Teilchen aus dem Nichts 14.06.2025, 10:00 Uhr

Antarktis-Detektor empfängt Signal, das es nicht geben dürfte

Unerklärliche Radiopulse aus dem antarktischen Eis fordern unser Verständnis von Teilchenphysik heraus – Forschende rätseln.

Experiment ANITA

Das Experiment ANITA hat über der Antarktis Signale empfangen, die sich mit aktuellen Modellen der Teilchenphysik nicht erklären lassen.

Foto: Stephanie Wissel / Penn State. Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International License

In rund 40 Kilometern Höhe über dem ewigen Eis der Antarktis schwebt ein ungewöhnlicher Detektor. ANITA – das steht für „Antarctic Impulsive Transient Antenna“. Ziel dieser ballongetragenen Antenne: kosmische Teilchen aufspüren, die mit dem Eis der Antarktis wechselwirken und dabei Radiowellen aussenden. Doch was das Experiment jetzt gemessen hat, stellt die bisherige Teilchenphysik infrage.

Radiopulse aus der falschen Richtung

Eigentlich sollen die Antennen Radiowellen empfangen, die entstehen, wenn sogenannte Neutrinos mit dem Eis in Wechselwirkung treten. Diese Neutrinos stammen von weit entfernten Ereignissen im All: Supernovae, Schwarzen Löchern oder anderen extrem energiereichen Prozessen. Die Signale treffen auf die Erde, werden im Eis gestoppt und strahlen dabei messbare Radiowellen aus.

Doch das ANITA-Team beobachtete in mehreren Flügen Signale, die aus einer ganz anderen Richtung kamen: Sie stiegen nicht von unten nach oben, wie es die Physik erwarten lässt – sondern sie kamen in einem ungewöhnlich spitzen Winkel von unterhalb der Eisoberfläche. Etwa 30° unterhalb des Horizonts. Eine Ausbreitungsrichtung, die mit heutigen Modellen nicht vereinbar ist.

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„Das Radiosignal hätte verschwinden müssen“

Stephanie Wissel, Physikerin und Mitglied des ANITA-Teams an der Penn State University, beschreibt das Phänomen so: „Die von uns empfangenen Radiowellen kamen in einem sehr steilen Winkel, etwa 30 Grad unterhalb der Eisoberfläche.“

Laut ihren Berechnungen müssten diese Signale Gesteinsschichten von Tausenden Kilometern durchquert haben. Normalerweise würde man erwarten, dass solche Teilchen dabei absorbiert werden – und damit für den Detektor unsichtbar bleiben. Dass sie dennoch auftauchten, ist äußerst ungewöhnlich.

Wissel sagt: „Es ist ein interessantes Problem, weil wir noch keine Erklärung für diese Anomalien haben, aber wir wissen, dass es sich höchstwahrscheinlich nicht um Neutrinos handelt.“

Neutrinos – die schwer fassbaren Boten aus dem All

Neutrinos sind subatomare Teilchen mit sehr geringer Masse und ohne elektrische Ladung. Sie sind allgegenwärtig – Milliarden von ihnen durchdringen jeden Augenblick unsere Körper. Doch sie treten nur sehr selten in Wechselwirkung mit anderer Materie. Das macht sie so schwierig zu entdecken – aber auch so wertvoll als Informationsquelle.

„In jedem Moment durchdringen eine Milliarde Neutrinos Ihren Daumennagel“, sagt Wissel. „Aber Neutrinos interagieren nicht wirklich.“

Und genau das macht sie zu perfekten Botschaftern aus dem All. Wenn ein Neutrino aufgespürt wird, hat es die Reise über kosmische Distanzen ungestört überstanden – und liefert damit unverfälschte Informationen über seine Quelle.

Detektion per Radiowelle

ANITA nutzt Radiowellen zur Detektion dieser Teilchen. Die Antennen sind an einem riesigen Heliumballon befestigt, der über das Eis schwebt. Die Messgeräte richten sich gezielt auf das Eis. Wenn dort ein sogenanntes Tau-Neutrino auf ein Atom trifft, entsteht ein weiteres Teilchen – das Tau-Lepton. Dieses verlässt das Eis und zerfällt. Dabei entstehen sogenannte Luftschauer: ein Strahlenbündel aus Teilchen, das Radiowellen erzeugt.

Diese Radiowellen wiederum registriert ANITA. Die Forschenden können anhand des Signals rekonstruieren, woher das Neutrino kam und wie es sich verhalten hat. Normalerweise lässt sich der Einfallswinkel zurückrechnen – wie beim Abprall eines Balls.

Doch im aktuellen Fall klappt diese Rückrechnung nicht. Die anomalen Signale passen nicht in das bisherige Schema.

Kein Treffer bei anderen Detektoren

Das ANITA-Team überprüfte die Messungen mehrfach. Man verglich die Radiopulse mit den Daten anderer Experimente – etwa dem IceCube-Detektor am Südpol oder dem Pierre-Auger-Observatorium in Argentinien. Doch keines dieser Systeme konnte vergleichbare Signale bestätigen.

Deshalb klassifizieren die Forschenden die Radiopulse als „anomale Signale“. Es scheint sich um Teilchen zu handeln, die sich nicht wie bekannte Neutrinos verhalten. Damit stellt die Entdeckung das Standardmodell der Teilchenphysik infrage.

Hinweis auf neue Physik?

Könnte es sich um dunkle Materie handeln? Einige Theorien gehen in diese Richtung. Doch da andere Detektoren keine vergleichbaren Signale registriert haben, bleibt diese Hypothese unsicher.

Wissel sagt: „Ich vermute, dass in der Nähe von Eis und auch in der Nähe des Horizonts interessante Effekte bei der Ausbreitung von Radiowellen auftreten, die ich noch nicht vollständig verstehe.“

Sie und ihr Team wollen daher noch tiefer in die Physik dieser Signale eintauchen.

PUEO – der nächste große Schritt

Um die offenen Fragen zu klären, arbeiten die Wissenschaftler*innen an einem neuen Detektor: PUEO. Der Name steht für „Payload for Ultrahigh Energy Observation“. Dieser soll deutlich empfindlicher sein als ANITA und mehr Daten liefern.

„Im Moment ist es eines dieser langjährigen Rätsel“, sagt Wissel. „Ich bin gespannt, dass wir mit PUEO eine bessere Empfindlichkeit haben werden.“

Hier geht es zur Originalpublikation

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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