Umwelt 07.12.2023, 12:56 Uhr

Kunststoffrecycling: Überkritisches Wasser zerlegt den Plastikmüll

Aus Recyclingprodukten wird neues Granulat für frische Bauteile hergestellt. Dieses Recycling lässt sich beliebig oft wiederholen. Die erste Anlage befindet sich in der Inbetriebnahme.

Stapel von Plastikflaschen bereit für das Recycling

Die Hydro PRS-Technologie in Teesside nutzt heißes Wasser und hohen Druck, um Plastikmüll in seine Moleküle zu zerlegen. (Symbolbild)

Foto: PantherMedia / gavran333

Nie war das Recycling von Kunststoffabfällen so einfach wie heute, zumindest im Prinzip. Ohne ihn vorher zu sortieren wird der Plastikmüll geschreddert. Die Fetzen werden in einen Trichter geschüttet und am anderen Ende der Maschine kommen fein säuberlich getrennt die Moleküle heraus, aus denen die Kunststoffe zusammengesetzt waren. Diese lassen sich nutzen, um neues Granulat für die Herstellung neuer Kunststoffe herzustellen, deren Qualität der aus neuem Granulat entspricht. Die erste großtechnische Anlage ist im britischen Teesside fertiggestellt worden, einer Samtgemeinde, die die Städte Middlesbrough, Stockton-on-Tees, Redcar und Billingham mit etwa 376.000 Einwohnern umfasst. Die Inbetriebnahme läuft und 2024 sollen die ersten Recyclingprodukte zu haben sein.

Mit heißem Wasser und hohem Druck

Eingesetzt wird die so genannte Hydro PRS-Technologie, die Mura Technology in London gemeinsam mit dem Ingenieursbüro KBR im texanischen Houston entwickelt hat. Diese arbeitet mit überkritischem Wasser, das bei einer Temperatur oberhalb von 374,12 Grad Celsius und einem Druck von mindestens 221 bar völlig neue Eigenschaften bekommt. Es wird zu einer Art Zwitter mit der Dichte von Wasser und der Viskosität von Dampf. In weltweit hunderten Kohlekraftwerken wird überkritisches Wasser eingesetzt, um den Wirkungsgrad der Stromerzeugung zu verbessern.

Wasser dringt in feste Materialien ein

Im Fall Teesside spielt etwas anderes eine Rolle. Überkritisches Wasser ist ein vorzügliches Lösungsmittel, das bereits zur Zersetzung von Elektroschrott, radioaktiv kontaminierter Erde und weiteren Problemstoffen eingesetzt wird. Es hat zwar die Konsistenz von Wasser, durchdring aber feste Materialien wie ein Gas. Mura hat herausgefunden, dass es auch bei Plastikmüll klappt und mit KBR eine Technik entwickelt, mit der sich das Verfahren in großem Stil nutzen lässt. Das Ausgangsmaterial, ein Mix aus vielen Kunststoffen, wird mit einer Extrusionstechnik von Erema im österreichischen Ansfelden verflüssigt und in den Mura-Reaktor gepresst. Dort trennt das überkritische Wasser die Moleküle voneinander, sodass sie erneut genutzt werden können. Am Ende des Prozesses befinden sich vier Wertstoffbehälter, in denen sich Naphta, schweres Gasöl, Wachs und Mitteldestillate sammeln, Ausgangsmaterialien für die Herstellung von Kunststoffgranulat. Die Zerlegung klappt sogar bei Folien, die bisher als nicht recycelbar gelten und stets verbrannt werden, auch wenn sie im gelben Sack gelandet sind.

Dauerhafter Kreislaufprozess

Die Wiederverwertung von gebrauchtem Plastik ist immer wieder möglich, weilgenau die Ausgangsprodukte entstehen, die für die Herstellung von neuen Kunststoffen benötigt werden. Plastik wird durch die Mura-Aufbereitungstechnik zu einem Material, das unbegrenzt in einem Kreislauf bleibt. „Weil der Müll nicht mehr verbrannt werden muss, sondern wiederverwertet wird, reduzieren sich die Emissionen an Kohlenstoffdioxid bei der Herstellung neuer Kunststoffbauteile um 80 Prozent“, sagt Mura-Chef Steve Mahon.

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Planung für eine Million Tonnen pro Jahr

Die Anlage in Teesside kann pro Jahr 20.000 Kunststoff-Mischabfälle recyceln. Bei einem Abfallaufkommen von weltweit 353 Millionen Tonnen im Jahr 2019, geschätzt von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – neuere Zahlen liegen nicht vor –, ist das nicht viel, doch Mahon hat große Pläne. Noch in diesem Jahrzehnt will er Anlagen mit einer Gesamtkapazität von einer Million Tonnen pro Jahr bauen. Eine davon soll in Böhlen südlich von Leipzig auf dem Gelände des US-Chemieunternehmens Dow entstehen.

Konkurrenzverfahren aus Birmingham

Mag sein, dass auch Stopford in dieses Recyclingrennen einsteigt. Das Unternehmen aus Manchester hat ein Verfahren namens CircuPlast lizenziert, das an der University of Birmingham entwickelt worden ist, um es zur Serienreife zu bringen. Genau wie bei der Mura-Technik zerlegt dabei überkritisches Wasser den Kunststoff in seine Bestandteile.

„Die Technologie mit überkritischem Wasser ist die nächste Generation für die Behandlung und das Recycling von hartnäckigen, komplexen und gefährlichen Abfällen, die derzeit verrannt oder auf Deponien gelagert werden“, so Bushra Al-Duri, Chemiker an der Hochschule in Birmingham und einer der Entwickler des Verfahrens.

Ein Beitrag von:

  • Wolfgang Kempkens

    Wolfgang Kempkens studierte an der RWTH Aachen Elektrotechnik und schloss mit dem Diplom ab. Er arbeitete bei einer Tageszeitung und einem Magazin, ehe er sich als freier Journalist etablierte. Er beschäftigt sich vor allem mit Umwelt-, Energie- und Technikthemen.

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