassende Maßnahmen angeordnet. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht die Boeing-787-Flotte der Fluggesellschaft.

Die Aufsichtsbehörde forderte Air India auf, alle 33 Dreamliner einer erweiterten Sicherheitsinspektion zu unterziehen. Diese soll technische Risiken frühzeitig aufdecken und vorbeugende Wartung ermöglichen. Die Kontrollen betreffen unter anderem die elektronische Triebwerkssteuerung, das Hydrauliksystem, die Kraftstoffüberwachung sowie die Stromversorgung. Zusätzlich ordnete die DGCA an, bei Transitkontrollen künftig auch die Flugsteuerung zu prüfen.

Stellenangebote im Bereich Fahrzeugtechnik

Fahrzeugtechnik Jobs
DNV GL SE-Firmenlogo
Lead Auditor Automotive (m/w/d) DNV GL SE
Hamburg, Essen Zum Job 
VCDB VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH-Firmenlogo
Projektingenieur Elektromobilität Bus (m/w/d) VCDB VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH
Dresden Zum Job 
VCDB VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH-Firmenlogo
Projektingenieur Betriebshof- und Werkstattplanung (m/w/d) VCDB VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH
Dresden Zum Job 
Motherson Group-Firmenlogo
Hardware Architect - Automotive (m/f/d) Motherson Group
Stuttgart Zum Job 
Motherson Group-Firmenlogo
Hardware Architect - Automotive (m/f/d) Motherson Group
Stuttgart Zum Job 
FRIWO-Firmenlogo
Senior Softwareentwickler Embedded Systems / C/C++ (m/w/d) FRIWO
Ostbevern Zum Job 
Dekra Automobil GmbH-Firmenlogo
Sachverständiger Krane (m/w/d) Dekra Automobil GmbH
Heilbronn, Schwäbisch Hall Zum Job 
Dekra Automobil GmbH-Firmenlogo
Unfallanalytiker Verkehrsunfälle / Kfz Sachverständiger Unfallrekonstruktion (m/w/d) Dekra Automobil GmbH
Dekra Automobil GmbH-Firmenlogo
Prüfingenieur Fahrzeuge / Kfz Sachverständiger (m/w/d) ggf. zur Weiterbildung Dekra Automobil GmbH
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe-Firmenlogo
Ingenieurin / Ingenieur (w/m/d) im Referat A.II.2 "Sicherstellung Einsatzfähigkeit der Ausstattung - Technik" Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

Erste Bilanz: Flüge gestrichen, Inspektionen laufen

Am 17. Juni hatte Air India bereits 24 Flugzeuge erfolgreich überprüft. Zwei weitere waren laut Ministerium für Zivilluftfahrt (MoCA) am selben Tag noch in Arbeit. Vier Maschinen befanden sich zu diesem Zeitpunkt in Wartungseinrichtungen. Zwei weitere 787 standen in Delhi am Boden, ebenfalls zur Überprüfung.

Die Folge: Verspätungen, Engpässe – und zahlreiche gestrichene Verbindungen. Allein am Dienstag wurden 13 Boeing-787-Flüge annulliert, darunter Langstreckenverbindungen nach Paris, London, Wien und Dubai. Insgesamt wurden bis zu diesem Tag bereits 66 787-Flüge gestrichen. Die Rückflüge fielen in vielen Fällen ebenfalls aus, da sie mit denselben Maschinen geplant waren.

Wartungsprobleme und Koordinationslücken

In einem „hochrangigen“ Treffen mit Air India und der Tochtergesellschaft Air India Express äußerte die DGCA laut MoCA auch Kritik an der Koordination innerhalb der Airline-Gruppe. Die Wartungsabteilung, die operative Leitung und die Bodenabfertigung müssten künftig enger zusammenarbeiten.

Zudem bemängelte die Behörde Defizite beim Melden technischer Probleme. Sie forderte ein digitales System, das relevante Mängel in Echtzeit an sicherheitskritische Stellen übermittelt. Ziel ist eine bessere Reaktionsfähigkeit bei potenziellen Gefahren und eine schnellere Fehlerbehebung.

