Energiegewinnung 30.09.2011, 12:06 Uhr

Geothermie: Unerschöpflich und unerschlossen

Erdwärme ist eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle. In Deutschland wird sie bisher vergleichsweise wenig genutzt. Doch ihre Erschließung ist aufwändig und nicht ohne Risiken.

Geothermie: Eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle.

Geothermie: Eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle.

Foto: Teramex

In den letzten Jahren richtet sich der energiepolitische Blick vermehrt in die Tiefe der Erde, wo eine riesige Energiequelle schlummert, die während des Entstehungsprozesses unseres Planeten und durch den Zerfall radioaktiver Elemente angehäuft wurde: die Erdwärme.

Erdwärme ist nach menschlichen Maßstäben unerschöpflich: Die Deutsche Physikalische Gesellschaft schätzt, dass man in Deutschland rund 100 Jahre lang kontinuierlich bis zu 15 GW Leistung erzeugen könnte, sofern man die Abkühlung des Untergrunds auf 1 °C begrenzen würde. Für einen größeren Anteil am deutschen Strommix reicht das nicht. So betrug Ende 2010 die installierte Photovoltaikleistung hierzulande bereits 17 GW. Allerdings kalkulieren Experten bei Erdwärme-Kraftwerken mit einer Laufzeit von über 8000 h/a, bei Photovoltaikanlagen nur mit 1000 h/a.

Geothermie: Bohren mit Risiko

In Deutschland steckt die Geothermie noch in den Kinderschuhen. Ein Grund ist, dass man sehr tief bohren muss und von vorneherein nicht klar ist, ob die Bohrung erfolgreich sein wird; dies gilt für eine geothermische Wärme- und insbesondere eine gekoppelte Strom- und Wärmeerzeugung. Deshalb gilt die Geothermie in Deutschland als Nischentechnologie. In geologisch aktiveren Regionen hat sie daher erheblich mehr Potenzial. So erzeugt Island rund 60 % seiner Primärenergie aus Erdwärme.

Unter dem Begriff „Erdwärme-
nutzung“ werden unterschiedliche Verfahren zusammengefasst. Allen gemeinsam ist die Nutzung von Wärme aus dem Boden, wie diese gefördert wird, ist aber verschieden.

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Schon seit vielen Jahren bewährt ist die oberflächennahe Geothermienutzung mit Wärmepumpen. Sie holt Wärme nach dem umgekehrten Kühlschrankprinzip aus dem Untergrund in einigen 10 m bis maximal wenigen 100 m Tiefe. Hier stammt die Wärme primär aus der Sonneneinstrahlung. Anders ist das bei der tiefen Geothermie: Sie dringt in Tiefen von bis zu 5000 m vor, wo das Gestein rund 150 °C und – je nach geologischen Bedingungen – noch deutlich heißer sein kann. Der Übergang zwischen der oberflächennahen und der tiefen Geothermie ist fließend in Deutschland spricht man von tiefer Geothermie bei Bohrungen ab rund 500 m Tiefe.

Bezüglich der tiefen Geothermie sind 95 % der möglichen Standorte in Deutschland für eine Nutzung als sogenannte Enhanced Geothermal Systems geeignet: Kaltes Wasser wird durch ein Rohr in die Tiefe gepumpt und dort durch speziell für diesen Zweck aufgebrochene Ritzen des heißen Gesteins gepresst. Fachleute sprechen auch von petrothermalen Anlagen. Eine zweite Bohrung sammelt das Wasser wieder auf und führt es beispielsweise zu einem Heizkraftwerk, das gekoppelt Strom und Wärme erzeugt.

In Soultz-sous-Forêts im Elsass wurde 2008 die erste Anlage Europas in Betrieb genommen, die Strom nach diesem Verfahren erzeugt. In der Zwischenzeit wurden auch an anderen Standorten Anlagen zur Geothermienutzung realisiert wie in Landau oder in Unterhaching.

