Hochwasser in Australien 28.03.2013, 10:00 Uhr

Die ersten Stadtteile auf Pfählen zum Schutz gegen Hochwasser

Australien leidet unter immer häufigeren Wetterextremen und Naturkatastrophen. Mit dem Bau von Dämmen und anderen Maßnahmen versucht das Land, sich darauf einzustellen. Inzwischen gibt es schon Bewohner an der Küste, die ihre Häuser auf Pfähle setzen.

Katastrophale Hochwasser werden immer häufiger in Australien. Inzwischen entstehen in den Küstenregionen die ersten Häuser auf Pfählen.

Katastrophale Hochwasser werden immer häufiger in Australien. Inzwischen entstehen in den Küstenregionen die ersten Häuser auf Pfählen.

Foto: dpa/Dave Hunt

Die beiden Frauen hocken verängstigt auf der Ladefläche des Pick-ups, eine hält ein Baby schützend im Arm. Umzingelt sind sie von einer roten, lehmigen Flut, schon schwappt das Wasser auf die Ladefläche. Einzige Hoffnung ist die Rettung aus der Luft, mit dem Helikopter, der über ihnen schwebt. Doch das Baby kann nicht mit der Seilwinde in den Hubschrauber gezogen werden, es ist zu klein für den Tragegurt. Doch dann setzt einer aus dem Rettungsteam das Baby einfach in eine schwarze Tasche und befestigt diese an der Seilwinde. Schließlich dreht der Helikopter mit dem Baby und beiden völlig durchnässten, aber glücklichen Frauen, ab.

Szenen wie diese in Biloela, 580 km nordwestlich von Brisbane, spielten sich Anfang dieses Jahres viele in Australien ab. In den ersten Monaten des Jahres musste das Land mit den schlimmsten Überschwemmungen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1893 fertig werden. Ganze Stadtteile, wie in der 70 000-Einwohner-Stadt Bundaberg in Queensland, wurden evakuiert, nachdem fast 1000 Menschen mit dem Helikopter von den Dächern ihrer überfluteten Häuser gerettet wurden.

Armes Australien, reiches Australien. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von umgerechnet 1230 Mrd. € – erwirtschaftet von nur 22,7 Mio. Menschen – ist Australien eines reichsten Länder der Erde. Es verfügt über die weltweit größten natürlichen Ressourcen. „The Lucky Country“ – der Name kommt nicht von ungefähr.

Naturkatastrophen sind in Australien an der Tagesordnung

Doch während das Rohstoffgeschäft blüht, haben die Menschen des Inselkontinents mit immer neuen Naturkatastrophen zu kämpfen: mit Dürre, Hitze und schweren Buschbränden im Westen und Süden mit verheerenden Wirbelstürmen, Regenfluten und großflächigen Überschwemmungen im Norden und Osten. Auch die prächtigen Korallenriffe vor der Küste drohen infolge höherer Temperaturen und CO2-Gehalte des Wassers abzusterben.

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Und es könnte noch schlimmer kommen: Der Klimaforscher Ross Garnaut entwarf bereits 2008 im Auftrag der Bundesregierung ein Zukunftsszenario, das zunehmend realistisch erscheint. Garnaut warnte seine Landsleute vor jährlich Tausenden Todesfällen infolge häufiger Hitzewellen mit Temperaturen bis zu 50 0C und der Ausbreitung des Dengue-Fiebers. Auch die Landwirtschaft werde den Wetterextremen vielerorts nicht standhalten können.

Die jüngste Wetterstatistik weist ein halbes Dutzend schwerer Überschwemmungen seit 2007 aus – so viele wie zuvor in den 55 Jahren zwischen 1952 und 2007. Australien sei heute einer Vielzahl von Extremwettern ausgeliefert, sagt Nigel Tapper, Geographie- und Ökologie-Professor der Monash University in Melbourne. Neben dem La-Niña-Phänomen, das die ohnehin hohen Temperaturen im Südpazifik weiter ansteigen lässt, habe dazu auch die globale Erwärmung beigetragen.

Was aber bedeutet die Häufung von Naturkatastrophen für die Zukunft des Kontinents? Wer kommt für die wiederholt hohen Kosten für Reparaturen an der Infrastruktur auf? Müssen Häuser, Straßen und Brücken künftig anders gebaut werden? Werden Städte in Zukunft sogar an anderer Stelle, nämlich auf höherem Terrain, errichtet?

Versicherungsgesellschaften deuteten bereits an, Policen für Häuser, Grundstücke und Fahrzeuge in besonders gefährdeten Lagen künftig nicht mehr anbieten zu wollen. „Und wenn doch, dann zum horrendem Preis“, prognostiziert Nigel Tapper, der sich auf Klimafolgen für Wasser-, Energieversorgung und Verkehr spezialisiert hat.

Outback-Gemeinden, die auf den Bau von Flussdeichen verzichten, droht der „Insurance Council of Australia“ (ICA) sogar mit der Kündigung bestehender Verträge. Zugleich lobt der Versicherungsverband die Regierung, weil diese Mittel für Projekte des Hochwasserschutzes bereitgestellt habe – eine Maßnahme, für die die australischen Versicherungen seit vielen Jahren streiten.

Die Infrastruktur muss auf Hochwasser ausgerichtet werden

Australien muss „sich wandeln und umdenken“, meint Tapper. Das gelte insbesondere für die Instandhaltung der Infrastruktur, die aufgrund der schieren Größe des Kontinents ohnehin schwer zu unterhalten ist. Ron Dines, Bürgermeister der früheren Goldgräberstadt Gympie am Mary River, deren Innenstadt in den letzten zwölf Monaten viermal überflutet worden ist, fordert Verbesserungen an vorhandenen Infrastrukturen. „Eine drei Meter hohe Brücke, die bei der letzten Flut unter Wasser stand, muss vier oder fünf Meter hoch sein, um künftigen Fluten standzuhalten“, meint er. Und Straßen in sumpfigem Gelände benötigten Ummantelungen aus Gießbeton, um Überflutungen standzuhalten.