Flugbetrieb unter Druck – auch wegen Luftraumsperrungen

Neben technischen Inspektionen beeinträchtigen derzeit auch politische Rahmenbedingungen den Betrieb. Vor allem die Sperrung des Luftraums in Westasien erschwert Air India den Zugang zu Flughäfen in Europa, Nordamerika und dem Nahen Osten. Flugzeuge müssen Umwege fliegen, wodurch Umläufe gestört werden.

Bis zum Dienstagabend (18 Uhr) wurden 55 Großraumflüge von Air India durchgeführt. Gleichzeitig fielen 16 Flüge aus – 13 davon mit Boeing 787. Damit liegt die Annullierungsquote an diesem Tag bei rund 23 %.

Die DGCA erinnerte die Airlines daran, ihrer Informationspflicht nachzukommen. Passagiere müssten über Verzögerungen oder Ausfälle rechtzeitig informiert werden – über alle verfügbaren Kanäle. Auch die Betreuung am Flughafen müsse verbessert werden, um Unmut und Unsicherheit zu verringern.

Wie geht es weiter?

Die DGCA hat betont, dass die Boeing-787-Flotte von Air India bislang keine schwerwiegenden Mängel aufweist. Die erweiterten Prüfungen sind präventiv. Dennoch zeigt die Situation, wie stark sich technische, organisatorische und geopolitische Faktoren auf den Luftverkehr auswirken.

Wie schnell alle 33 Dreamliner wieder voll einsatzbereit sein werden, bleibt offen. Air India steht unter Druck, das Vertrauen der Passagiere zu sichern – und gleichzeitig die Anforderungen der Behörden zu erfüllen.

Update 17. Juni: Zwei Untersuchungsebenen

Die technische Unfallanalyse übernimmt das „Aircraft Accident Investigation Bureau“ (AAIB) in Indien. Dabei arbeitet es eng mit internationalen Partnern zusammen. Fachleute aus den USA und Großbritannien unterstützen die Untersuchungen. Das liegt daran, dass die Boeing 787 in den Vereinigten Staaten gebaut wurde und auch Triebwerke des US-Herstellers GE eingebaut sind.

Zusätzlich hat die indische Regierung einen eigenen Ausschuss ins Leben gerufen. Dieser soll nicht nur den konkreten Unfallhergang bewerten, sondern auch übergreifende Verbesserungen für die Luftfahrtsicherheit vorschlagen. Das Gremium steht unter Leitung von Innenminister Govind Mohan. Mitglieder kommen unter anderem aus der Luftwaffe, dem Innen- und Zivilluftfahrtministerium, dem Geheimdienst sowie aus der Regionalregierung von Gujarat.

Laut Regierungsangaben ist das Ziel des Ausschusses klar: „Er wird keine anderen Untersuchungen ersetzen, sondern umfassende Leitlinien zur Verhinderung und Bewältigung künftiger Vorfälle erarbeiten.“

Erste Hinweise und offene Fragen

Flugdaten deuten darauf hin, dass das Signal der Maschine bereits kurz nach dem Abheben verschwand – in nur rund 625 Fuß Flughöhe. Danach sank die Maschine mit hoher vertikaler Geschwindigkeit und zerschellte im dicht bebauten Gebiet.

Nach offiziellen Angaben hatte die Crew noch einen Mayday-Ruf an den Tower in Ahmedabad gesendet. Die Ursache für den Absturz ist bislang nicht geklärt. Möglich sind technische Defekte, menschliches Versagen, Witterungseinflüsse oder auch Probleme in der Kommunikation.

Daher setzt die AAIB auf eine detaillierte Auswertung der Flugdatenschreiber. Ein Team von Boeing ist bereits vor Ort, ebenso wie britische Fachleute. Gemeinsam analysieren sie Trümmerteile, elektronische Bauteile und versuchen, die genaue Ereigniskette zu rekonstruieren.

Blick in die Vergangenheit

Der Ausschuss orientiert sich bei seiner Arbeit auch an früheren Flugzeugunfällen in Indien. So wurden die Abläufe nach dem Absturz in Mangaluru 2010 sowie dem Crash in Kozhikode 2020 analysiert und mit dem aktuellen Fall verglichen.

