Grundlagenforschung für die Messtechnik von morgen 28.10.2025, 19:01 Uhr

Memristoren: neuer Messstandard für Widerstand im Kleinstformat

Memristoren liefern präzise Widerstandswerte – ohne teure Infrastruktur. Warum das die Messtechnikbranche auf den Kopf stellen kann.

Leiterplatte mit Mikrochips und Komponenten: Memristoren liefern präzise Widerstandswerte – ohne teure Infrastruktur. Warum das die Messtechnikbranche auf den Kopf stellen kann. Foto: PantherMedia / VadimVasenin

Leiterplatte mit Mikrochips und Komponenten: Memristoren liefern präzise Widerstandswerte – ohne teure Infrastruktur. Warum das die Messtechnikbranche auf den Kopf stellen kann.

Foto: PantherMedia / VadimVasenin

Ein internationales Forschungsteam hat gezeigt, wie sich mit Memristoren die SI-Grundeinheit für den elektrischen Widerstand darstellen lässt – bei Raumtemperatur, ohne großes Magnetfeld und ohne aufwändige Kryotechnik. Memristoren sind elektrische Bauelemente, die den elektrischen Widerstand ändern können abhängig von der „Vorgeschichte“ des durch die Elemente geflossenen Stroms. Fernziel: Statt die SI-Grundeinheit für den elektrischen Widerstand aufwändig im Labor zu messen, gelingt dies auf einem Chip, der überall mit hingenommen werden kann.

Warum ist es so wichtig, den Widerstand mit Memristoren überall genau messen zu können

Wenn wir messen, brauchen wir immer eine Bezugsgröße, eine Relation, zu der wir messen. Die stellt ein Messnormal her, das eine feste absolute Größe angibt. Die fundamentalsten dieser Messnormale sind die SI-Einheiten für die physikalischen Grundeinheiten. Seit 2019 beruhen alle SI-Basiseinheiten wie Meter, Sekunde oder auch der elektrische Widerstand auf fundamentalen Naturkonstanten. Dumm nur: Diese Grundgrößen sind manchmal nur sehr, sehr aufwändig herzustellen. Es braucht besondere Labore dazu; teilweise sind Temperaturen nahe des absoluten Nullpunkts von 0 K nötig, teilweise braucht es Hochvakuum oder tonnenschwere Magnete; oder das Labor muss erschütterungsfest gebaut sein, also entkoppelt sein.

Das macht es für alle, die messen wollen und Meßgeräte herstellen, zeitaufwändig und teuer. Denn so senden Hersteller Typenmuster ihrer Meßgeräte in die nationalen metrologischen Institute (NMI), um dort zum Beispiel den Widerstand (Ohm) an der Laborreferenz eichen zu lassen. Je längere diese Referenzkette ist, desto ungenauer die Messung. Toll wäre es doch, käme das Labor direkt zu den Herstellern! Genau daran arbeiten weltweit Forschungsteams. „NMI-on-a-chip“ nennt sich die Idee. Das Ziel: Messketten verkürzen und Kalibrierungen vereinfachen bis hin zu selbstkalibrierenden Meßapparaturen. Statt ein Multimeter regelmäßig ins Kalibrierlabor zu schicken, könnte es sich intern immer wieder selbst an den unveränderlichen Naturkonstanten überprüfen – eine eingebaute Eichung. Metrologische Institute aus Europa und ein Team des Forschungszentrums Jülich zusammen haben erstmals beweisen, dass das bei einer elektrischen Einheit wie dem elektrischen Widerstand tatsächlich gelingen könnte. Sie haben gezeigt, wie es geht.

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Europa und das Konzept NMI-on-a-chip

Die Idee ist, die Dienstleistungen nationaler Metrologieinstitute (NMI) – also Rückführbarkeit, Vergleichbarkeit und Kalibrierung – aus deren Speziallabor heraus so zu miniaturisieren, dass sie auf einem Chip Platz haben.

Warum braucht es das Konzept?