Bisherige Ökobilanzen der Geothermie sind mit Vorsicht zu genießen

Weil vor allem die tiefe Geothermie erst am Anfang ihrer Karriere steht und noch technische Fortschritte zu erwarten sind, sind die vorhandenen Ökobilanzen mit Vorsicht zu genießen. Verschiedenen Quellen zufolge zeigt diese Technologie im Vergleich zu anderen Optionen zur Nutzung erneuerbarer Energien ungünstigere Kenngrößen als eine Stromerzeugung aus Wind und Wasser nur die in der Herstellung sehr energieintensive Photovoltaik ist durch noch höhere Werte gekennzeichnet. Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) veranschlagt für geothermische Heizwerke pro kWh Wärme einen Ausstoß von Treibhausgasen von etwa 70 g/CO2-Äquivalent bis gut 100 g/CO2-Äquivalent.

Ursache für diesen relativ hohen Wert des Ifeu ist, dass geothermische Anlagen im laufenden Betrieb ständig Strom u. a. zum Betrieb der Pumpen benötigen. Kommt diese elektrische Energie aus dem Netz, holt man sich damit auch die Emissionen des deutschen Strommix in die Ökobilanz. Und diese liegen nach Angaben des Lehrstuhls Energiesysteme und Energiewirtschaft der Ruhr-Universität Bochum bei 665 g CO2-Äquivalent/kWh.

In dem Maße jedoch, wie der Anteil an Ökostrom im deutschen Strommix steigt, dürften geothermische Kraftwerke sauberer werden. Deshalb sehen Daten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) besonders für die Stromerzeugung aus Geothermie rasch fallende CO2-Vermeidungskosten.

Schon heute liegt der Wert bei null, das heißt, ein geothermisches Kraftwerk reduziert den Ausstoß von Treibhausgasen zum Nulltarif, 2030 soll der Wert sogar bei -55 €/t CO2 liegen dann würden die Betreiber sogar Geld sparen.

Alle Werte hängen jedoch stark davon ab, wie das Energiesystem zur Nutzung der Geothermie konkret gestaltet ist. Für eine Stromerzeugung aus tiefer Geothermie sehen die Daten relativ günstig aus. Doch die oberflächennahe Nutzung von Erdwärme mittels Wärmepumpe zu Heizzwecken ist häufig ein ökologisches Nullsummenspiel.

Laut Ifeu betragen die Treibhausgasemissionen einer elektrischen Wärmepumpe im günstigsten Fall immer noch die Hälfte einer Gastherme bei ca. 150 g CO2-Äquivalent/kWh für die Wärmeerzeugung im ungünstigen Fall liegen die Emissionen sogar darüber. Schlecht geplant verschlingt die Wärmepumpe so viel Strom aus dem Netz, dass über die Emissionen konventioneller Kraftwerke sogar mehr Treibhausgas frei wird, als wenn man Gas gleich im Kessel verheizen würde.

Beim heutigen deutschen Strommix, der überwiegend auf fossilen Kraftwerken basiert, sind elektrisch betriebene Wärmepumpen mit geringen Arbeitszahlen daher ökologisch problematisch. Erst wenn der Anteil erneuerbarer Energien deutlich steigt, werden Wärmepumpen einen deutlichen ökologischen Vorsprung erzielen.

Bei der tiefen Geothermie wird die Ökobilanz auch stark von den geologischen Bedingungen bestimmt. Steigt die Temperatur im Untergrund schneller an als gedacht, muss man weniger tief bohren dies hat dann positive Auswirkungen auf die Ökobilanz. Doch wenn man Pech hat, passiert das Gegenteil und das Projekt schneidet auch ökologisch schlechter ab. Deshalb liegen Nutzen und Risiko bei keiner anderen Form der erneuerbaren Energie enger beieinander. Die neuesten Projekte zeigen aber, dass die Geologen dazugelernt haben und Geothermieprojekte in der Regel erfolgreich sind.

BUND empfiehlt Geothermie mit Einschränkungen

Diese Ambivalenz drückt auch ein Positionspapier des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) aus dem Jahr 2007 aus. Es sieht die Geothermie als wichtigen Pfeiler einer künftigen nachhaltigen Energieversorgung und empfiehlt sie zur bevorzugten Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz – allerdings mit Einschränkungen.

So fordert der BUND, dass das Grundwasser nicht verunreinigt werden dürfe. Dies gewährleisten bei der oberflächennahen Erderwärmung nur geschlossene Systeme, durch die Wasser oder Kohlenstoffdioxid als Wärmeträger zirkuliert. Offene Kreisläufe lehnen die Umweltschützer ebenso ab wie die übermäßige Beeinflussung der Temperatur im Untergrund.