Solche Vergleiche sollen helfen, strukturelle Schwächen in der Notfallorganisation und der technischen Überwachung aufzudecken. Auch der Umgang mit Katastrophenfällen, etwa die Koordination zwischen Bund, Ländern und Rettungsdiensten, steht auf dem Prüfstand.

Menschliche Tragödie im Fokus

Die Identifizierung der Todesopfer läuft unter Hochdruck. Bis Montag konnten laut dem Zivilkrankenhaus in Ahmedabad DNA-Daten 87 Personen zugeordnet werden. Einige Leichen wurden bereits in ihre Heimatdistrikte überführt.

Unter den Verstorbenen befindet sich auch der frühere Ministerpräsident von Gujarat, Vijay Rupani. Sein Leichnam wurde mit militärischen Ehren bestattet.

Der einzige Überlebende des Unglücks, ein britischer Staatsbürger indischer Herkunft, wird derzeit medizinisch behandelt. Sein Zustand ist stabil, weitere Informationen wurden bislang nicht veröffentlicht.

Was nun?

Die technische Hauptuntersuchung soll innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein. Der Bericht des indischen Regierungsausschusses wird deutlich früher erwartet – nach spätestens drei Monaten.

Beide Analysen sollen dazu beitragen, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt. Der internationale Fokus auf den Fall ist groß – nicht zuletzt deshalb, weil die Boeing 787 weltweit in großer Zahl im Einsatz ist. Die Katastrophe könnte auch Auswirkungen auf Zulassungen, Wartungszyklen oder Flugrichtlinien haben.

Update 15. Juni: Zweite Blackbox der Air-India-Maschine gefunden

Während der Flugdatenschreiber (FDR) bereits kurz nach dem Unglück gefunden wurde, fehlte zunächst die zweite zentrale Komponente: der Cockpit Voice Recorder (CVR). Diese sogenannte zweite Blackbox nimmt die Gespräche im Cockpit auf – darunter auch Alarmmeldungen und andere akustische Signale.

Nun bestätigten die Ermittlungsbehörden, dass auch der CVR gefunden und gesichert wurde. Die Flugunfalluntersuchungsbehörde AAIB erklärte dazu: „Beamte bestätigten Dr. Mishra, dass der Flugdatenschreiber (FDR) und der Cockpit-Voice-Recorder (CVR) gefunden und gesichert wurden.“

Internationale Zusammenarbeit bei der Untersuchung

Da die verunglückte Boeing 787-8 aus den USA stammt, ist auch die US-amerikanische Nationale Verkehrssicherheitsbehörde (NTSB) an den Ermittlungen beteiligt. Diese Zusammenarbeit folgt internationalen Standards, wie sie bei Flugunfällen mit internationaler Beteiligung üblich sind.

Die AAIB hat eine umfassende Untersuchung eingeleitet. Mit dem Fund beider Blackboxen verfügen die Ermittler nun über die wichtigsten technischen Datenquellen. Der Flugdatenschreiber liefert Informationen über Geschwindigkeit, Flughöhe und Systemstatus der Maschine. Der Cockpitrekorder gibt zusätzlich Aufschluss über Gespräche, Warnungen und Geräusche vor dem Unglück.

Hochrangiger Besuch vor Ort

Am Sonntag besuchte P. K. Mishra, Chefsekretär von Premierminister Narendra Modi, die Absturzstelle. Er verschaffte sich ein Bild der Lage, sprach mit Hinterbliebenen und Verletzten und informierte sich über die Fortschritte der Ermittlungen.

„Ich bin zutiefst erschüttert von dem Ausmaß dieser Tragödie. Alle sind traurig. Es ist unsere Pflicht, die Trauer zu teilen und unsere Gefühle für die Opfer zum Ausdruck zu bringen“, erklärte Mishra vor Journalist*innen.

Koordination zwischen Behörden

Im Anschluss leitete Mishra eine Besprechung im Circuit House in Ahmedabad. Anwesend waren Vertreter*innen der Zentralregierung, der Landesregierung, der AAIB sowie der indischen Flughafenbehörde.

Zentrale Themen der Sitzung waren:

  • die laufenden Rettungs- und Bergungsmaßnahmen,
  • der Stand der Unfalluntersuchung,
  • die Koordination zwischen medizinischen und forensischen Einrichtungen.