Die bisherige Praxis bringt das Messgerät in das Labor. Es entsteht vom Labor in die Praxis eine Rückführungskette (Referenzkette) vom Primärstandard (beim Widerstand der Quanten-Hall-Widerstand) über Zwischenstandards bis hinunter zum Messgerät. So addieren sich Unsicherheiten, das kostet Zeit und Geld. NMI-on-a-chip kehrt das Prinzip um. Und es gibt keine Kette mehr. Wir können dann genauer messen.

Wie sich Europa engagiert, um NMi-on-a-Chip Wirklichkeit werden zu lassen

Empir ist das europäische Forschungsprogramm, das Metrologieforschung und deren Transfer in die Praxis bündelt. Darunter werden elektrische und optische NMI-on-a-chip-Ansätze parallel vorangetrieben werden – mit unterschiedlichen Technologien, aber ähnlichem Ziel.

Die aktuellen Forschungen haben ihren Ausgangspunkt im Forschungsgrogramm MEMQuD (20FUN06): Es legte die Grundlagen für den Memristor-Ansatz, der jetzt zu ein ersten Ergebnissen führte.

Warum ist die Sache mit dem Widerstand so schwierig ist

Der Knackpunkt ist, dass seit 2019 alle Basiseinheiten des Internationalen Einheitensystems SI auf fundamentalen Naturkonstanten beruhen müssen. Man wollte weg von so ungenauen, schwierig zu konservierenden Einheitenquellen wie dem Urmeter oder dem Urkilogramm. So ist das Kilogramm heute mit der Planckschen Konstante h verknüpft. Ein Meter wird über die Lichtgeschwindigkeit definiert, die Sekunde über die Schwingung des Cäsium-Atoms. Und der Widerstand über h und die elektrische Elementarladung e.

Längen- und Zeiteinheiten lassen sich dank Laserinterferometern und Atomuhren weltweit vergleichsweise leicht nachvollziehen. Die mobile Atomuhr im Pferdeanhänger, das hat sich inzwischen fast schon etabliert, wie eine Forschungsarbeit der Physikalisch Technischen Bundesanstalt zeigt. Ganz anders sieht es bei physikalischen Größen wie der Masse und den elektrischen Einheiten aus. „Ihre messtechnische Rückführung ist so aufwendig, dass sie nur in wenigen metrologischen Instituten gelingt“, schreibt das Forschungszentrum (FZ) Jülich in einer Mitteilung. Als Standard für den elektrischen Widerstand diente bisher der Quanten-Hall-Effekt. Er liefere exakte Werte, verlange aber extreme Bedingungen – Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt und Magnetfelder stärker als in einem MRT-Gerät. „Solche Messungen setzen aufwendige Kryotechnik und streng kontrollierte Laborumgebungen voraus“, so das FZ Jülich.

Was die Forschungsteams erreicht haben

Für das aktuelle Projekt haben sich Memristorspezialist Ilia Valov vom Grünberginstitut des FZ Jülich und sein Mitarbeiter Xin Zheng mit Forschungsteams verschiedener NMI und Labore aus Italien (Turin), der Turkei (Gebze), Spanien (Madrid und Barcelona) und Portugal (Caparica) zusammengetan. Warum Memristoren? Sie zeigen ein Schaltverhalten, das direkt den Naturkonstanten folgt. „Im Prinzip handelt es sich dabei um einen programmierbaren Widerstand – praktisch ein Transistor mit Gedächtnis. Im Inneren von Memristoren bilden sich leitende Nanodrähte aus einzelnen Silberatomen. Mit elektrischen Spannungen lassen sie sich so präzise steuern, dass ihre Leitfähigkeit nicht kontinuierlich, sondern in Quantensprüngen zunimmt oder abnimmt“, beschreibt es das FZ Jülich.

Das ist die Theorie. Den Teams gelang es jetzt zu zeigen, dass das auch wirklich praktisch erreichbar ist. Sie konnten leitfähige Nanostrukturen im Bauteil mit kurzen Spannungspulsen so steuern, dass sich stabile, diskrete Leitwertstufen einstellen. Quantifizierung nennt sich das. Erreicht wird dies durch elektrochemisches „Polieren“. Denn die Silbernanofäden liegen nicht wie aus dem Ei gepellt vor, sondern haben Unreinheiten – und die stören das Messignal. Und zwar erheblich. Das „Polieren“ aber löst instabile Atome aus den leitenden Strukturen heraus, bis sich robuste und glatte Oberflächen und damit quantisierte Leitkanäle ergeben.  „Wir haben erstmals gezeigt, dass Memristoren zuverlässig Widerstände erzeugen können, die direkt auf universellen Naturkonstanten beruhen – ganz ohne komplizierte Kühl- und Magnetanlagen“, erklärt Valov, der die Forschungsaktivitäten der Gruppe „Grundlagen und Anwendungen der Nanoelektrochemie“ leitet. „Die Genauigkeit ist dabei jetzt schon für den End-User völlig ausreichend.“

