Hightech für das Fahrrad 02.10.2025, 12:00 Uhr

Optimierte Dichtung im Fahrradgetriebe dank Plasma

Hochpräzise Fahrradgetriebe erfordern vor allem eins – alle Teile müssen auf kleiner Fläche zuverlässig funktionieren. Gemeinsam haben das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST, die Rohloff AG und der dänische Anlagenbauer Tantec A/S eine Lösung realisiert, mit der Wellen besser abgedichtet werden können.

Plasma statt Chemie: Fraunhofer und Partner entwickeln ein nachhaltiges Verfahren für zuverlässige Fahrradtechnik.
Foto: Fraunhofer IST

Plasma statt Chemie: Fraunhofer und Partner entwickeln ein nachhaltiges Verfahren für zuverlässige Fahrradtechnik.

Foto: Fraunhofer IST

Getriebe sollen leicht laufen und gleichzeitig Dicht sein, damit weder Öl austritt noch Verschmutzung in die Mechanik eindringen kann. Wo der Einbauraum den Einsatz konventioneller Wellendichtungen nicht zulässt, kommen dazu flüssige Dichtmittel zum Einsatz. Die Herausforderung besteht aber darin, dass diese an gut an den metallischen Oberflächen haften. Gemeinsam haben das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST, die Rohloff AG und der dänische Anlagenbauer Tantec A/S dafür nun eine innovative Lösung realisiert, die die Haftung dieser Dichtstoffe gezielt verbessert.

In einer weiterentwickelten Plasmaanlage vom Typ „VacuTEC2020+ designed for COntrolled ADhesion“ kommt der neu entwickelte Beschichtungsprozess „COAD“ vom Fraunhofer IST zum Einsatz. Dieser sorgt für eine zuverlässige Haftung des Dichtstoffs auf dem Wälzlagerstahl.

Plasma als Schlüssel:  Oberflächen reinigen und beschichten in einem Prozess

Der Weg zur Lösung war nicht ganz einfach: Erste Versuche fanden mit nasschemischen Reinigungsverfahren oder sogar mit herkömmlichen Plasmabehandlungen. Allerdings führte keiner dieser Testversuche zu zufriedenstellenden Ergebnissen. Das Problem war die geschliffene Oberfläche des Lagers. Diese ließ nicht zu, dass der Dichtstoff optimal daran haften blieb. Auch eine intensive Vorbehandlung brachte keinen Unterschied. Erst das COAD-Verfahren brachte den Durchbruch.

Der dafür speziell am Fraunhofer IST entwickelte trockene Plasmaprozess läuft dabei vollautomatisiert ab. Die einzelnen Schritte der Reinigung und anschließenden Beschichtung erfolgen nacheinander.

Lesen Sie auch:
Nachhaltige Oberflächentechnik im Fokus
Stabile Antireflex-Beschichtungen für die Medizintechnik
Bessere Lichtausbeute und Reflexfreiheit bei Endoskopen

Stabile Antireflex-Beschichtungen für die Medizintechnik

Stellenangebote im Bereich Fertigungstechnik, Produktion

Fertigungstechnik, Produktion Jobs
B. Braun Melsungen AG-Firmenlogo
Senior Project Manager (w/m/d) Spritzgießanlagen B. Braun Melsungen AG
Melsungen Zum Job 
Oncotec Pharma Produktion GmbH-Firmenlogo
Betriebsingenieur Reinstmedien (m/w/d) Oncotec Pharma Produktion GmbH
Dessau-Roßlau Zum Job 
Leibniz Universität Hannover-Firmenlogo
Universitätsprofessur (W3) für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen Leibniz Universität Hannover
Hannover Zum Job 
RWTH Aachen University-Firmenlogo
Full Professor (W3) in Ceramics RWTH Aachen University
Hochschule Ravensburg-Weingarten University of Applied Sciences-Firmenlogo
Professur Produkt und Umwelt (W2) Hochschule Ravensburg-Weingarten University of Applied Sciences
Weingarten Zum Job 

