Patente ja, Produkte nein? So steht Deutschland bei Quantentechnologie
Deutschland liegt im Vergleich trotz steigender Patentanmeldungen für Quantentechnologien bei Spezialisierung hinter Ländern wie USA, Großbritannien, Japan und Kanada zurück.
Eine quantumoptische Installation in einem Labor: Deutschland liegt im Vergleich trotz steigender Patentanmeldungen für Quantentechnologien bei der Spezialisierung hinter Ländern wie USA, Großbritannien, Japan und Kanada zurück. .
Foto: viktor_cap/Smarterpix
Es ist die gute Nachricht zum Abschluss des Quantenjahrs 2025 der Vereinten Nationen: Deutschland liegt europaweit an der Spitze bei Quantenpatenten. In der Langzeitbetrachtung von 2005 bis 2024 meldeten deutsche Unternehmen 534 Patente im Bereich Quantentechnologien an. Das ist europaweit spitze, global gesehen Platz fünf nach den USA (3330), Japan (1519), China (947) und Südkorea (947). Diese Angaben betreffen die so genannten internationalen Patentfamilien (IPF), eine Gruppe von Patentanmeldungen, die sich auf dieselbe Erfindung beziehen und in mehreren Ländern oder Regionen eingereicht wurden.
Weitere Kernergebnisse:
- Für etwa 80 % der Unternehmen in diesem Sektor ist Quantentechnologie nicht das Kerngeschäft.
- Europa besitzt eine dynamische Quanten-Startup-Szene, fällt jedoch bei der Akquise von Finanzmitteln und bei der Skalierung global gesehen zurück.
- Top ist Europa bei der Clusterbildung. Eines der weltweit dichtesten Cluster von Kernunternehmen für Quantentechnologien befindet sich in Europa, angeführt durch Großbritannien (UK), gefolgt von den Niederlanden und Frankreich. Kernunternehmen sind Firmen, die sich auf die Entwicklung essenzieller Quantentechnologien fokussieren.
Inhaltsverzeichnis
Was den Markt für Quantentechnologien ausmacht
Der weltweite Quanten-Markt wird laut einer Studie von McKinsey bis 2035 voraussichtlich ein Volumen von rund 93 Mrd. € erreichen. Laut einer neuen Studie, die das Europäische Patentamt (EPA) zusammen mit der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) heute veröffentlicht, entwickle sich die Landschaft der Quantentechnologien rasant. Sie zeichne sich durch mehr Unternehmensgründungen aus, steigende Investitionen und ein starkes Innovationswachstum aus, was sich an der Anzahl der IPF ablesen lässt. Gleichzeitig steht die Branche vor Herausforderungen: Der Sprung vom Patent hin zum vermarktbaren Produkt und effizienter Produktion bleibt schwierig.
Eine Kernerkenntnis der Studie: Binnen zehn Jahren hat sich die Zahl der IPF verfünffacht. Von den drei Sektoren Quantenkommunikation, Quantencomputing (einschließlich Simulation) und Quantensensorik entfiel laut EPA bis 2022 die größte Anzahl von IPF auf die Quantenkommunikation. Das größte Wachstum aber hatten im selben Zeitraum Patente beim Quantencomputing, die IPF-Anzahl stieg seit 2005 sogar fast um das Sechzigfache an. Daher rechnen EPA und ORCd auch damit, dass „sich dieses Segment voraussichtlich zum größten innerhalb des Quanten-Ökosystems entwickeln“ wird.
Wie Deutschland bei Quantentechnologie im Vergleich zu anderen Ländern dasteht
Weltweit verzeichnete die Studie zwischen 2005 und 2024 rund 9740 quantenbezogene angemeldete IPF. Unangefochten an der Spitze stehen nach wie vor die USA. Es folgen Europa, Japan, China und Südkorea. Innerhalb Europas sind Deutschland, UK und Frankreich die drei führenden Länder.
Was sich deutlich verschiebt sind die Anteile: In den letzten zehn Jahren hat Deutschland (und Europa insgesamt) deutlich aufgeholt. Zwischen 2015 und 2019 kamen weltweit 4 % der IPF für Quantentechnologien aus Deutschland, 41 % aus den USA; Europa kam auf 19 %. Zwischen 2020 und 2024 legte Deutschland auf 7 % zu, Europa insgesamt auf 25, während die USA auf 31 % absackte. Das Technologierennen ist also eröffnet. Das hat die EU mit ihrer Quantenstrategie betont und eine globale Führungsrolle angemeldet, wie wir auf ingenieur.de im Sommer berichteten.
