Mehr Strom aus der Sonne – mit textilen Solarzellen
Solarstrom trägt in Deutschland bislang kaum zum Energiemix bei. Das liegt möglicherweise auch an bislang ungeeigneten Flächen. Textile Solarzellen könnten weitere Areale erschließen. Jetzt haben Forscher Prototypen vorgestellt.
In Deutschland haben Photovoltaik-Anlagen 2018 rund 46,3 Terawattstunden an Strom produziert, berichtet der Bundesverband Solarwirtschaft in aktuellen Statistiken. Dadurch wurden mehr als 28 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart. Es gibt allerdings noch Luft nach oben. Strom aus der Sonne macht, gemessen am deutschen Bruttostromverbrauch, gerade einmal 8,0% aus. Die Gründe sind vielfältig, es liegt nicht nur am fehlenden Platz. Manche Flächen eignen sich nicht für die starren, derzeit marktüblichen Solarzellen.
Forscher am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) Dresden zeigen jetzt, wie man weitere Örtlichkeiten zur Energiegewinnung nutzen könnte. Sie haben textile Solarzellen auf Basis von Glasfasergewebe entwickelt.
Herstellung ohne Glas oder Silicium
Ihr Verfahren orientiert sich an industriellen Prozessen, unterscheidet sich grundlegend von bekannten Verfahren zur Herstellung starrer Solarzellen. Denn die Forscher arbeiten nicht mit Glas oder Silizium. Als Basis dient vielmehr Gewebe. „Über verschiedene Beschichtungsverfahren können wir Solarzellen direkt auf technischen Textilien herstellen“, sagt Lars Rebenklau vom Fraunhofer IKTS. Doch die Umsetzung stellte sein Team erst einmal vor einigen Fragen.
Zum Hintergrund: In der Textilindustrie sind fünf bis sechs Meter Stoffbreite und Stofflängen von tausend Metern normal. Neue Verfahren haben sich an den riesigen Dimensionen zu orientieren. Das Gewebe selbst muss Temperaturen von 200 Grad Celsius überstehen – so heiß wird es beim Beschichtungsvorgang. Schließlich sollten die Hightech-Schichten im Produktionsprozess direkt auf Textilien erzeugt werden. Auch der Brandschutz und letztlich der Herstellungspreis sind wichtige Kriterien für textile Solarzellen.
Lernen von der Textilindustrie
Um diese Herausforderungen zu meistern, arbeitet ein Konsortium mit Partnern aus Forschung und Anwendung eng zusammen. Neben dem Fraunhofer IKTS waren das Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS, das Sächsische Textilforschungsinstitut sowie die Firmen erfal GmbH & Co. KG, PONGS Technical Textiles GmbH, Paul Rauschert GmbH & Co. KG und GILLES PLANEN GmbH mit im Boot.
Um effizient textile Solarzellen zu produzieren, muss man sich an etablierten Technologien der Druck- und Textilbranche orientieren. Schnell stand fest, dass Glasfasergewebe alle Rahmenbedingungen erfüllen. Rebenklau beschreibt textile Oberflächen jedoch als riesige Gebirge. Deshalb trugen Forscher im ersten Schritt eine dünne Schicht auf, um „Berge“ und „Täler“ einzuebnen. Das funktionierte per Transferdruck recht gut – ein Verfahren, mit dem normalerweise Gummischichten in den Trägerstoff eingedampft werden. Dann folgten Elektroden aus leitfähigem Polymer und die photovoltaisch wirksame Schicht. Als technische Lösung eignet sich das Rolle-zu-Rolle-Verfahren. Schon länger werden elektronische Bauteile auf einer Bahn aus flexiblem Kunststoff- oder Metallfolien gedruckt. Zuletzt brachten die Forscher eine Schutzschicht auf, damit ihre textile Zelle auch Witterungseinflüsse übersteht.
Keine Konkurrenz zu starren Solarzellen
Rebenklau und seine Kollegen haben schon zahlreiche Ideen für ihre neue Form der Stromgewinnung. Man könnte die robusten Gewebe zur Bespannung von LKWs verwenden, um den Energieverbrauch zu verringern oder um Anhänger autark mit Strom zu versorgen. Neben diesen Spezialanwendungen haben die Forscher noch größere Visionen. Sie hoffen, Gebäudefronten als bislang ungenutzte Flächen mit ihrem Material zu bespannen, um den Prozentsatz an Solarstrom in Deutschland zu erhöhen.
„Wir konnten zeigen, dass unsere textile Solarzelle an sich funktioniert“, so Rebenklau. „Ihre Effizienz liegt momentan bei 0,1 bis 0,3%.“ Für kommerzielle Anwendungen soll der Wert auf mindestens 5,0% zu steigern. Bekanntlich erreichen marktübliche Siliziumzellen derzeit 10 bis 20%. Die Fraunhofer-Forscher sehen ihre Entwicklung jedoch nicht als Konkurrenz. Vielmehr wollen sie bisher ungeeignete Flächen auch für die Energieerzeugung erschließen. Hinzu kommt, das noch Daten über die Stabilität und die Lebensdauer fehlen. Bis zur Serienreife wird noch etwas Zeit vergehen. Läuft alles nach Plan, könnten textile Solarzellen in 5 Jahren auf den Markt kommen, hoffen die Forscher. Dann hätten sie das Ziel ihres Projekts PhotoTex, neue Impulse für die Textilindustrie in Deutschland zu schaffen, erreicht. PhotoTex gehört zum Programm „Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
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