Hyperspektralkamera löst das Rätsel der blauen Aurora
So hoch leuchtet das blaue Polarlicht wirklich: Neue Messmethode bringt überraschende Erkenntnisse über die Aurora.
Forschende messen erstmals die Höhe der blauen Aurora – dank einer Hyperspektralkamera, die Licht in 200 Kilometern Höhe sichtbar macht.
Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Ross Harried
In den frühen Morgenstunden des 21. Oktober 2023 blickte ein Team japanischer Forschender gen Himmel über Kiruna in Nordschweden. Dort, wo sonst nur Sterne funkeln und Polarlichter tanzen, kam an diesem Morgen Hightech zum Einsatz: eine Hyperspektralkamera namens HySCAI – entwickelt, um das Leuchten der Aurora nicht nur zu sehen, sondern zu vermessen.
Die Forschenden des National Institute for Fusion Science wollten eine Frage beantworten, die so alt ist wie die Polarlichtforschung selbst: „In welcher Höhe entstehen die blauen Auroren – und was verraten sie über die Atmosphäre?“
Leuchtendes Rätsel am Himmel
Auroren entstehen, wenn geladene Teilchen aus dem All – meist Elektronen – auf Sauerstoff- und Stickstoffmoleküle in der Erdatmosphäre treffen. Dabei geben die Moleküle Energie in Form von Licht ab. Grün, Rot und Violett kennt man – aber die blaue Aurora ist seltener und komplizierter zu erfassen.
„Die höhere Lage der blauen auroralen Resonanzstreuung ist bekannt, aber der Mechanismus, der sie verursacht, bleibt ungelöst“, schreiben die Autorinnen und Autoren der Studie. Der Grund: Das blaue Leuchten entsteht nicht nur durch Teilchenkollisionen, sondern auch durch das Streuen von Sonnenlicht an Ionen in großen Höhen. Besonders während der Dämmerung vermischen sich diese Effekte – für normale Kameras kaum zu trennen.
Eine Kamera, die mehr sieht als Farben
Hier kam die Hyperspektralkamera HySCAI ins Spiel – ein Gerät, das Licht in Hunderte feine Wellenlängen zerlegt. So können Forschende genau erkennen, welche Moleküle in welcher Höhe emittieren. Während herkömmliche Aurora-Kameras nur drei Farbkanäle erfassen, bietet HySCAI ein vollständiges Spektrum – und damit ein neues Werkzeug zur Himmelsdiagnostik.
„Die Hyperspektralkamera liefert ein zweidimensionales Aurora-Bild mit einem vollständigen Spektrum“, erklärt das Team um Katsumi Ida. Damit ließ sich die Höhe des blauen Lichts erstmals präzise bestimmen – mit nur einer Kamera.
Das Prinzip erinnert an eine Technik aus der Fusionsforschung: Dort misst man die Temperatur von Plasmen, indem man die Stelle bestimmt, an der ein Laserstrahl und der Blickwinkel einer Messung sich kreuzen. Für die Aurora adaptierten die Forschenden dieses Verfahren, wobei der Sonnenstrahl den Laser ersetzt.

Wenn die Sonne am Morgen aufgeht, beginnt der sonnenbeschienene Teil der Aurora in großer Höhe und breitet sich mit der Zeit allmählich nach unten aus.
Foto: National Institute for Fusion Science
Stickstoffionen in 200 km Höhe?
Wie kann das sein?
Eine Erklärung liefert die Ladungsaustauschreaktion: Dabei treffen Sauerstoffionen (O⁺) auf neutrale Stickstoffmoleküle (N₂) und erzeugen dabei N₂⁺-Ionen in großer Höhe. Alternativ könnten auch aufwärts strömende Ionen eine Rolle spielen, die aus tieferen Atmosphärenschichten aufsteigen. Beides deutet darauf hin, dass die obere Ionosphäre dynamischer ist, als viele Modelle bisher annahmen.
Das Forschungsteam hält beide Mechanismen für möglich: „Wir können weder aufwärts strömende N₂⁺-Ionen noch die Produktion durch Ladungsaustausch ausschließen.“ Entscheidend sei, dass die Hyperspektralkamera erstmals genaue Höhenprofile dieser Ionen liefern kann – ein Schritt, der künftige Modelle verbessern dürfte.
Die Dämmerung als Labor
Warum aber gerade in der Morgendämmerung?
Während dieser kurzen Phase trifft das Sonnenlicht schräg auf die Atmosphäre und „wandert“ langsam über verschiedene Höhen. So entsteht eine Art natürlicher Tomographie: Indem man misst, wann das Licht in einer bestimmten Schicht aufleuchtet, lässt sich deren Höhe ableiten.
„Ein einzelnes Beobachtungssystem kann die Höhe bestimmen, weil die Resonanzstreuung genau dort stattfindet, wo das Sonnenlicht auf die Ionen trifft“, erläutert das Team. So verwandelte sich der Himmel über Kiruna in ein Labor – mit der Sonne als Messstrahl und der Kamera als Sensor.
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