Wie genau die Memristoren messen können

Die Grundlage dafür ist der quantisierte elektrische Leitwert G₀, der sich aus der Planck-Konstante h und der Elementarladung e ableitet. Den Forschenden gelang es, Memristoren bei normalen Laborbedingungen stabil auf 1·G₀ oder 2·G₀ einzustellen und diese Zustände über lange Zeiträume zu halten. Die Messkampagne über mehrere Labore hinweg – darunter mehrere NMI – bestätigt Abweichungen von rund 3,8 % für die erste Stufe und 0,6 % für die zweite Stufe gegenüber den vereinbarten SI-Referenzwerten. „Diese Ergebnisse bilden die Grundlage für die Realisierung selbstkalibrierender Systeme, die intrinsische Standards enthalten, die direkt auf das SI rückführbar sind“, heißt es in dem Nature-Artikel.

Zwar sind Grundlagenexperimente auf Basis des Quanten-Hall-Effekts mit einer Genauigkeit von 10-9 wesentlich genauer als die gemessenene Werte der Memristoren. Aber diese sind sehr wohl genauso genau, wie das geeichte Multimedia-Endgerät am Ende einer drei-stufigen Referenzkette: Dort würde auf die Messung über den Quanten Hall-Effekt eine Referenzstandard (Genauigkeit 10-8) und dann eine Arbeitsstandard mit 10-6 folgen. Das geeichte Multimeter würde dann einen Widerstand von 10 kOhm mit einer Genauigkeit von 1 % angeben können.

Was die Widerstandsmessung über Memristoren uns bringen würde

Der Vorteil der Memristorlösung: Diese Kette könnte entfallen, gäbe es ein NMI-on-a-chip, das direkt im Multimeter verbaut sein könnte. Statt ein Multimeter regelmäßig ins Kalibrierlabor zu schicken, könnte es sich intern immer wieder selbst an den unveränderlichen Naturkonstanten überprüfen – eine eingebaute Eichung.

Die möglichen Anwendungen reichen laut FZ Jülich von vereinfachten Kalibrierverfahren in der Industrie über mobile Messsysteme bis zu portablen Standards für Forschung im Feld oder in der Raumfahrt. „Wir stehen hier am Beginn eines Paradigmenwechsels – weg von komplexen Großanlagen, hin zu quantengenauen Standards, die jeder Chip tragen kann“, fasst Valov zusammen.

Wann denn dieses selbstkalibierierende Messlabor auf den Markt kommt

Das kann derzeit wohl kaum jemand mit Bestimmtheit sagen. Aber es lassen sich die Herausforderungen skizzieren, die zu bewältigen sind. Der entscheidende Punkt ist die Stabilität des NMI-on-a-Chip: Wie lange kann es zuverlässdig funktinieren? Metrologischer Routineeinsatz nennt sich das. Und der bringt Fragen mit sich, die auch in den Labors der NMI jeden Tag von neuem auf dem Programm stehen, wie Langzeitdrift und das Verhalten unter wechselnden Umweltbedingungen.

Hinzu kommt bei einem NMI-on-a-Chip: es wäre eine Produkt einer Elektronikfertigung, also einer Serienfertigungstechnologie. Hier stellen sich Fragen der Reproduzierbarkeit und der Qualitätssicherung.

Ein Beitrag von:

  • Stephan W. Eder

    Stephan W. Eder

    Stephan W. Eder ist Technik- und Wissenschaftsjournalist mit den Schwerpunkten Energie, Klima und Quantentechnologien. Grundlage hierfür ist sein Studium als Physiker und eine anschließende Fortbildung zum Umweltjournalisten.

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