Wärmepumpen zum Heizen senken die Temperatur im Grundwasser im Winter und heizen es im Sommer auf, wenn die Wärmpumpe das Haus kühlt. Was dies für die Bakterienpopulation und die Selbstreinigungskraft des Wassers bedeutet, ist noch weitgehend unerforscht. Das BUND-Positionspapier sei in weiten Teilen überholt, meint die Geothermiebranche.

Fast alle Projekte werden inzwischen mit Wärmenutzung geplant, was der Geothermie einen deutlichen Effizienzvorsprung gibt. Und fast alle Projekte setzen mittlerweile auf Luftkühlung des Wärmeträgers, als Reaktion auf die vom BUND kritisierte Entnahme von Kühlwasser aus dem Grundwasser.

Bislang keine Erkenntnisse über zusätzliche Erdbeben durch Geothermie-Bohrungen

Außerhalb jeder Ökobilanz liegt die Bewertung der Gefahr durch Erdbeben bei der tiefen Geothermie oder durch Bodenbewegungen bei der oberflächennahen Erdwärmenutzung. Was passieren kann, zeigt das Beispiel Staufen am Oberrhein: Nach unfachmännisch gesetzten Bohrungen für ein oberflächennahes Geothermieprojekt im Jahr 2007 hob sich die Stadt um 1 cm/Monat, meterlange Risse in Hauswänden zeigen das ganze Ausmaß.

„Staufen war Schlamperei“, sagt Martin Kaltschmitt, Leiter des Instituts für Umwelttechnik und Energiewirtschaft der TU Hamburg-Harburg. Dort habe man eine Anhydrit-Schicht angebohrt, die sich nun mit Grundwasser aus einer anderen Schicht vollsauge und so das Gelände anhebe. Bei der tiefen Geothermie können auch kleine seismische Ereignisse auftreten. Doch die würden in tektonisch aktiven Gegenden ohnehin passieren zusätzliche Beben durch die eigentliche Bohrung sind bisher nicht bekannt geworden, so Kaltschmitt.  

Geothermie im Öko-Fokus  

Unerschöpflich und unerschlossen

Unerschöpflich und unerschlossen

-System: Man unterscheidet die oberflächennahe Geothermie zur Gebäudeklimatisierung mit Wärmepumpen und die tiefe Geothermie zur Strom- und/oder Wärmeerzeugung, die Energie in mehr als 500 m Tiefe erschließt.

–Energetische Amortisation: für hydrothermale Geothermie werden für die Wärmeerzeugung sieben bis zehn Monate angesetzt.

-Ressourcenbeanspruchung: 620 kJ bis 1660 kJ Primärenergie pro kWh bei einer ausschließlichen Stromerzeugung (Ressourcenbeanspruchung errechnet über den kumulierten Aufwand fossiler Energieträger). Zum Vergleich: Die Wasserkraft liegt bei 120 kJ bis 300 kJ pro kWh. Bei einer zusätzlichen Wärmebereitstellung ist die Ressourcenbeanspruchung deutlich niedriger.

-Treibhausgasemissionen: Die Angaben schwanken für die tiefe Geothermie je nach Quelle zwischen 16 t und 79 t CO2-Äquivalent/GWh diese Größe wird auch von den Treibhausgasemissionen von dem z. B. zum Pumpen genutzten Strom – also den aktuellen Strommix – beeinflusst. Daher werden diese Emissionen zukünftig absinken. Schlecht geplant verschlingt aus dem gleichen Grund bei der oberflächennahen Geothermie die Wärmepumpe so viel Strom aus dem Netz, dass sogar mehr Treibhausgase frei werden können, als wenn man gleich Erdgas im Kessel verheizen würde.

?Flächenverbrauch/Naturschutz: in den vorliegenden Ökobilanzen nicht erfasst. Der Oberflächenverbrauch ist relativ gering. Die Flächen können später reaktiviert werden.

-Ökobilanzen sind rar. Es laufen aktuelle Projekte zur Technik- evaluation.

Ein Beitrag von:

  • Stephan W. Eder

    Stephan W. Eder

    Redakteur VDI nachrichten
    Fachthemen: Energie, Energierohstoffe, Klimaschutz, CO2-Handel, Drucker und Druckmaschinenbau, Medien, Quantentechnologien

Themen im Artikel

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