Laut einer offiziellen Mitteilung des indischen Presseinformationsbüros (PIB) sagte Mishra: „Unter dem Vorsitz einer hochrangigen Besprechung im Circuit House erörterte Dr. Mishra die laufenden Hilfs-, Rettungs- und Ermittlungsmaßnahmen mit hochrangigen Beamten der Zentral- und Landesregierungen, der AAIB und der indischen Flughafenbehörde.“

Identifizierung der Opfer läuft

Ein schwieriger Teil der Aufarbeitung bleibt die Identifizierung der Opfer. Im Civil Hospital in Ahmedabad traf Mishra mit Angehörigen zusammen. Einige äußerten Kritik an der Dauer des DNA-Abgleichs. Mishra betonte jedoch, dass man alles unternehme, um das Verfahren wissenschaftlich genau und gleichzeitig möglichst zügig abzuschließen.

Im Forensic Science Laboratory (FSL) in Gandhinagar überzeugte sich Mishra selbst von der Arbeitsweise der DNA-Analysen. Die Verantwortlichen arbeiten mit Hochdruck daran, alle Opfer korrekt zu identifizieren.

Update 14. Juni: Air India prüft gesamte Dreamliner-Flotte

Nach dem Absturz der Boeing 787-8 in Ahmedabad hat die indische Luftfahrtaufsicht DGCA reagiert. Mit Wirkung zum 15. Juni 2025 ordnete sie eine sofortige technische Inspektion aller Boeing 787-8- und 787-9-Maschinen mit Genx-Triebwerken an. Die Maßnahme gilt nicht nur für Air India, sondern auch für andere Betreiber dieser Flugzeugtypen in Indien. Die Fluggesellschaft kündigte an, die Vorgaben umgehend umzusetzen.

In einer Mitteilung erklärte Air India: „Air India ist dabei, die von der indischen Luftfahrtbehörde DGCA angeordneten einmaligen Sicherheitsüberprüfungen abzuschließen. Diese Überprüfungen werden an der Boeing 787-Flotte bei ihrer Rückkehr nach Indien durchgeführt, bevor sie für den nächsten Flugbetrieb freigegeben werden.“ Nach eigenen Angaben wurden bis zum 14. Juni bereits neun Maschinen kontrolliert. Die verbleibenden 24 Flugzeuge sollen bis zum Ende der Frist folgen.

Was genau wird geprüft?

Die Anordnung der DGCA umfasst ein umfangreiches Prüfprogramm. Techniker*innen sollen unter anderem:

  • das elektronische Triebwerkssteuerungssystem (FADEC)

  • die Stellglieder für die Schubregelung

  • Hydraulikleitungen

  • die Diagnosesysteme der Kabinenluft

  • sowie kritische Kraftstoffparameter

kontrollieren. Zusätzlich sind Flugsteuerungsinspektionen fester Bestandteil der Transitkontrollen. Innerhalb von zwei Wochen müssen zudem Leistungstests aller betroffenen Maschinen abgeschlossen sein.

Air India wurde zudem verpflichtet, technische Vorfälle der letzten 15 Tage zu dokumentieren und der DGCA vorzulegen. Die Aufsichtsbehörde will dadurch eventuelle wiederkehrende Fehlerquellen erkennen.

Airbus nimmt gesamte Branche in die Pflicht

Ein Sprecher von Airbus erklärte, der tödliche Unfall eines Passagierflugzeugs der Boeing am Donnerstag in Indien sollte die gesamte Branche dazu anspornen, ihre Sicherheitskultur weiter zu verbessern. Das Unternehmen wies die Vorstellung zurück, dass der Absturz einem der beiden Flugzeughersteller im globalen Duopol einen Wettbewerbsvorteil verschaffen könnte.

