Quantennavigationsgerät 12.06.2025, 11:30 Uhr

GPS war gestern: Künftig lassen wir Atome navigieren

Navigieren ohne GPS: Neue Quantentechnologie misst Bewegung mit Atomen – präzise und unabhängig von Satelliten.

Atom-Interferometer

KI, Laser und kalte Atome: Ein neues System könnte das klassische GPS bald überflüssig machen. Kendall Mehling (links) und Catie LeDesma (rechts) mit einem neuartigen Atom-Interferometer auf dem Campus der CU Boulder.

Foto: Glenn Asakawa/CU Boulder

GPS ist allgegenwärtig – ob im Smartphone oder im Flugzeug. Doch es gibt Orte, an denen Satelliten nicht helfen: Unter Wasser, tief im All oder in abgeschirmten Bereichen. Genau hier setzen Forschende der University of Colorado Boulder an. Sie haben ein neues Navigationssystem entwickelt, das nicht auf Funkwellen, sondern auf den Eigenschaften von Atomen basiert. Ihre Methode: Quantennavigation mit einem sogenannten Atominterferometer.

Was ist ein Atominterferometer?

Ein Interferometer misst Veränderungen, indem es Wellen – etwa von Licht oder Materie – spaltet, unterschiedlich beeinflusst und wieder zusammenführt. Die entstehenden Interferenzmuster zeigen, wie sich die Wellen verändert haben.

Das neue Gerät arbeitet mit ultrakalten Rubidiumatomen, die in einem Vakuum mithilfe von Lasern in einen quantenmechanischen Zustand versetzt werden. In diesem Zustand verhalten sich die Atome wie Wellen und lassen sich präzise manipulieren.

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Anders als herkömmliche Sensoren misst dieses Quantensystem die Beschleunigung gleichzeitig in drei Raumrichtungen. Für komplexe Bewegungen, wie sie etwa in U-Booten oder Raumsonden vorkommen, ist das entscheidend. Kendall Mehling, Mitautor der Studie, betont: „Um zu wissen, wohin ich fahre und wo ich gewesen bin, muss ich meine Beschleunigung in allen drei Dimensionen verfolgen.“

Die Atome werden auf wenige Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt gekühlt. In diesem Zustand entsteht ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat – eine Materieform, in der Atome gemeinsam wie eine einzige Welle agieren. Das Team erzeugt dann mit sechs Lasern ein optisches Gitter, das die Atome einfängt und gezielt bewegt.

Der Fingerabdruck der Bewegung

Durch gezielte Laserimpulse werden die Atomwellen in verschiedene Richtungen „geworfen“. Dabei entstehen zwei Zustände desselben Atoms, die sich auf unterschiedlichen Pfaden bewegen. Später führt das System diese Zustände wieder zusammen – die resultierende Interferenz erlaubt Rückschlüsse auf die zurückgelegte Bewegung.

„Unser Bose-Einstein-Kondensat ist ein Materiewellen-Teich aus Atomen, in den wir kleine Lichtpakete wie Steine werfen“, beschreibt Projektleiter Murray Holland das Prinzip. Die daraus entstehenden Interferenzmuster ähneln einem komplexen Fingerabdruck, aus dem sich die erlebte Beschleunigung ablesen lässt.

KI plant die Abläufe

Der Versuchsaufbau ist zwar noch groß – etwa so wie ein Airhockey-Tisch – aber dennoch erstaunlich kompakt. Insgesamt 18 Laserstrahlen durchkreuzen das Vakuumsystem. Die Steuerung dieser Strahlen ist hochkomplex und wird von einem KI-System unterstützt. Die Forschenden setzen maschinelles Lernen ein, um die besten Laserparameter für die gewünschte Atombewegung zu berechnen.

Catie LeDesma, Physikerin im Team, sieht darin einen wichtigen Schritt: „Obwohl wir 18 Laserstrahlen durch das Vakuumsystem leiten, ist das gesamte Experiment so klein, dass wir es eines Tages vor Ort einsetzen könnten.“

Vorteile gegenüber klassischen Sensoren

Heutige Beschleunigungsmesser bestehen aus mechanischen Komponenten, etwa Federn oder Massen. Diese altern mit der Zeit. Atome dagegen sind konstant. Sie verändern sich nicht und sind immun gegenüber vielen Störeinflüssen. Das macht sie als Sensoren besonders stabil und verlässlich – zumindest theoretisch.

Noch ist das Gerät nicht so präzise wie aktuelle GPS-basierte Systeme. Es kann nur sehr geringe Beschleunigungen messen – allerdings mit hoher Genauigkeit. Das Ziel ist es, die Technik weiter zu verbessern und auf praktische Anwendungen vorzubereiten.

Einsatzgebiete: Wo Satelliten versagen

Besonders interessant ist das System für Fahrzeuge, die sich außerhalb der Reichweite von GPS befinden. U-Boote etwa sind unter Wasser vollständig auf interne Navigationssysteme angewiesen. Auch Raumsonden könnten profitieren – vor allem auf langen Missionen, bei denen jedes Signal aus der Ferne Zeitverzögerung bedeutet. In militärischen oder abgeschirmten Bereichen wäre eine satellitenunabhängige Navigation zudem ein erheblicher Sicherheitsvorteil.

Ausblick: Türöffner für neue Sensortechnologien

Noch handelt es sich um ein Laborexperiment. Doch die Förderung durch die NASA in Höhe von 5,5 Millionen Dollar zeigt, dass die Technologie ernst genommen wird. Die Forschenden hoffen, die Leistung ihres Systems in den kommenden Jahren deutlich steigern zu können.

„Wir sind uns noch nicht ganz sicher, welche Auswirkungen diese Forschung haben wird, denn sie öffnet eine Tür“, so Holland. Diese Tür könnte in eine Zukunft führen, in der Navigation nicht länger auf Satelliten angewiesen ist – sondern auf die unveränderlichen Eigenschaften von Atomen.

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Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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