Drohnen über Deutschland: Gefahr für kritische Infrastruktur
Deutschland plant schärfere Drohnenabwehr: Innenminister Dobrindt kündigt gemeinsames Abwehrzentrum und neue Befugnisse an.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 hat das Meldeaufkommen zu Drohnensichtungen mit Bezug zur Bundeswehr deutlich zugenommen und sich verstetigt. Nach Drohnensichtungen prüfen die Behörden den Verdacht, wonach Drohnen kritische Infrastruktur wie hier das Küstenkraftwerk der Stadtwerke in Schleswig-Holstein ausspioniert haben.
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Drohnen stören nicht nur in Dänemark den Flugverkehr, auch Deutschland ist betroffen: In Schleswig-Holstein wurden Überflüge über eine Werft, ein Krankenhaus und ein Kraftwerk gemeldet. In Mecklenburg-Vorpommern traf es sogar einen Bundeswehrstandort. Nun will Innenminister Alexander Dobrindt die Drohnenabwehr per Gesetz schneller vorantreiben.
„Wir stellen fest, dass es eine hybride Bedrohungslage gibt, die steigt“, sagte der Innenminister.
Es gehe ums Aufspüren, Abwehren und Abfangen von Drohnen. Dies beinhalte auch das Abschießen von Drohnen. Deswegen werde auch das Luftsicherheitsgesetz in Absprache mit Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) neu gefasst. Neben der Polizei müsse es auch eine Fähigkeit und eine Möglichkeit der Bundeswehr geben, bei der Drohnenabwehr tätig zu werden.
Inhaltsverzeichnis
- Drohnenabwehrzentrum geplant
- Bundeswehr: Können Drohnen bei Gefahr abwehren
- Vier meldepflichtige Ereignisse im ersten Halbjahr
- Drohnen über Bundeswehr und Hafen in Mecklenburg-Vorpommern gesichtet
- Staatsanwaltschaft ermittelt in Schleswig-Holstein
- Ministerpräsident appelliert: Nicht verunsichern lassen
- Landesstrategie Hessen
Drohnenabwehrzentrum geplant
Dobrindt sagte, es solle ein gemeinsames Drohnenabwehrzentrum eingerichtet werden. Dieses solle den Informationsaustausch zwischen Länder und Bund ermöglichen, Gefahrenanalysen vornehmen und eine Koordinierung operativer Maßnahmen ermöglichen.
Nicht jede Drohne sei automatisch eine Bedrohung, sagte der Minister. „Auch nicht jede Drohne, die durch fremde Mächte gesteuert wird, ist automatisch eine Bedrohung. Vieles ist heute im Bereich der Provokation zu sehen.“ Man müsse angemessen immer auf die jeweilige Bedrohung reagieren.
Das gemeinsame Drohnenabwehrzentrum soll Kompetenzen von Bundespolizei, Zoll, BKA und Länderbehörden bündeln und Analysen verbessern. Eine Grundgesetzänderung sei dafür nicht nötig. Der Bundesinnenminister spricht von einem „Wettrüsten“ zwischen Bedrohung und Abwehr.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht ein separates Abwehrzentrum skeptisch und fordert ein „24/7-360-Grad-Lagebild“, in dem sicherheitsrelevante Daten zentral zusammenlaufen. Die Bundeswehr könne nicht überall Drohnen vom Himmel holen. Er mahnt zu Besonnenheit: Bisher sei von beobachteten Drohnen keine konkrete Bedrohung ausgegangen.

Deutschland im Visier: Innenminister Dobrindt plant schärfere Drohnenabwehr. Verdächtige Überflüge über Häfen und Militär.
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Bundeswehr: Können Drohnen bei Gefahr abwehren
Ein Sprecher des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr sagte, seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar 2022 habe das Meldeaufkommen zu Drohnensichtungen mit Bezug zur Bundeswehr deutlich zugenommen und sich verstetigt. „In Summe sind in den letzten Jahren einige Hundert mutmaßliche Drohnenüberflüge im Bereich der Bundeswehr gemeldet worden. Die Meldungen umfassen dabei vorrangig einzelne Drohnen aber mitunter auch potenzielle Drohnenschwärme.“
Es sei grundsätzlich verboten, eine Drohne über oder innerhalb eines seitlichen Abstands von 100 Metern zur äußeren Begrenzung einer militärischen Anlage zu betreiben. Sind militärische Anlagen betroffen, könnten strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet und Freiheitsstrafen verhängt werden. „Wir können über unseren Standorten Drohnen abwehren, wenn Gefahr im Verzug ist. Dafür haben wir die Befugnisse und die entsprechenden Mittel.“ Weitere Angaben seien aus „Gründen der militärischen Sicherheit und der Operationssicherheit“ nicht möglich.