„Sicherheit steht bei allem, was wir tun, an erster Stelle. Daher sehen wir die Tragödie in Indien in keiner Weise als Wettbewerbsvorteil“, sagte Christian Scherer, der den zivilen Flugzeugbereich von Airbus leitet, auf einer Pressekonferenz in Paris. „Wenn überhaupt, dann ist es eine Mahnung an uns alle, dass die Luftfahrt so sicher geworden ist, dass statistisch gesehen jeder Unfall völlig inakzeptabel ist.“

Zahl der Todesopfer steigt

Die Zahl der Todesopfer nach dem Flugzeugabsturz in Indien ist auf mindestens 270 gestiegen. Rettungskräfte entdeckten bei den laufenden Bergungsarbeiten weitere Leichen. Mindestens 29 Menschen starben demnach in einem Wohngebiet, als das Flugzeug in die Häuser stürzte. An Bord der Maschine befanden sich 242 Personen – nur eine davon überlebte das Unglück.

Die Identifizierung der Opfer ist noch nicht abgeschlossen. Einige Angehörige äußerten Unmut über die Dauer des Prozesses. Laut Behörden kann ein DNA-Abgleich bis zu 72 Stunden dauern. Man wolle die Verfahren jedoch beschleunigen, um den Familien schneller Gewissheit zu geben.

Expertenausschuss soll Ursachen und Fehler analysieren

Der Absturz des Air-India-Flugs AI-171 am 12. Juni 2025 hat die indische Luftfahrt erschüttert. Von den 242 Menschen an Bord überlebte nur eine Person. Die Maschine stürzte kurz nach dem Start in Ahmedabad auf dem Weg nach London-Gatwick ab. Die Ursachen sind noch unklar. Die indische Regierung hat nun reagiert: Ein hochrangiger Untersuchungsausschuss soll den Vorfall umfassend analysieren.

Zusammensetzung des Gremiums

Der Ausschuss besteht aus Mitgliedern verschiedener Behörden. Unter der Leitung des Innenministers der Union beteiligen sich unter anderem das Ministerium für Zivilluftfahrt, die indische Luftwaffe sowie Fachleute aus der Luftfahrt. Auch Vertreter der Regierung von Gujarat, der Polizei und der Katastrophenschutzbehörde sind Teil des Gremiums. Bei Bedarf können weitere externe Expert*innen hinzugezogen werden.

Der Ausschuss erhält Zugang zu allen relevanten Unterlagen: darunter Flugschreiber-Daten, Cockpit-Aufzeichnungen, Wartungsprotokolle, Protokolle der Flugüberwachung und Zeugenaussagen. Innerhalb von drei Monaten soll ein Abschlussbericht vorliegen.

Ziel: Ursachenforschung und Reformvorschläge

Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Frage: Warum kam es zu diesem Absturz? Die Mitglieder untersuchen jedoch nicht nur die unmittelbaren technischen und organisatorischen Ursachen. Auch das Krisenmanagement vor Ort, die Koordination der Rettungskräfte sowie die Zusammenarbeit zwischen staatlichen und lokalen Stellen sollen bewertet werden.

Ein weiteres Ziel: Die bestehenden Vorschriften für Notfälle in der Luftfahrt sollen überprüft und verbessert werden. Die daraus resultierenden Standardarbeitsanweisungen (SOPs) sollen sich an bewährten internationalen Verfahren orientieren.

Blick über den Einzelfall hinaus

Der Ausschuss beschränkt sich nicht auf die Analyse des aktuellen Vorfalls. Er wird auch frühere Flugunfälle in Indien in die Bewertung einbeziehen. So sollen wiederkehrende Muster erkannt und gezielte Maßnahmen erarbeitet werden. Dabei stehen auch Schulungen, politische Reformen und operative Änderungen im Fokus.

„Der Ausschuss wird die bestehenden Richtlinien für den Umgang mit solchen Vorfällen prüfen und Aufzeichnungen über frühere Flugzeugabstürze im Land durchgehen“, heißt es in der offiziellen Mitteilung des Ministeriums.

Internationale Zusammenarbeit möglich

Falls internationale Flugzeughersteller oder ausländische Staatsangehörige betroffen sind, wird das Gremium mit internationalen Institutionen kooperieren. Auch Ortsbegehungen und Gespräche mit direkt Beteiligten – wie Fluglots*innen oder Crew-Mitgliedern – sind geplant.

Die Regierung stellt klar, dass der neue Ausschuss keine laufenden Untersuchungen ersetzt. Vielmehr soll er zusätzliche Erkenntnisse liefern, um künftige Unfälle besser zu verhindern.

