Hochwasserschutz: Forschende können Mega-Fluten vorhersagen
Die Flut im Ahrtal war ein vorhersehbares Ereignis. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende aus Wien, die ein Methode entwickelt haben, um Mega-Fluten vorherzusagen. Dabei werfen Sie einen Blick auf das große Ganze und betrachten nicht nur lokale Hochwasserereignisse.

Durch den Klimawandel wird es in Zukunft immer häufiger extreme Hochwasser-Ereignisse geben.
Foto: Panthermedia.net/Carmen Mair
Der Klimawandel macht es möglich: Die Flutkatastrophe im Ahrtal dürfte nur der Anfang gewesen sein, wie zahlreiche Hochwasser-Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit zeigen. Allein in Europa gab es dieses Jahr Überschwemmungen in Italien, Österreich, Griechenland, Bulgarien oder der Türkei mit teils verheerenden Folgen. In Libyen sind laut UN rund 11.000 Tote zu beklagen. Nun wären wahrscheinlich nicht alle Menschen zu retten gewesen, durch bessere Vorhersagen und daraufhin eingeleitete Schutzmaßnahmen jedoch sicherlich einige davon. Hier kommt die Technische Universität Wien ins Spiel, die eine neue Methode entwickelt hat, um solche Mega-Fluten deutlich besser vorhersagen zu können. Die Methode basiert auf internationalen Daten hydrologisch ähnlicher Gebiete.
Womit ist im schlimmsten Fall zu rechnen?
Die Einschätzung von Hochwasserrisiken erfordert eine umsichtige Betrachtung potenzieller Extremereignisse, insbesondere in überflutungsgefährdeten Gebieten. Traditionell basiert die Vorhersage solcher Risiken auf historischen Daten der schlimmsten bekannten Überschwemmungen. Jedoch haben jüngste „Mega-Fluten“ gezeigt, dass diese Methode zu Fehleinschätzungen führen kann, da sie Ereignisse von unerwartetem Ausmaß nicht immer miteinbezieht.
In einer aktuell veröffentlichten Studie zeigen Forschende der TU Wien einen anderen Weg auf. Durch die Analyse von Hochwasserdaten im gesamteuropäischen Kontext statt nur lokaler Ereignisse hat das Forschungsteam festgestellt, dass solche extremen Überschwemmungen vorhersagbarer sind als zuvor angenommen. Dadurch lassen sich Hochwasserschutzmaßnahmen ganz anders planen als bisher. Die Ergebnisse der Studie wurden im Wissenschaftsjournal „Nature Geoscience“ veröffentlicht.
Blick auf das große Ganze bringt den Durchbruch
Im Jahr 2021 kam es zur Flutkatastrophe im Ahrtal und Belgien, bei der insgesamt 220 Menschen starben. Die Intensität dieser „Mega-Flut“ übertraf alle Erwartungen. Professor Günter Blöschl, Leiter des Instituts für Wasserbau und Ingenieurhydrologie an der Technischen Universität Wien und Leiter der zugehörigen Studie, erläutert die Schwierigkeiten bei der Vorhersage solch extremer Naturereignisse. Demnach stützen sich bisherige Prognosemethoden auf statistische Analysen regionaler Hochwasserhistorien, mit einer hohen Vorhersagewahrscheinlichkeit für moderate Überschwemmungen und einer geringeren für größere.
Die Wiener Forschungsgruppe wagte einen Blick auf das große Ganze. Für ihre Studie wertete sie die Daten von über 8000 europäischen Messstationen aus, die Zeiträume von 1810 bis 2021 umspannen. „Der entscheidende Schritt war, für die Analyse bestimmter Flussgebiete auch Daten aus anderen ähnlichen Flussgebieten mit einfließen zu lassen“, erklärt Dr. Miriam Bertola vom Institut für Wasserbau und Ingenieurhydrologie an der TU Wien, die Erstautorin der aktuellen Publikation. „Jedem hydrologischen Einzugsgebiet lassen sich andere Einzugsgebiete zuordnen, die klimatisch und hydrologisch ähnliche Parameter aufweisen.“
Flutkatastrophe im Ahrtal lag im erwartbaren Bereich
Die Flutkatastrophe im Ahrtal traf Verantwortliche und Bewohner relativ überraschend, das Forschungsteam konnte nun zeigen, dass sie vorhersehbar gewesen wäre. Man hätte nur die Daten aus anderen Gebieten mit einbeziehen müssen. Denn wenn man die historischen Hochwasserdaten aus ganz Europa mit einbezieht, wird nach Auskunft der Forschenden plötzlich eine Struktur sichtbar.
So könne man dann eine Obergrenze bestimmen, die das Maximum darstellt, was an Hochwasserereignissen möglich ist. In ihren Studien kamen die Wiener Forschenden zu dem Ergebnis, dass selbst Mega-Fluten wie die im Ahrtal unter dem liegen, was als Obergrenze berechnet wurde. Vereinfacht gesagt: Je größer die verwendete Datenmenge, desto besser wird aus einem statistischen Ausreißer ein erwartbares Ereignis.
„Wichtig ist, dass man dabei nicht unbedingt nur geografisch benachbarte Gebiete berücksichtigt, sondern Gebiete mit ähnlichen Bedingungen – die können sich auch weiter entfernt befinden“, betont Günter Blöschl. „Es ist daher von entscheidender Bedeutung, über die nationale Bewertung des Hochwasserrisikos hinauszugehen und Informationen über Mega-Fluten länder- und kontinentübergreifend auszutauschen, um den Überraschungsfaktor ihres Auftretens zu verringern und Menschenleben zu retten.“
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