Sicherheit 17.11.2000, 17:27 Uhr

Standseilbahn-Brandkatastrophe in Österreich

Die Ursache der Standseilbahn-Brandkatastrophe in Österreich ist bisher noch ungeklärt. In dem über 3 km langen Bahntunnel zum Kitzsteinhorn bei Kaprun geht nach der Bergung der Opfer die Suche nach der Ursache des Unglücks weiter. Am Morgen des 11. November starben dort 155 meist jugendliche Wintersportler.

Der „Gletscherdrache“ genannte Zug hatte sich bis nahezu auf den letzten der 180 Plätze gefüllt. Einige hundert Meter verläuft die Bahn offen auf einer Brücke, dann taucht sie in den Tunnel. Mit einer durchschnittlichen Steigung von 428 ‰ führt er schräg im Berg über 1500 Höhenmeter nach oben. Kaum 600 m nach der Einfahrt in die Röhre ertönt der Ruf „Es brennt! Raus hier!“. Der Zug bleibt stehen. Das Schicksal nimmt seinen Lauf.
Der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel spricht vom größten Skiunglück in der Geschichte des Landes. Die Regierung werde alles tun, dass die Sicherheit sämtlicher Seilbahnen überprüft wird. Dabei nimmt Österreich für sich in Anspruch, schon jetzt die weltweit schärfsten Sicherheitsvorschriften für Seilbahnen zu haben: „Um so tragischer ist das Unglück in Kaprun“, so Dr. Ingo Karl, Vorsteher des Fachverbands der Seilbahnen Österreichs.
Zumindest in Deutschland und in der Schweiz gibt es vergleichbare Regelwerke mit ähnlich strengen Auflagen, auch für den Brandfall: „In regelmäßigen Abständen werden Übungen durchgeführt, auch die Evakuierung wird dabei nachgestellt, so Josef Seidl, Leiter der Seilbahnaufsicht beim süddeutschen TÜV. Das Personal jeder Bergbahn sei auf dieses Szenario vorbereitet.
Den Vorwurf, die Bergbahnunternehmen unterließen aus Rentabilitätsgründen teure Investitionen in den Brandschutz, wies Dr.-Ing. Peter Hirt, Präsidiumsmitglied des Deutschen Seilbahnverbands und Chef der Bayerischen Zugspitzbahn, zurück. Eine zweite Röhre nur zur Evakuierung sei jedoch nicht zu finanzieren eine solche Auflage würde dazu führen, andere Bahnsysteme vorzuziehen. Jetzt gelte es, die Ursache für den verheerenden Brand zu finden, um gezielt Vorkehrungen treffen zu können, dass sich eine solche Katastrophe nicht wiederholt.
Die Schweizer Bergbahnen glauben, auf Brände besser vorbereitet zu sein. So erklärte Bernhard Pfamatter, Betriebsleiter der ähnlich angelegten „Metro Alpin“ in Saas Fee, in der schweizerischen Standseilbahn könne praktisch kein Feuer ausbrechen, weil größtenteils unbrennbares Material verwendet worden sei. Auch würden sich die Türen im Notfall automatisch öffnen, Fluchtwege und Notausgänge seien beleuchtet.
In allen Schrägstollen bedeutet die Kaminwirkung eine potentielle Gefahr denn der starke Luftzug kann selbst aus einem kleinen Brandherd schnell eine Feuerwalze werden lassen: „Wir haben bei der Zugspitzbahn schon vor Jahren in Tunnelmitte eine automatische Schleuse eingebaut, die sich vor dem Zug öffnet und hinter ihm wieder schließt,“ erläutert Zugspitzbahn-Direktor Peter Hirt. Zwei weitere Passagierschleusen befänden sich in der Bergstation.
Brandexperten weisen darauf hin, dass die in Verkehrsmitteln heute verwendeten „schwer entflammbaren“ Materialien keineswegs unbrennbar sind: „Sie werden nur nicht von jeder Zigarettenkippe gleich entzündet.“ Zur Herstellung würden jedoch Stoffe verwendet, die nach Überschreiten des Flammpunkts besonders toxische Brandgase entwickeln. Unbrennbare Kabel zu beschaffen, sei selbst der auf extreme Sicherheit bedachten Luftfahrt noch nicht gelungen.
Die Ermittlung der Brandursache in dem Bergbahntunnel kann lange dauern; denn an den geschmolzenen Überresten des Zuges lassen sich Spuren selbst mit den Hinweisen der Überlebenden nur in mühsamer Kleinarbeit ermitteln. Zu den Verhältnissen in der Gletscher-U-Bahn stellt sich indessen eine ganze Reihe von Fragen:
– Warum fehlte im Tunnel eine Notbe-leuchtung?
– Warum waren die Türen von innen nicht zu öffnen?
– Warum bestand keine Funksprech-verbindung?
– Warum gab der Wagenbegleiter keine Anweisung, nach unten zu flüchten?
Ob es wie bei unterirdischen Stadtbahnen und auf den Hochgeschwindigkeitsstrecken sinnvoll wäre, einen brennenden Zug nicht im Tunnel anzuhalten, sondern bis zur nächsten Station oder ins Freie weiterzufahren, bleibt ebenfalls zu erörtern. RALF ROMAN ROSSBERG

