Organoide Intelligenz 03.03.2023, 10:53 Uhr

Noch Vision, bald Wirklichkeit? Gehirnzellen treiben Biocomputer an

Künstliche Intelligenz gilt derzeit als das Thema der Zukunft. Doch es geht noch weiter: Organoide Intelligenz soll es ermöglichen, dass Gehirnzellen einen Biocomputer antreiben. Noch ist es Vision, doch Forschende haben einen Plan entwickelt, wie sie das verwirklichen wollen.

organoide Intelligenz

Organoide Intelligenz soll es ermöglichen, dass Gehirnzellen einen Biocomputer antreiben.

Foto: Panthermedia.net/nndanko

Es klingt wie Science-Fiction und ist derzeit auch nicht mehr als eine Vision: Forschende wollen einen Biocomputer entwickeln, der von Gehirnzellen angetrieben wird. Ein Forscherteam hat im Fachblatt „Frontiers in Science“ einen Fahrplan vorgestellt, mit dem dieses Szenario in einigen Jahrzehnten Realität werden könnte. Als Grundlage dienen dabei sogenannte Hirnorganoide. Das sind im Labor aus menschlichen Zellen gezüchtete Gewebestrukturen, die für bestimmte Hirnregionen typisch sind.

Hirnorganoide sollen computerähnlicher werden

Bei dem Ansatz des Forscherteams geht es darum, KI gehirnähnlicher zu machen. Gerade seit dem Veröffentlichen von ChatGPT haben wir gelernt, was KI bereits heute zu leisten imstande ist. Das Sprachmodell kann zum Beispiel Gedichte verfassen oder einen Ratgeber über Quantentechnik schreiben. Künstliche Intelligenz kann aber auch medizinische Erkrankungen diagnostizieren oder Bilder nach Vorgaben zeichnen.

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Bei allen beeindruckenden Fortschritten, die Computertechnologien und KI in den vergangenen Jahren gemacht haben, gilt das menschliche Gehirn mit Blick auf seine Lern- und Erinnerungsfähigkeiten nach wie vor als unübertroffen. Neue biologische Computersysteme könnten die Grenzen jedoch verschieben. Ging bei der Entwicklung von KI bislang eher darum, Computer gehirnähnlicher zu machen, sollen Hirnorganoide künftig computerähnlicher werden.

Drei zentrale Einsatzbereiche für organoide Intelligenz

An der Entwicklung revolutionärer Biocomputer arbeiten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus verschiedenen Disziplinen. Teamleiter Professor Thomas Hartung von der Johns Hopkins Universität sieht drei zentrale Einsatzbereiche für organoide Intelligenz:

  • Sie könnte dabei helfen, die Gehirnfunktionen besser zu verstehen
  • Sie könnte die Entwicklung von Medikamenten revolutionieren
  • Sie könnte die Computertechnologie umwälzen

„Wir nennen dieses neue interdisziplinäre Gebiet ‚organoide Intelligenz‘ (OI)“, sagt Hartung. „Eine Gemeinschaft von Spitzenwissenschaftlern hat sich zusammengefunden, um diese Technologie zu entwickeln, von der wir glauben, dass sie eine neue Ära des schnellen, leistungsstarken und effizienten Biocomputing einleiten wird“.

Was sind Hirnorganoide und wieso eignen sie sich als Computer?

Bei Hirnorganoiden handelt es sich um eine Art von Zellkulturen, die im Labor gezüchtet wurden. Sie sind keine „Mini-Gehirne“, besitzen aber dennoch einige wichtige Aspekte, die auch bei der Gehirnfunktion und Gehirnstruktur zu finden sind. So haben sie zum Beispiel Neuronen und andere Gehirnzellen, die für kognitive Funktionen wie Lernen und Gedächtnis wichtig sind.

Die meisten Zellstrukturen sind flach, Organoide sind hingegen dreidimensional. Das erhöht die Zelldichte um das tausendfache und die Neuronen können dadurch sehr viel mehr Verbindungen eingehen. Hirnorganoide bilden menschliche Gehirne sehr gut ab, aber wieso eignen sie sich als Computer? Schon heute sind diese doch in der Regel schneller als Menschen?

Professor Hartung erklärt das so: „Während siliziumbasierte Computer sicherlich besser mit Zahlen umgehen können, sind Gehirne besser im Lernen. AlphaGo [die KI, die 2017 den weltbesten Go-Spieler besiegte] wurde zum Beispiel mit Daten aus 160.000 Spielen trainiert. Ein Mensch müsste mehr als 175 Jahre lang fünf Stunden am Tag spielen, um so viele Spiele zu erleben.“

Menschliche Gehirne lernen nicht nur besser, sondern arbeiten auch energieeffizienter. So sei die Energiemenge, die für das Training von AlphaGo aufgewendet wurde, größer als die, die ein aktiver Erwachsener für ein Jahrzehnt benötigt.

„Gehirne haben auch eine erstaunliche Kapazität, Informationen zu speichern, schätzungsweise 2.500 TB“, fügte Hartung hinzu. „Wir stoßen an die physikalischen Grenzen von Siliziumcomputern, weil wir nicht mehr Transistoren in einen winzigen Chip packen können. Aber das Gehirn ist völlig anders verdrahtet. Es hat etwa 100 Milliarden Neuronen, die über 1015 Verbindungspunkte miteinander verbunden sind. Das ist ein enormer Leistungsunterschied im Vergleich zu unserer heutigen Technologie.