13. Juni: Absturz kurz nach dem Start – was geschah?

Der Langstreckenflug AI171 war um 13:38 Uhr Ortszeit vom Sardar Vallabhbhai Patel International Airport in Ahmedabad mit Ziel London-Gatwick gestartet. Nur eine Minute später, um 13:39 Uhr, meldete der Flugkapitän per Funk ein „Mayday“ – ein vollständiger Notruf. Es war der letzte Kontakt.

Flugdaten deuten auf einen kritischen Verlauf hin: Die Boeing erreichte lediglich rund 625 Fuß (190 Meter) Höhe, bevor sie mit etwa 475 Fuß pro Minute wieder zu sinken begann – ein klares Zeichen für massiven Leistungsverlust oder Kontrollverlust.

Einschlag in ein Wohnheim

Anstatt weiter zu steigen, verlor das Flugzeug rapide an Höhe und krachte gegen 13:42 Uhr in ein mehrstöckiges Wohnheim des BJ Medical College. Dieses liegt im dicht bebauten Stadtteil Meghani Nagar – nur wenige Kilometer vom Flughafen entfernt. Eine Explosion erschütterte die Gegend, dicke Rauchschwaden stiegen auf. Trümmerteile, darunter das Heck der Boeing, ragten aus der Gebäudestruktur.

Ersten Berichten zufolge kamen neben den 241 Menschen an Bord auch mindestens sechs weitere Personen am Boden ums Leben, darunter mehrere Medizinstudierende. 50 weitere Menschen wurden verletzt.

Absturzstelle

Karte von der Absturzstelle.

Foto: picture alliance / Anadolu/Mehmet Yaren Bozgun

Ein Mann überlebte das Unglück – Vishwash Kumar Ramesh, ein britischer Staatsbürger indischer Herkunft. Er soll kurz vor dem Aufprall aus dem Flugzeug gesprungen sein, möglicherweise durch eine Notöffnung oder ein aufgebrochenes Fenster. Der 38-Jährige wird aktuell in einem Krankenhaus in Ahmedabad behandelt. Premierminister Narendra Modi besuchte ihn persönlich im Zivilkrankenhaus.

Wer war an Bord?

Die Passagierliste umfasst 230 Reisende und zwölf Besatzungsmitglieder, darunter zwei erfahrene Piloten:

  • Kapitän Sumeet Sabharwal: 8.200 Flugstunden
  • Copilot Clive Kundar: 1.100 Flugstunden

Staatsangehörigkeiten:

  • 169 Passagiere aus Indien
  • 53 aus Großbritannien
  • 7 aus Portugal
  • 1 aus Kanada

Zu den Opfern zählt auch der frühere Ministerpräsident des Bundesstaates Gujarat, Vijay Rupani, ein prominentes Mitglied der regierenden BJP.

Erste Untersuchungen und Flugdatenauswertung

Die indische Aircraft Accident Investigation Bureau (AAIB) leitete umgehend eine Untersuchung ein. Unterstützt wird sie vom US National Transportation Safety Board (NTSB) sowie Boeing selbst. Flugdatenschreiber (FDR) und Cockpit-Stimmenrekorder (CVR) wurden aus den Trümmern geborgen und zur Auswertung an ein Labor übergeben.

Die Auswertung der Flugschreiber-Daten sei nun entscheidend für die Aufklärung des Unglücks, erklärte der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Derzeit sei es für eine Einschätzung noch zu früh. „Eine Erklärung könnte zum Beispiel sein, dass die Startklappen nicht richtig gefahren sind“, sagte Großbongardt in der tagesschau. „Aber man kann im Augenblick wirklich nur spekulieren, denn entscheidend ist, dass der Flugdatenschreiber geborgen wird, dass die Daten analysiert werden und man dann sieht, was passiert ist im Flugzeug.“

Parallel arbeiten die Ermittler an einer digitalen Flugrekonstruktion. ADS-B-Daten (Automatic Dependent Surveillance – Broadcast) liefern präzise Informationen zu Flugverlauf, Geschwindigkeit, Höhe und Bewegungsrichtung. Diese Informationen sollen mit Triebwerksdaten und Steuerbefehlen abgeglichen werden, um mögliche Auslöser zu identifizieren.

