Tiefseeforschung 09.01.2025, 17:00 Uhr

Wie Schlammlawinen in der Tiefsee Unterseekabel bedrohen

Riesige Schlammlawinen in der Tiefsee zerstören wertvolle Unterseekabel – und beeinflussen den Kohlenstoffkreislauf und damit das Klima.

Das britische Forschungsschiff James Cook: Mit seiner Hilfe wurden seismische Messgeräte vor Afrika im Kongo-Canyon installiert, um den Verlauf riesiger Schlammlawinen in der Tiefsee zu erforschen. Diese zerstören Unterseekabel und beeinflussen den globalen  Kohlenstoffkreislauf. Foto: Dr. Megan Baker, Universität Durham

Das britische Forschungsschiff James Cook: Mit seiner Hilfe wurden seismische Messgeräte vor Afrika im Kongo-Canyon installiert, um den Verlauf riesiger Schlammlawinen in der Tiefsee zu erforschen. Diese zerstören Unterseekabel und beeinflussen den globalen Kohlenstoffkreislauf.

Foto: Dr. Megan Baker, Universität Durham

Mithilfe von seismischen Messgeräten, die sonst hauptsächlich bei Erdbeben eingesetzt werden, gelang es einem internationalen Forschungsteam, untermeerische Sand- und Schlammlawinen, im wissenschaftlichen Sprachgebrauch auch Trübeströme genannt, genau zu verfolgen. Konkret konnten sie mithilfe von Seismografen am Meeresboden zwei massive Sedimentlawinen vor der Westküste Afrikas aufzeichnen und deren Dauer und Struktur messen. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters erschienen. Beteiligt daran war auch der Geophysiker Michael Dietze aus der Abteilung Physische Geographie der Georg-August-Universität Göttingen, Leitautorin ist die britische Meeresforscherin Megan Baker von der University of Durham.

Untermeerische Trübeströme erzeugen die tiefsten Canyons der Erde, sie lagern immense Sedimentmengen ab und zerstören immer wieder Telekommunikationskabel. Bisher war das Wissen über diese Prozesse stark begrenzt, da Messgeräte, die sich in ihrem Weg befinden, von den Schlammlawinen einfach zerstört werden. Wie also ließen sich diese Sedimentmassen dennoch messtechnisch erfassen? Im Prinzip, indem man seismische Messinstrumente nicht dort einsetzt, wo die Trübeströme direkt entlang verlaufen, sondern in deren Umgebung. Derartige seismologische Messtechnik ist hochsensibel.

Trübeströme, Schlammlawinen in der Tiefsee, sind riesige Transportwege für organischen Kohlenstoff

Deshalb installierte das Team 2019 erstmals ein Dutzend Ozean-Boden-Seismometer (OBS) im Kongo-Canyon vor der Westküste Afrikas. Die Forschenden konnten damit in mehreren Kilometern sicherer Entfernung zunächst etliche Einzelströme messen, die sich schließlich als zwei massive Trübeströme vereint den Kongo-Canyon hinabwälzten. Weiter als 1000 km tosten sie mit einer Geschwindigkeit von 13 km/h bis 27 km/h über viele Tage durch die untermeerischen Schluchten.

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Zusätzlich transportierten die gemessenen Trübeströme nicht nur warmes Oberflächenwasser in die Tiefsee, sondern auch große Mengen an Kohlenstoff – fast ein Viertel der Menge, die alle Flüsse der Welt pro Jahr in die Ozeane entlassen. „Die zwei beobachteten Trübeströme transportierten insgesamt 43 ± 15 Mio. t terrestrischen organischen Kohlenstoff in die Tiefsee“, so die Aussage in der Studie. Frühere Arbeiten von Megan Baker haben gezeigt, dass die mehr als 1000 km langen Auslaufströme im Kongo-Canyon-Kanal eine weltweit bedeutende Menge an organischem Kohlenstoff erodiert haben, die 22 % des jährlichen globalen Exports von organischem Kohlenstoff aus Partikeln aus allen Flüssen in die Ozeane entspricht. Diese Schlammlawinen in der Tiefsee sind also große Akteure, wenn es um den globalen Kohlenstoffkreislauf geht.

Welchen Einfluss Trübeströme auf die Ozeandynamik haben

„Damit leisten Trübeströme einen bedeutenden Beitrag zum Kohlenstoffentzug aus der Umwelt, aber sorgen auch dafür, dass das Ökosystem Tiefsee immer wieder durch massive Abtragung und Ablagerung neuen Materials sowie Pulse von warmem Oberflächenwasser gestört wird“, erklärt Dietze. Und mithilfe der Seismografen lasse sich auf die Sekunde genau der Beginn solcher Ereignisse erfassen, es lasse sich ihr Kurs verfolgen, die Geschwindigkeit ermitteln und die Größe eines Ereignisses rekonstruierten.

„Die Länge der seismischen Pulse von vorne nach hinten betrug im Canyon Dutzende von Kilometern und im Kanal Hunderte von Kilometern, mit einer maximalen Pulslänge von 400 km“, ermittelten die 20 Forscherinnen und Forscher. Diese Mega-Schlammlawinen können bis zu drei Wochen andauern. Sie transportieren dabei große Mengen wärmeres, sauerstoffreicheres Wasser in tiefere Schichten. Das durchmischt die ozeanischen Schichten, die von der reinen Hydrodynamik her eher als stabil gelten. Dies könnte langfristig Einfluss auf regionale ozeanische und möglicherweise globale Klima- und Ökosystemdynamiken haben.

Angesichts des steigenden Kohlendioxidgehalts in der Erdatmosphäre kommt immer mehr in den Fokus der Klimaforschung, wie eigentlich der Kohlenstoffkreislauf in den Meeren aussieht. Denn der beeinflusst, wie und wie viel CO2 die Meere aufnehmen – oder auch nicht. Insofern ist angesichts der riesigen Menge an Kohlenstoff, die die Trübeströme in der Tiefsee transportieren, das Wissen über diese Prozesse essenziell.

Was Tiefseeseismik gegen den Ausfall von Unterseekabeln durch Schlammlawinen tun könnte

Ganz praktisch könnte Tiefseeseismik die Zerstörung von Unterseekabeln zwar nicht verhindern, aber vorwarnen, weil bekannt wird, wo entsprechende Störungen auftreten könnten. Während der Covid-19-Pandemie zerstörten derartige Schlammlawinen mehrfach Telekommunikationskabel, die den Kongo-Canyon durchquerten. Die Tiefseeseismik in der Nähe bekannter Ausbreitungsgebiete dieser Trübeströme hätte hier Vorwarnung geben und so dazu führen können, dass auftretende Störungen schneller beseitigt worden wären.

Ein Beitrag von:

  • Stephan W. Eder

    Stephan W. Eder

    Stephan W. Eder ist Technik- und Wissenschaftsjournalist mit den Schwerpunkten Energie, Klima und Quantentechnologien. Grundlage hierfür ist sein Studium als Physiker und eine anschließende Fortbildung zum Umweltjournalisten.

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