Wie würden organoide intelligente Bio-Computer aussehen?

Derzeit gezüchtete Gehirnorganoide bestehen aus etwa 50.000 Zellen, für OI müssten sie nach Angaben von Hartung aus 10 Millionen Zellen bestehen. Hier fehlt noch einiges, bis ein intelligenter Bio-Computer möglich ist. Doch das ist nicht das Einzige, was noch nicht geklärt ist. Das Team arbeitet daher parallel auch an Technologien, um mit den Organoiden zu kommunizieren. Konkret geht es darum, ihnen Informationen zu senden und auszulesen, was sie „denken“.

Dazu wollen die Autoren der Studie Werkzeuge aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wie Bioengineering oder maschinelles Lernen adaptieren und neue Stimulations- und Aufzeichnungsgeräte entwickeln. „Wir haben eine Gehirn-Computer-Schnittstelle entwickelt, eine Art EEG-Kappe für Organoide, die wir in einem im August veröffentlichten Artikel vorgestellt haben. Es handelt sich um eine flexible Hülle, die dicht mit winzigen Elektroden bedeckt ist, die sowohl Signale vom Organoiden aufnehmen als auch an ihn weiterleiten können“, so Hartung.

Dass OI grundsätzlich machbar ist, hätten laut Hartung bereits frühere Studien belegt. Konkret nennt er eine Studie seines Mitautors Brett Kagan (Cortical Labs in Melbourne). Dessen Team hatte 2022 gezeigt, dass es möglich ist, Gehirnzellkulturen das Videospiel „Pong“ beizubringen, bei dem ein Punkt auf dem Bildschirm ähnlich wie beim Tennis hin und her geschlagen wird. Bis organoide Intelligenz ein System antreiben kann, das so intelligent wie eine Maus ist, könnte es jedoch noch Jahrzehnte dauern. Doch bereits heute stehen komplexe ethische Fragen im Raum.

Thomas Hartung

Thomas Hartung mit Hirnorganoiden in seinem Labor an der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health.

Foto: Will Kirk/Johns Hopkins University

Könnten Hirnorganoide Leid fühlen oder ein Bewusstsein entwickeln?

Bei aller Euphorie für einen Biocomputer, der mit einem Gehirn arbeitet, gibt es noch einige offene ethische Fragen zu beantworten. So stellt sich zum Beispiel die Frage, ob die im Labor gezüchteten Hirnorganoide Leid fühlen können oder ob sie sogar ein Bewusstsein entwickeln. Und wie sieht es mit den Rechten der Spender der Hautzellen aus? Die Autoren der Studie schlagen daher vor, den Forschungsprozess kontinuierlich von einem Team aus Ethikern, Forschern und Mitgliedern der Öffentlichkeit begleiten zu lassen.

Eine Stellungnahme der Akademie der Wissenschaften Leopoldina beschäftigte sich bereits 2022 mit den Hirnorganoiden. Derzeit erreichen sie zwar „nur“ die Größe einer Erbse, sie sollen im Zuge der Forschungen jedoch wesentlich größer werden. Die Leopoldina-Autoren stellten fest: „Die Herstellung und Beforschung dieser neuartigen Entitäten kann leicht Unbehagen und Sorge vor der Überschreitung ethisch formulierter Handlungsgrenzen wachrufen, geht es doch um solche Zellverbände, die das biologische Substrat des menschlichen Geistes bilden und auf höchst künstliche Weise instrumentalisiert werden.“

Es sei jedoch auf absehbare Zeit nicht zu erwarten, dass die Organoide ein Schmerzempfinden haben oder andere, auch nur rudimentäre Bewusstseinsstände entwickeln könnten. „Zugleich ist die Hirnorganoidforschung aber ein Forschungsfeld mit einer hohen Dynamik, in dem in den vergangenen Jahren substanzielle Fortschritte gelungen und weitere für die Zukunft zu erwarten sind“, heißt es in der Stellungnahme von Leopoldina weiter. Dann könnten möglicherweise Regulierungen durch eine Ethikkommission nötig werden.

Personalisierte Behandlung Alzheimer oder Demenz möglich?

Die Autoren der Studie glauben, dass organoide Intelligenz in der Zukunft dabei helfen könnte, neurologische Erkrankungen zu verhindern und zu behandeln. So ginge das Versprechen der OI über die Computertechnik hinaus und erstrecke sich auch auf die Medizin. So haben die Nobelpreisträger John Gurdon und Shinya Yamanaka eine Technik entwickelt, Hirnorganoide aus erwachsenem Gewebe herzustellen. Dies bedeutet, dass personalisierte Hirnorganoide aus Hautproben von Patienten entwickeln können, die an neuronalen Störungen wie der Alzheimer-Krankheit leiden.

„Mit OI könnten wir auch die kognitiven Aspekte neurologischer Erkrankungen untersuchen“, so Hartung. „Wir könnten zum Beispiel die Gedächtnisbildung in Organoiden von gesunden Menschen und von Alzheimer-Patienten vergleichen und versuchen, die jeweiligen Defizite zu beheben. Wir könnten die OI auch nutzen, um zu testen, ob bestimmte Substanzen, wie etwa Pestizide, Gedächtnis- oder Lernprobleme verursachen.“ (mit dpa)

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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