Von Landwirtschaft bis Industrie 18.11.2023, 11:12 Uhr

Was können Enzyme in der Biotechnologie leisten?

Ob in Lebensmitteln, Textilien oder Waschmitteln: Enzyme begegnen uns im täglichen Leben fast überall. Doch was sind Enzyme überhaupt? Was können Sie in der Biotechnologie leisten? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Enzyme Biotechnologie

Enzyme spielen nicht nur im Körper eine wichtige Rolle, sie lassen sich auch als Spezialwerkzeuge nutzen, um biobasierte Produkte umzubauen, abzubauen oder zu veredeln.

Foto: Panthermedia.net/SergeyNivens

Enzyme spielen im täglichen Leben eine wichtige Rolle: Sie finden sich in Waschmitteln, Reinigern, Textilien, Medikamenten sowie in zahlreichen Nahrungs- und Futtermitteln. Sie sind unerlässlich für die Herstellung und Verarbeitung verschiedener Produkte wie Papier, Textilien, Leder, Pharmazeutika und bei der Umwandlung von Pflanzenstoffen in Biotreibstoffe. Die meisten dieser Enzyme sind Erzeugnisse der Biotechnologie, hergestellt durch gezielt optimierte Mikroorganismen. Erfahren Sie in diesem Ratgeber, was Enzyme in der Biotechnologie leisten können.

Was sind Enzyme?

Enzyme sind Eiweiße (Proteine), die im Körper als Biokatalysatoren fungieren. Das bedeutet, dass sie chemische Reaktionen im Organismus beschleunigen und regulieren können. Sie sind wichtige Bausteine des Stoffwechsels und für zahlreiche Prozesse im Körper verantwortlich, wie zum Beispiel für die Verdauung von Nahrungsmitteln, den Aufbau von Geweben und die Entgiftung von Schadstoffen.

Enzyme sind sehr spezifisch und können nur mit bestimmten Molekülen, die als Substrate bezeichnet werden, interagieren. Sobald das Substrat an das Enzym gebunden ist, ändert sich die räumliche Anordnung der Atome (Konformation) des Enzyms, was zu einer beschleunigten Reaktion und Freisetzung des Produkts führt. Ohne Enzyme würden viele wichtige Vorgänge im Körper sehr langsam oder gar nicht ablaufen. Sie sind in allen lebenden Organismen zu finden und spielen eine entscheidende Rolle dabei, den Stoffwechsel und somit die Gesundheit aufrechtzuerhalten.

Enzyme spielen jedoch nicht nur im Körper eine wichtige Rolle. Sie dienen zudem als spezialisierte Werkzeuge, um biobasierte Produkte zu verändern, abzubauen oder zu verbessern. Sie sind essenziell in der Lebensmittelproduktion und spielen auch in der Chemie-, Pharma- und Papierindustrie eine wichtige Rolle. In Waschmitteln sind Enzyme unverzichtbar. Darüber hinaus sind sie fundamental für die molekularbiologische Forschung und gentechnische Verfahren.

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Lassen sich Enzyme für die Biotechnologie gezielt herstellen?

Derzeit sind weltweit etwa 5.400 verschiedene Enzymklassen detailliert beschrieben und systematisch eingeordnet. In diese Klassen gliedern sich die 77.000 Enzyme, die in der deutschen Enzym-Datenbank „BRENDA“ zu finden sind. Sie stammen aus insgesamt mehr als 30.000 Organismen. Früher konnten nur solche Enzyme wissenschaftlich genutzt werden, die natürlicherweise von einem Organismus produziert wurden. Heute besteht die Möglichkeit, Enzyme gezielt herzustellen und ihre Funktionsweise zu modifizieren oder auch genetisch zu verändern. Enzyme können auf verschiedene Weise für die Biotechnologie  fabriziert werden, je nach gewünschtem Enzym und Anwendung. Zum Beispiel:

  • Fermentation: Enzyme können durch Fermentation von Mikroorganismen, wie etwa Bakterien oder Pilzen, hergestellt werden. Die Mikroorganismen werden in einer Nährmediumkultur vermehrt und produzieren Enzyme, die dann entnommen werden können.
  • Proteinengineering: Mithilfe von Proteinengineering-Techniken können Enzyme modifiziert und optimiert werden, um ihre Eigenschaften zu verbessern oder neue hinzuzufügen. Zum Beispiel lassen sich Enzyme auf genetischer Ebene verändern, um ihre Aktivität oder Stabilität zu erhöhen.
  • Extraktion aus natürlichen Quellen: Einige Enzyme können aus natürlichen Quellen, wie Pflanzen oder Tieren, extrahiert werden. Dies erfordert jedoch aufwändige Verfahren zur Reinigung und Konzentrierung der Enzyme.
  • Immobilisierung: Enzyme können auch immobilisiert werden, indem sie an eine Trägermatrix gebunden werden, wie beispielsweise an einen Träger aus Polymeren oder an einen Feststoff. Dies ermöglicht eine einfache Handhabung und Wiederverwendbarkeit.

Der Großteil der industriell verwendeten Enzyme wird heutzutage mithilfe von Gentechnik produziert.

Enzyme in der Biotechnologie: Wie die Lebensmittelindustrie profitiert

Für Enzyme gibt es in der Lebensmittelindustrie zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Sie können die Verarbeitung von Zutaten vereinfachen, den Geschmack von Nahrungsmitteln verbessern oder die Haltbarkeit verlängern. Zu den Anwendungen zählt zum Beispiel die Produktion von Backwaren. Die Bäckereiindustrie verwendet Enzyme wie Amylasen, Proteasen und Lipasen, um den Teig zu lockern, die Textur von Brot zu verbessern und den Prozess der Teigbildung zu beschleunigen.

Die Milchindustrie setzt Lab oder Chymosin bei der Käseherstellung ein, um die Milch gerinnen zu lassen und die Bildung von Käse zu erleichtern. Proteasen werden zugesetzt, um Textur und Haltbarkeit von Joghurt zu verbessern. Selbst Getränke kommen in der Regel kaum noch ohne Enzyme aus: Die Getränkeindustrie nutzt Amylasen und Cellulasen, um den Zucker aus Getreide wie Gerste und Reis abzubauen und so Alkohol zu produzieren. Enzyme wie Pektinasen finden Verwendung, um klare Fruchtsäfte zu erzeugen oder deren Stabilität zu verbessern.

Bei der Verarbeitung von Fleisch wird beispielsweise enzymatischer Kleber benutzt, um verschiedene Fleischteile zu verbinden, etwa bei Kochschinken. Proteasen und Papain sollen die Textur von Fleischprodukten verbessern, indem sie das Bindegewebe abbauen und so das Fleisch zarter machen. Auch wer gern Süßwaren nascht, nimmt dabei Enzyme zu sich. Amylasen und Glucanasen werden bei der Herstellung eingesetzt, um Stärke in Zucker umzuwandeln und so die Süße und Textur zu verfeinern, zum Beispiel von Karamell und Marshmallows.

Wie können Enzyme in der Biotechnologie der Landwirtschaft helfen?

Enzyme werden in der Landwirtschaft für verschiedene Anwendungen der Biotechnologie eingesetzt. Dazu zählen unter anderem:

  • Pflanzenzüchtung: Enzyme werden bei der Pflanzenzüchtung eingesetzt, um die DNA von Pflanzen gezielt zu manipulieren und so gewünschte Merkmale wie Resistenz gegen Schädlinge oder höhere Erträge zu fördern.
  • Tierhaltung: In diesem Bereich dienen Proteine dazu, Futtermittel aufzuschließen und so die Verdauung der Tiere zu verbessern. Dies soll zu einer verbesserten Nutzung der Inhaltsstoffe im Futter und einem schnelleren und stärkeren Wachstum führen.
  • Bodenbearbeitung: Die Landwirtschaft nutzt Enzyme ferner, um die Bodenqualität zu optimieren. Diese bauen organische Materialien ab und setzen so Nährstoffe frei. Das erhöht die Fruchtbarkeit des Bodens, Nutzpflanzen sind produktiver.
  • Schädlingsbekämpfung: Auch bei der Schädlingsbekämpfung kommen Proteine zum Einsatz, zum Beispiel Bacillus thuringiensis (Bt)-Enzyme. Sie helfen dabei, Schädlingspopulationen zu reduzieren oder abzutöten. Darunter Schädlinge wie Schmetterlingsraupen oder Käfer.
  • Bioenergie: Enzyme lassen sich zudem zur Herstellung von Bioenergie aus Biomasse wie Pflanzen oder Abfällen einsetzen. Sie wandeln Biomasse in Zucker um, der dann zur Herstellung von Bioethanol oder Biogas verwendet werden kann.

Enzyme für Biotechnologie-Vorgänge sind in der Landwirtschaft von großem Nutzen, da sie dazu beitragen, Pflanzen produktiver zu machen, den Boden zu verbessern und somit den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln zu reduzieren.

Bei welchen technischen Anwendungen werden Enzyme eingesetzt?

Die Technologie setzt Enzyme bei einer Vielzahl von Anwendungen ein, da sie chemische Reaktionen beschleunigen und dabei oft unter milden Bedingungen arbeiten. Auch im Alltag begegnen Ihnen regelmäßig verschiedene Enzymvorgänge, zum Beispiel beim Waschen. Waschmittel enthalten Enzyme um Flecken und Schmutz zu entfernen. Proteasen und Amylasen sind beispielsweise in der Lage, Proteine und Stärke abzubauen, die in Schmutz und Flecken enthalten sind.

Die Wäsche selbst ist häufig ebenfalls unter Enzymeinsatz entstanden. Die Textilindustrie nutzt sie, um Baumwollfasern aufzulösen und so die Produktion zu vereinfachen. Auch die Lederherstellung kommt nicht ohne Enzyme aus. Sie helfen dabei, die Tierhaut leichter zu enthaaren und das Leder weicher zu machen. Proteasen und Amylasen können zudem nützlich sein, um Protein- und Stärkeablagerungen auf Leder zu entfernen.

Zeitung lesen, Briefe schreiben – all das ist ohne Enzyme nicht möglich. Denn ohne sie gäbe es keine industrielle Papierfertigung. Enzyme lösen Zellstofffasern auf, was den Produktionsprozess beschleunigt und verbessert.

Wie ist das wirtschaftliche Potenzial von Enzymen in der Biotechnologie?

Enzyme sind zu einem wichtigen Standbein der industriellen Biotechnologie geworden. Nach Angaben des Verbands der Enzymhersteller (AMFEP) werden rund 250 Enzyme kommerziell vertrieben. Der Umsatz lag im Jahr 2021 bei schätzungsweise sechs Milliarden US-Dollar. Für die kommenden Jahre bis 2027 rechnen Expertinnen und Experten mit einer jährlichen Wachstumsrate von etwa sechs Prozent. Die wichtigsten Faktoren für das Marktwachstum sind eine steigende Vielfalt an Anwendungsmöglichkeiten für Enzyme in der Biotechnologie sowie die wachsende Nachfrage aufgrund strengerer Normen und Vorschriften in der Landwirtschaft.

Ein Beitrag von:

  • Julia Klinkusch

    Julia Klinkusch ist seit 2008 selbstständige Journalistin und hat sich auf Wissenschafts- und Gesundheitsthemen spezialisiert. Seit 2010 gehört sie zum Team von Content Qualitäten. Ihre Themen: Klima, KI, Technik, Umwelt, Medizin/Medizintechnik.

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