Air India – sichere Airline mit schwierigem Erbe?

Luftfahrtexperten betonen: Air India hat in den letzten Jahrzehnten keine größere Katastrophe mehr verzeichnet. Die letzte mit mehr als 100 Todesopfern liegt über 40 Jahre zurück – ein Terroranschlag auf den Flug 182 im Jahr 1985. Dennoch bleibt die Airline nicht frei von Kritik.

Vergangenheit voller Altlasten

In ihrer Zeit als staatliche Fluggesellschaft war Air India lange für veraltete Flotten, Ineffizienz und technische Pannen bekannt. 2022 übernahm der indische Industriekonzern Tata Group die Airline. Ziel: eine umfassende Modernisierung – neue Flugzeuge, bessere Wartung, modernes Servicekonzept.

Die Boeing-787-Flotte von Air India zählt derzeit 27 Maschinen. Zwischen 2015 und 2024 wurden 32 Zwischenfälle dokumentiert: Triebwerksausfälle, Druckverlust, Probleme mit der Elektronik. Todesfälle gab es bis zum aktuellen Fall jedoch keine.

Wieder auf dem Prüfstand: Der Dreamliner und Boeings Konstruktionsqualität

Der Absturz betrifft erstmals eine Boeing 787-8 mit Totalverlust und Todesopfern – ein empfindlicher Einschnitt für Boeing. Und: Er bringt alte Vorwürfe gegen den Hersteller zurück ins Rampenlicht.

Whistleblower-Warnung: Fehlerhafte Rumpfmontage?

Sam Salehpour, ein Boeing-Ingenieur und Whistleblower, warnte 2024 vor Produktionsmängeln bei der 787. In einer Beschwerde an die US-Luftfahrtbehörde FAA kritisierte er:

  • Mangelhafte Verfüllung von Spalten im Rumpf
  • Abweichungen bei der Montage von Rumpfteilen
  • Manipulation durch mechanische „Anpassung“ auf dem Hallenboden

Salehpour berichtete: „Ich habe gesehen, wie Mitarbeiter auf Flugzeugteile sprangen, um sie auszurichten. So baut man kein Flugzeug.“

Boeing bestritt die Vorwürfe, die FAA leitete dennoch eine Untersuchung ein. Bisher blieb ein Rückruf der Maschinen aus – doch der aktuelle Absturz verleiht der Debatte neue Brisanz.

Stimmen aus der Branche: Technisches Versagen oder Konstruktionsmangel?

Luftfahrtexperten analysieren mögliche Szenarien:

  • Doppelter Triebwerksausfall? Unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen
  • Steuerungsausfall? Denkbar durch elektrische Störung oder Softwareversagen
  • Strukturelles Versagen? Denkbar bei beschädigtem Rumpf oder Tragflächenansatz
  • Externe Faktoren: Vogelschlag, fehlerhafter Sensor, Windeffekte

Heinrich Großbongart (Luftfahrtexperte): „Das Flugzeug verlor sofort Leistung, konnte nicht mal das Fahrwerk einziehen. Ein Sackflug – und dafür gibt es bisher keine schlüssige Erklärung.“

Anteilnahme und Entschädigung

Die Tata-Gruppe kündigte eine Entschädigung von 10 Millionen Rupien (etwa 110.000 Euro) pro Todesopfer an. Verletzte erhalten umfassende medizinische Betreuung. Auch ein Neubau des zerstörten Wohnheims ist geplant.

Indiens Premierminister Narendra Modi äußerte öffentlich sein Mitgefühl, ebenso der britische Premierminister Keir Starmer, König Charles III. sowie Papst Leo XIV.

Bedeutung für die globale Luftfahrt

Der Absturz wirft mehrere Fragen auf:

  • Wird Boeing die Dreamliner-Qualität erneut prüfen müssen?
  • Stehen bald weltweite Überprüfungen an?
  • Ist der Startbereich in Ahmedabad zu dicht besiedelt?

Bislang galt die Boeing 787-8 als sicher. Doch das Vertrauen in das „Dreamliner“-Konzept ist erschüttert – vor allem, wenn sich strukturelle Fertigungsprobleme bestätigen sollten.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

Themen im Artikel

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.