Vier meldepflichtige Ereignisse im ersten Halbjahr
Bundespolizei, Schweriner Innenministerium oder die Bundeswehr machten auf Anfrage keine Angaben zu den konkreten Fällen. Das Innenministerium teilte aber mit, im ersten Halbjahr 2025 seien in Mecklenburg-Vorpommern 68 Vorkommnisse im Zusammenhang mit dem Betrieb unbemannter Luftfahrtsysteme (ULS) und von Flugmodellen polizeilich registriert worden. Vier davon waren demnach meldepflichtig im Sinne der bundesweiten Meldeverpflichtungen. Dabei sei in einem Fall ein Offshore-Windpark vor Rügen betroffen gewesen und in drei Fällen militärische Anlagen.
Minister Christian Pegel (SPD) betonte: „Bedrohungen wie Cyberangriffe oder Spionagedrohnen über unseren Häfen machen nicht an Landesgrenzen halt. Gerade die norddeutschen Küstenländer sind aufgrund der Lage besonders.“
Erst im Juli hatten die fünf norddeutschen Bundesländer ein gemeinsames Vorgehen bei der Abwehr von Drohnenbedrohungen vereinbart. Dabei geht es früheren Aussagen Pegels zufolge um eine möglichst abgestimmte und gegebenenfalls gemeinsame Beschaffung gleicher Technologie. Die gleiche Technik vereinfache vieles.
Drohnen über Bundeswehr und Hafen in Mecklenburg-Vorpommern gesichtet
Laut Nachrichtenmagazin Der Spiegel wurden in Mecklenburg-Vorpommern jüngst verdächtige Drohnen gesichtet. Betroffen waren demnach ein Bundeswehrstandort in Sanitz, das Marinekommando in Rostock und der dortige Überseehafen.
Der Bericht verweist auf einen internen Behördenvermerk. Demnach hätten sich am Montag mehrere verdächtige große Drohnen „koordiniert und zusammenhängend“ im Bereich des Überseehafens Rostock bewegt. In Sanitz sollen am vergangenen Donnerstag Drohnen gesichtet worden sein. Das Marinekommando in Rostock soll einen Tag später betroffen gewesen sein.
Staatsanwaltschaft ermittelt in Schleswig-Holstein
Nach Drohnensichtungen über einer Werft, Militär- und anderen Einrichtungen in Norddeutschland ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft auf Hochtouren. Bei einem Großteil der Sichtungen in der Nacht auf Freitag konnten Experten illegale, kritische Drohnenüberflüge mittlerweile aber ausschließen, wie Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags sagte. „Dazu gehören zum Beispiel Flugzeuge, Hubschrauber und auch legale Drohnen.“
Einige dieser Sichtungen, auch über militärische Einrichtungen, konnten bislang jedoch nicht verifiziert werden. Die Staatsanwaltschaft Flensburg hat ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet. Wegen der teilweise im Verbund erfolgten Drohnenüberflüge liege der Anfangsverdacht einer Straftat des sicherheitsgefährdenden Abbildens vor, sagte die Leitende Oberstaatsanwältin Stephanie Gropp im Ausschuss.
Ministerpräsident appelliert: Nicht verunsichern lassen
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) betonte: „Es ist klar, dass die Drohnenüberflüge in verschiedenen EU-Staaten, Deutschland und bei uns in Schleswig-Holstein in den vergangenen Wochen und Monaten vor allem der Verunsicherung und Destabilisierung dienen sollen. Genauso wie Desinformationen im Internet, Spionage- und Sabotageversuche sind das Mittel der hybriden Kriegsführung.“
Auf diese Angriffe müsse Europa entschieden und mit Stärke beantworten, sagte Günther. „Deshalb brauchen wir auch in Deutschland so schnell wie möglich eine effektive und funktionierende Drohnenabwehr, zum Schutz unserer kritischen Infrastruktur und der Bevölkerung.“
Landesstrategie Hessen
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) kündigt zusätzliche Landesmittel und Maßnahmen an: Hessen will Detektions- und Abwehrfähigkeiten ausbauen und setzt auf ein abgestimmtes Vorgehen von Bund und Ländern bei Zuständigkeiten und Technik.
Im hessischen Polizeigesetz wurden bereits 2024 Anti-Drohnen-Befugnisse verankert. Die militärische Drohnenabwehr bleibt Bundessache. Leitmotiv: „Mit Härte und Hightech“ – „Entdecken, erfassen, eliminieren“.
(mit dpa)
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