Wenn das All vibriert: Neue Signale Schwarzer Löcher entschlüsselt
Forschende knacken das Rätsel der Schwingungen Schwarzer Löcher – und liefern neue Einblicke in Gravitationswellen.

Nach Kollisionen senden sie charakteristische Gravitationswellen aus – Forschende aus Kyoto konnten deren „Klingeltöne“ erstmals exakt berechnen.
Foto: PantherMedia / Juric.P
Wenn Schwarze Löcher verschmelzen, geht ein Zittern durch das Universum. Für einen kurzen Moment entsteht ein kosmisches Echo – eine Art Ausklang, wie beim Nachhallen eines Gongs. In der Fachsprache heißt dieser Nachhall Ringdown. Genau hier verstecken sich wertvolle Hinweise auf Masse, Drehung und Struktur des neu entstandenen Schwarzen Lochs.
Ein Team um Taiga Miyachi von der Universität Kyoto hat nun eine Methode vorgestellt, mit der sich diese Signale genauer als je zuvor analysieren lassen. Im Fokus steht dabei eine mathematische Technik namens „exakte Wentzel-Kramers-Brillouin-Analyse“, kurz: exakte WKB-Methode.
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Nachhall nicht beliebig
Die Schwingungen nach einer Kollision – also die Ringdown-Phase – sind nicht beliebig. Sie folgen einem wiederkehrenden Muster, das Forschende als Quasinormal Modes (QNMs) bezeichnen. Diese Moden sind vergleichbar mit den Eigenfrequenzen eines schwingenden Objekts, etwa einer Glocke. Der Unterschied: Ein Schwarzes Loch verliert bei diesen Schwingungen Energie, die sich als Gravitationswellen im Raum ausbreitet. Daher sind die Frequenzen komplex – sie enthalten neben der Schwingung auch die Information über deren Dämpfung.
Diese Gravitationswellen lassen sich auf der Erde messen – und genau darin liegt der Reiz für die Forschung. Denn wer die Quasinormalmoden exakt versteht, kann Aussagen über die Struktur der Raumzeit und über alternative Gravitationstheorien treffen.
Warum die Analyse bisher scheiterte
Bisherige Methoden – etwa die numerischen Verfahren nach Leaver – lieferten zwar Näherungen, doch eine rein analytische Beschreibung blieb schwierig. Besonders problematisch war die komplexe Struktur der Gleichungen im Übergang zwischen dem Ereignishorizont (also dem Rand des Schwarzen Lochs) und dem fernen Weltraum.
„Wir waren überrascht, wie komplex und schön die zugrunde liegende Struktur dieser Schwingungen ist“, sagt Taiga Miyachi. Viele frühere Ansätze übersahen zentrale geometrische Merkmale – etwa spiralförmige Pfade, auf denen sich die Schwingungen ausbreiten.
Der neue Ansatz: Exakte WKB-Methode
Die exakte WKB-Methode, auf die das Kyoto-Team zurückgreift, stammt ursprünglich aus der mathematischen Physik. Im Kern basiert sie auf einer Verfeinerung klassischer Näherungstechniken. Sie erlaubt es, differenzielle Gleichungen so zu lösen, dass auch kleinste Abweichungen und subtile Veränderungen im Verhalten der Wellen berücksichtigt werden können.
Dabei spielt ein Konzept namens Stokes-Kurven eine entscheidende Rolle. Diese Linien zeigen an, wo sich das Verhalten der Wellenlösung plötzlich verändert – etwa von exponentiellem Abklingen zu Schwingung. Die Forscher*innen erweiterten dafür den Raum in den Bereich der komplexen Zahlen. So konnten sie bislang übersehene geometrische Strukturen sichtbar machen, darunter logarithmische Spiralen und Verzweigungspunkte nahe dem Horizont des Schwarzen Lochs.
Diese Herangehensweise war kein Zufall. „Die Grundlagen der exakten WKB-Methode wurden größtenteils von japanischen Mathematikern entwickelt. Als Forscher aus Japan habe ich mich in diesem Bereich intellektuell und kulturell immer sehr wohl gefühlt“, sagt Miyachi.
Was ist neu an der Methode?
Gegenüber bisherigen analytischen Methoden – etwa der sogenannten Monodromie-Methode – bietet der neue Zugang mehrere Vorteile:
- Er verzichtet auf Näherungen entlang komplizierter Konturen in der komplexen Ebene.
- Er nutzt reale Koordinaten und bleibt mathematisch stabil.
- Er erlaubt exakte Verbindungsregeln zwischen verschiedenen Wellenbereichen.
Durch die exakte Beschreibung konnten die Forschenden Frequenzen besonders stark gedämpfter Moden reproduzieren – also genau jene, die bisher kaum zu fassen waren.
Anwendung auf klassische Schwarze Löcher
Die Methode wurde zunächst auf ein Standardmodell getestet: die Schwarzschild-Raumzeit. Dabei handelt es sich um das mathematische Modell eines nicht rotierenden, elektrisch neutralen Schwarzen Lochs. Für dieses System ließen sich die theoretischen Frequenzen mit sehr hoher Genauigkeit bestimmen.
„In unserer mathematischen Analyse haben wir spiralförmige Muster entdeckt, die zuvor übersehen worden waren und die sich als entscheidend für das Verständnis des Gesamtbildes der Quasinormalmoden erwiesen haben“, so Miyachi.
Die Forscher*innen sehen in ihrer Arbeit einen möglichen Baustein für zukünftige Gravitationswellenbeobachtungen. Denn die Messdaten, die Teleskope wie LIGO oder Virgo sammeln, lassen sich besser interpretieren, wenn die theoretische Grundlage genauer ist.
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