„Transparenz ist möglich, man muss nur wollen“
In vielen Ländern macht der Abbau von Rohstoffen Arbeiter krank und schädigt die Umwelt. Automobilhersteller, die zu den größten Verbrauchern metallischer Rohstoffe gehören, könnten aufgrund ihrer Nachfragemacht vieles zum Besseren wenden. Doch tun sie genug? Fragen an den Volkswirt Jens Martens, der mit zwei weiteren Wissenschaftlern eine Studie zu diesem Thema veröffentlich hat.

Automobilhersteller zählen zu den bedeutensten Abnehmern von Silizium.
Foto: Eberspächer
Martens: Unsere Partnerorganisationen in vielen Entwicklungsländern berichten immer wieder von negativen Umweltfolgen und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen beim Rohstoffabbau.
Die Liste der Fallbeispiele ist lang: Sie reicht von der Verletzung des Rechts auf sauberes Trinkwasser beim Kupferabbau in Sambia über gesundheitliche Schäden durch erhöhte Schwermetallkonzentrationen in Peru bis zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit und willkürlichen Inhaftierungen in Indien und Indonesien.
Martens: Beides ist gleichermaßen problematisch. Oft treten die Probleme gleichzeitig auf.
Martens: In der Grasberg-Mine in Indonesien, der drittgrößten Kupfermine der Welt: Dort klagen die Menschen sowohl über unzureichende Umweltschutzmaßnahmen als auch über die Verletzung von Gewerkschaftsrechten. Letztes Jahr traten 8000 Minenarbeiter für höhere Löhne in den Streik. Polizei und Sicherheitskräfte reagierten darauf mit Gewalt. Mindestens neun Menschen kamen ums Leben.
Martens: Ja, ein eklatanter Fall ist der Plan des südkoreanischen Konzerns Posco für ein Megastahlwerk im indischen Bundesstaat Odisha. Seit Jahren protestiert die einheimische Bevölkerung dagegen. Über 20 000 Menschen sind in ihrer Existenz bedroht. Seit sieben Jahren gehen Polizei und private Sicherheitskräfte des Konzerns immer wieder mit Gewalt gegen friedliche Proteste vor. Auch hier gab es bereits zahlreiche Tote und Verletzte.
Martens: Es gibt etliche zivilgesellschaftliche Organisationen, die über die entsprechenden Informationen verfügen. Die Automobilhersteller müssten das in ihren Entscheidungen über die Auswahl ihrer Zulieferer berücksichtigen. Nur so können sie vermeiden, dass sie ungewollt zu Komplizen bei Umweltvergehen und Menschenrechtsverletzungen werden und ihre Reputation entsprechenden Schaden nimmt.
Die Erhöhung der Transparenz über die Zulieferketten und die Verbesserung des wechselseitigen Informationsaustauschs zwischen Unternehmen und Organisationen wäre dafür eine wichtige Voraussetzung.
Martens: Das ist nicht immer so. Ein Teil des Stahls, den ThyssenKrupp an deutsche Autofirmen verkauft, stammt aus Brasilien. Dort betreibt der Konzern in der Bucht von Sepetiba, in der Nähe von Rio de Janeiro, das Stahlwerk CSA. Dabei handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt mit dem brasilianischen Bergbaukonzern Vale.
Anwohner klagen dort über gesundheitliche Schäden, Fischer beschweren sich über massive Wasserverschmutzung und den Rückgang des Fischfangs. Die brasilianische Stiftung Fiocruz hat in einer Studie festgestellt, dass sich seit Inbetriebnahme des Stahlwerks 2010 die Fälle von Atemwegs- und Hauterkrankungen vervielfacht haben.
Martens: Prinzipiell haben sich alle deutschen Automobilfirmen zu Umwelt- und Menschenrechtsstandards bekannt. VW, Daimler und BMW haben auch mehr oder weniger detaillierte Nachhaltigkeitsrichtlinien für ihre Lieferanten …
Martens: Das Problem ist, dass eine systematische Überprüfung entlang der Produktionskette bislang nicht stattfindet und vom Gesetzgeber auch nicht verlangt wird. Automobilhersteller untersuchen und kennen in der Regel vor allem die Herkunft derjenigen Rohstoffe, bei denen es Versorgungsrisiken für die Industrie gibt. Das gilt insbesondere für die Seltenen Erden.
Ähnliche Bemühungen der Unternehmen würden wir uns auch im Falle von Menschenrechtsrisiken wünschen. Transparenz ist möglich, man muss nur wollen.
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