Gympie ist durchzogen von einem fast hundert Jahre alten unterirdischen Kanalsystem. Steigt der Pegel des Flusses, sprudelt das Wasser aus allen Kanälen. Gympies Innenstadt verwandelt sich bei Hochwasser „in einen großen Mühl-teich“, beklagt Dines. „Flussdeiche helfen da wenig.“ Diskutiert hätten er und seine Stadtratskollegen sogar eine komplette Neuerrichtung der Innenstadt auf höherem Gelände. „Doch wer soll das finanzieren?“, fragt sich der Bürgermeister. Momentan favorisiert der Stadtrat den Bau eines neuen Einkaufszentrums, das auf einem betonierten Parkdeck fußen soll, damit die Läden künftig nicht mehr absaufen.

Manch ein Australier erlebt in diesem Frühjahr ein Déjà-vu. So auch die 46-jährige Fotografin Caz McKee aus Bundaberg. Nach der letzten Flutkatastrophe zum Jahreswechsel 2010/2011 hatte sie die untere Etage ihres Hauses renoviert und neu gestrichen. Nur zwei Jahre später kam die nächste Flut. Erneut musste McKee alle ihre Besitztümer aus dem unteren Wohnbereich und der Küche nach oben räumen, um diese vor dem Wasser zu schützen. „80 000 Dollar habe ich beim letzten Mal für Reparaturen ausgegeben“, erzählt sie, „und zwar aus eigener Tasche, weil die Versicherung nicht zahlen wollte.“

Zukunftsängste löst bei Fachleuten auch der höhere Meeresspiegel aus. „Ein Anstieg von nur wenigen Millimetern führt dazu, dass bei Wirbelstürmen vergleichsweise große Flächen überschwemmt werden“, erläutert Roger Dargaville, Experte für erneuerbare Energien von der Universität Melbourne.

Die meisten Großstädte liegen an der Küste

Außer Brisbane seien auch andere australische Großstädte, fast ausnahmslos Küstenstädte, dem Hochwasser ausgeliefert. Sanddünen schützen sie vor hohen Wellen. In Sydney seien bei anhaltender Erderwärmung „Zehntausende Häuser in Gefahr, überflutet oder weggeschwemmt zu werden“, ergänzt Umweltplaner Steve Molino.

Heftige Stürme haben in den letzten Jahren vielen Stränden an der australischen Ostküste zugesetzt und die oberen Sandschichten weggerissen. Setzt sich dieser Trend fort, werden die Touristenzentren jedes Jahr Millionenbeträge auch für das Wiederaufspülen von Stränden aufbringen müssen. Zahlreiche Häuser entlang der Dünen und an Flussläufen sind durch Bodenerosion einsturzgefährdet. Professor Darryl Low Choy, Umweltplaner der Griffith University in Brisbane, fordert deshalb, Städte und Kommunen müssten solche gefährdete Grundstücke aufkaufen und die dortigen Bauten abreißen, damit sich die Dünenlandschaft regenerieren kann. Auch entlang der Flüsse wird die bisherige Bebauung vielerorts weichen müssen, geht es nach den Vorstellungen von Low Choy. Flussauen sollten künftig wieder von der Landwirtschaft genutzt werden. Wichtige Infrastrukturen wie Krankenhäuser oder Kindergärten müssten auf höherem Terrain errichtet werden, um sie vor Hochwasser zu schützen.

Aus dem Stegreif zählt Low Choy ein halbes Dutzend Hochwasserflächen Brisbanes auf, die für eine Besiedlung völlig ungeeignet seien. „Ganze Stadtteile sind auf trockengelegten Sümpfen errichtet worden“, erinnert er. „Bäche, die bei Hochwasser zu reißenden Strömen anschwellen, wurden einfach überbaut.“ Hinweise und Warnungen der Umweltplaner, so Low Choy, würden ignoriert.

Die ersten Australien bauen Häuser auf Pfählen

Für viele Bewohner Brisbanes werde wohl auch die nächste große Flut eine böse Überraschung sein, glaubt Nigel Tapper: „Manche Menschen begreifen nicht, dass sie in einem hochwassergefährdeten Gebiet leben. Andere wiederum riskieren wissentlich, regelmäßig überflutet zu werden, wenn sie dafür nur billig bauen können.“

Eine Möglichkeit, der Flut zu trotzen, sind die sogenannten „Queenslander“, Pfahlbautenähnliche Holzhäuser, die auf Stelzen errichtet sind. Mit ihren halboffenen und daher luftdurchlässigen Kellern sorgen sie an heißen Tagen für willkommene Kühle in den oberen Etagen. Und bei Hochwasser bleibt der höher gelegene Wohnbereich trocken.

Caryn Anderson wohnt in solch einem neuen „Queenslander”. Sie hat aus den jüngsten Naturkatastrophen „etwas gelernt“, wie sie sagt. Während der großen Flut vor zwei Jahren brauchte sie ein Kanu, um ihre Habseligkeiten aus dem alten Anwesen zu retten. Das neue Haus thront auf einem durchlässigen, oberirdischen Kellergeschoss und ist fast drei Meter höher als das alte. Tatsächlich haben es auch viele andere Einwohner Brisbanes wie Anderson gemacht. In Rocklea, auf einer Flussaue errichtet, rund 10 km südlich der Innenstadt, steht heute ein ganzer Stadtteil auf Stelzen.

Ein Beitrag von:

  • Jörg Schmilewski

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