Zunächst muss die Oberfläche vollständig von Unreinheiten befreit werden. Im nächsten Schritt wird der sogenannte Präkursor eingebracht. Das ist ein Molekül, welches als Ausgangprodukt einer Reaktion agiert. Dadurch wird das Plasma aktiviert und es entsteht eine extrem dünne, hochreaktive Schicht auf der Oberfläche. Die hohe Reaktivität verbessert dann die Anziehungskräfte, also die Adhäsion, zwischen Bauteil und Dichtstoff deutlich. Sie haften damit ganz ohne Lösungsmittel oder energieaufwendige Zwischenschritte aneinander.

Umsetzung als Gemeinschaftsprojekt

Die Umsetzung des Plasma-Projekts erfolgte gemeinschaftlich. Anlagenbauer Tantec A/S lieferte dafür das Grundsystem. Das unternehmen übernahm auch die  die Anpassung der Anlagentechnik und Software für den neuen Prozess. Das Fraunhofer IST entwickelte nicht nur den COAD-Prozess, sondern auch die Beschichtungseinheit und das Anlagenuntergestellt. Außerdem war es für die Optimierung der Prozessparameter und die Schulung des Personals verantwortlich. Die Rohloff AG testete dann die Beschichtung hinsichtlich Adhäsion und Qualität und integrierte die Anlage in die eigene Fertigung. Seit Juni 2024 ist die Anlage am Standort Fuldatal der Rohloff AG im Einsatz und das auch sehr erfolgreich.

„Für uns war entscheidend, eine prozesssichere und nachhaltige Lösung zu finden, die sich direkt in unsere Produktion integrieren lässt. Die neue Anlage ist daher ein echter Fortschritt: Sie verbessert nicht nur die Haftung der Dichtstoffe deutlich, sondern reduziert auch den Aufwand in der Nachbearbeitung“, sagt Mathias Gleim, Technischer Leiter der Rohloff AG.

Nachhaltige Produktion für umweltfreundliche Mobilität

Das entwickelte Verfahren ist nicht nur technisch überzeugend, sondern auch nachhaltig: Es braucht kein Lösungsmittel, keine aufwändigen Trocknungsprozesse und hat kaum CO₂-Emissionen, vor allem wenn während des Prozesses auf regenerative Energien gesetzt wird. Außerdem ist es vielseitig anwendbar und lässt sich flexibel auf verschiedene Materialien, Bauteilgrößen und Stückzahlen anpassen.

Gemeinsam mit Tantec A/S plant das Fraunhofer IST eine Umsetzung auf größere Anlagendimensionen. Beispielsweise wird derzeit am Fraunhofer-Zentrum Circular Economy für Mobilität CCEM in Wolfsburg, einem Zusammenschluss mehrerer Fraunhofer-Institute unter der Leitung des Fraunhofer IST, die großvolumige Variante des Verfahrens auf einer VacuTEC 8080+ erprobt. Ziel ist des Fraunhofer IST ist, gemeinsam mit Industriepartnerinnen und -partnern den COAD-Prozess für größere Bauteile und weitere industrielle Anwendungen, wie in der Automobil- und Luftfahrindustrie oder der Medizin- und Pharmatechnik, nutzbar zu machen.

Ein Beitrag von:

  • Anastasia Pukhovich

    Anastasia Pukhovich ist Volontärin beim VDI Verlag. Ihre Tätigkeit beim Max-Planck-Institut für Nachhaltige Materialien weckte ihr Interesse an allen Themen rund um Chemie und Umwelt, welche sie auch journalistisch verfolgt.

Zu unseren Newslettern anmelden

Das Wichtigste immer im Blick: Mit unseren beiden Newslettern verpassen Sie keine News mehr aus der schönen neuen Technikwelt und erhalten Karrieretipps rund um Jobsuche & Bewerbung. Sie begeistert ein Thema mehr als das andere? Dann wählen Sie einfach Ihren kostenfreien Favoriten.