Standseilbahn Kitzsteinhorn

Erste „U-Bahn“ im Hochgebirge

Die 4050 m lange Standseilbahn zum „Alpincenter“ in rund 2450 m Höhe entstand 1974 . Ziel des Projekts: das Erreichen des ersten österreichischen Gletscherskigebiets für das Skilaufen im Sommer. Damit die Beförderungskapazität zwischen Thörl im Kapruner Tal und der Hoch-gebirgswelt erhöht werden konnte, plante man schon 1971 die weitgehend unterirdisch geführte Standseilbahn. Trotz der deutlich höheren Kosten gegenüber einer Seilschwebebahn wurde die Tunnelbahn bevorzugt: Neben der hohen Beförderungsleistung von 1240 Personen in der Stunde und den Belangen des Landschaftsschutzes gaben vor allem Sicherheitsgründe den Ausschlag: Die Anlagen sind nicht der Witterung ausgesetzt und die Betriebssicherheit von Standseilbahnen galt bisher als außerordentlich hoch.
Am 20. März 1974 wurde die „U-Alpin“ eingeweiht und als weltweite Pionierleistung gefeiert. Erst 1980 folgte die Alpen-Metro in Zermatt, 1983 die Pitztaler Gletscherbahn in Tirol und 1984 die Metro Alpin in Saas Fee. Alle verlaufen in Schrägstollen mit erheblichen Höhenunterschieden. Die Talstation der Kapruner Bahn liegt auf 928 m über NN, die Bergstation auf 2452 m. Bei einer schrägen Bahnlänge von 4050 m werden 1524 m Höhenunterschied überwunden.
Die Züge von Standseilbahnen enthalten keinen Antrieb. Er wird vielmehr stationär über das Seil bewirkt, an dem die beiden Züge hängen. Es läuft in der Bergstation über eine Umlenkrolle, so dass die Züge in starrer Verbindung abwechselnd berg- und talwärts fahren. Die Strecke ist eingleisig, auf halbem Weg befindet sich eine Ausweiche mit zwei Gleisen, in der die Züge aneinander vorbeifahren. Bei der Kapruner Bahn führt von hier ein 638 m langer Stollen ins Freie.
Die beiden Züge, „Kitzsteingams“ und „Gletscherdrache“, wurden nach 20-jährigem Einsatz im Frühjahr 1994 vollkommen erneuert und nur die Fahrgestelle wieder verwendet. RRR

 

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Ein Beitrag von:

  • Ralf Roman Rossberg

    Freier Journalist und Buchautor, der im wesentlichen zu Eisenbahnthemen schrieb. Studium der Elektrotechnik in München und Berlin, später viele Jahre im Pressedienst der Deutschen Bundesbahn.

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