Deutschland ist besonders stark im Bereich Quantensensorik: Von den 534 angemeldeten IPF zwischen 2005 und 2024 sind zwar nur 67 aus diesem Segment (Kommunikation: 311, Computing: 153), aber aus ganz Europa kamen in diesem Segment nur 159 IPF. Das liegt auch an Robert Bosch, der, so die EPA zu den weltweit führenden Anmeldern in diesem Bereich gehöre.
Was Kernunternehmen für Quantentechnologien sind
Laut Studie umfasst das weltweite Quanten-Ökosystem heute mehr als 4500 Unternehmen. Die weltweit fünf größten Anmelder für IPF im Bereich Quantentechnologien im Zeitraum 2005 bis 2024 waren IBM (USA), LG (Südkorea), Toshiba (Japan), Intel und Microsoft (beide USA). Europäische Unternehmen wie die finnische IQM Quantum Computers und Robert Bosch gehören ebenfalls zu den größten Antragstellern in den Bereichen Computing bzw. Sensorik.
Bis auf IQM Quantum Computers gehört aber keines der zuvor genannten Unternehmen zu den weniger als 1000 Kernunternehmen, die sich laut EPA und OECD auf Quantentechnologien als solche konzentrierten. Das seien in der Regel Startups, die – insbesondere in der Frühphase – auf Investitionen und öffentliche Mittel angewiesen sind. Nicht-Kernunternehmen (80 %) stünden für den Großteil der quantenbezogenen Patente und schafften Arbeitsplätze. Zudem seien sie bestens für die Kommerzialisierung positioniert.
UK, die Niederlande und Frankreich haben ein Anteil an Kernunternehmen von je rund 40 %. Hier zeigt sich der Unterschied zu den USA, die nur rund 20 % Kernunternehmen haben und wo Big Tech die Quantentechnologien antreibt. Aber auch zu Deutschland: Von den 145 Akteuren sind 29 % Kernunternehmen.
Warum Patentcluster für Quantentechnologien in Deutschland bisher fehlen
Wichtig für die Innovationsstärke ist auch, wie sehr sich die Länder als solche auf Quantentechnologien fokussieren. Diese Spezialisierung ergibt sich aus dem Vergleich der Anzahl der IPF zu Quantentechnologien zu jenen für andere Technologien. Die Studie misst diese Spezialisierung in Form eines Indexwertes, des sogenannten RTA (revealed technological advantage). Liegt dieser Wert über „1“, liegt eine Spezialisierung vor.
Global führend – und das innerhalb der letzten zehn Jahre (2015 bis 2024) – ist und bleibt Kanada. Es folgt Großbritannien, was vor allem in den letzten fünf Jahren zu Kanada aufgeholt hat, und Finnland. Auch die USA fällt in dieses Feld, nur hat sich hier die Spezialisierung in den letzten fünf Jahren abgeschwächt. Frankreich und die Niederlande wiederum haben sich erst in den letzten fünf Jahren in dieses Feld vorgearbeitet.
In Deutschland wiederum erreichte der RTA-Index zwischen 2015 und 2019 den Wert 0,5 und zwischen 2020 bis 2024 den Wert 0,8. Grund hierfür ist die breite technologische Basis, gegen die sich die Innovationen im Quantensektor behaupten müssen. Das gilt auch für die ebenfalls technologisch und industriell breit aufgestellten Länder Japan und China.
Wer Geld in den Bereich Quantentechnologien steckt
Die vorherrschende Rolle der USA ist offensichtlich. Und es gibt auch einen wesentlichen Grund dafür: Im Durchschnitt entfielen auf US-amerikanische Investoren im Zeitraum 2016 bis 2024 52 % der weltweiten Investitionen in Kernunternehmen der Quantentechnologien. Trotz eines Rückgangs in jüngerer Zeit machen sie immer noch etwa 45 % der Kerninvestitionen aus.
Wie auch bei den Patenten aber hat Europa hier aufgeholt. Frankreich, Deutschland, die Niederlande und das Vereinigte Königreich hätten ihren Anteil an den gesamten Investitionen in die Quantenbranche im Laufe der Zeit „deutlich erhöht“, so die Studie. Die Investitionen aus China seien „beträchtlich und relativ stabil“, während der Anteil Kanadas „erheblich zurückgegangen“ sei. Auch Australien macht in jüngster Zeit verstärkt mit. So investierte die australische Macquarie Capital bei dessen jüngster Finanzierungsrunde in das kalifornisch/australische Unternehmen Psiquantum. Zu den kleineren Investoren gehörten Belgien, Japan, Korea und Israel.
Mit Blick auf Aktivitäten im Bereich Mergers & Aquisitions (M&A) fällt auf, dass Deutschland zwischen 2016 und 2024 nur anfänglich (2016 bis 2018) mit einer Nennung nennenswert auftaucht. Der Löwenanteil entfällt global auch hier auf die USA, wobei 38% der M&A-Geschäfte innerhalb der USA abliefen.
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